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Philippinische Pflegekräfte im Elbland trotzten dem Trend

Jüngste Meldungen ließen aufhorchen. Die dringend benötigten Helfer aus Südostasien blieben lieber daheim. Andere Erfahrungen gibt es in Großenhain und Meißen.

Von Catharina Karlshaus
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Merljn Dante (v.l.n.r.), Joseph Gumiran, Kim John Co und Maria Po haben sich nach eigenem Bekunden ganz bewusst für den Weggang von den Philippinen und für die Arbeit bei Pro Civitate entschieden.
Merljn Dante (v.l.n.r.), Joseph Gumiran, Kim John Co und Maria Po haben sich nach eigenem Bekunden ganz bewusst für den Weggang von den Philippinen und für die Arbeit bei Pro Civitate entschieden. © Daniel Schäfer

Großenhain/Meißen. Die ältere Dame am Telefon ist ein wenig aufgeregt. Gerade habe sie in ihrer Lokalzeitung lesen müssen, dass Pfleger aus den Philippinen nicht mehr nach Deutschland kommen wollen - aus Angst vor der ausländerfeindlichen Stimmung. "Wissen Sie, dass mag ja in Teilen des Landes so zutreffen, und vielleicht gibt es wirklich Menschen, die sich aufgrund von Fernsehberichten abgeschreckt fühlen. Aber wer in die Seniorenresidenz von Pro Civitate in Großenhain geht, kann dort das glatte Gegenteil erleben", erklärt die Dresdnerin verärgert.

Seit über zwei Jahren befände sich ihre betagte und recht pflegebedürftige Mutter nun schon in der Obhut des Seniorenzentrums. Was ihr dabei gleich aufgefallen sei, wäre die herzliche Art des gesamten Personals, zu welchem eben auch sehr liebevoll agierende junge Frauen von den Philippinen gehörten. "Wenn ich meine Mutti besuchen komme, schwärmt sie mir immer vor, wie warmherzig diese zu ihr sind, und dass sie sich hier sehr wohlfühlten. Es kommt doch wirklich immer auf den Einzelfall an und sollte nicht so pauschalisiert werden", kritisiert die 69-jährige ehemalige Lehrerin.

Pflegekräfte werden selbst ausgebildet

Tatsächlich setzt die Pro-Civitate-Unternehmensgruppe, zu welcher eben auch Senioreneinrichtungen in der Röderstadt und Meißen gehören, seit Langem auf die Unterstützung der helfenden Hände aus der Ferne. Junge philippinische Frauen im Alter zwischen 26 und 41 Jahren, die das Team der beiden Einrichtungen verstärken. Bereits seit 2016 profitieren die renommierten Zentren von einer Kooperation ihres Trägers mit dem Inselstaat im Westpazifik. Weil es auf dem Arbeitsmarkt kaum noch qualifizierte Altenpfleger gibt, hatte dieser 2014 damit begonnen, selbst Pflegekräfte auszubilden. Und - erschloss damit eine Marktlücke.

Praktisch bedeutet das: Das eigens zu diesem Zweck gegründete und auf Arbeitsmigration spezialisierte Weiterbildungsunternehmen C&C Human resource development GmbH, mit Sitz in Bochum, entwickelte ein Programm, welches von der Immatrikulation im Ausland über die Fach- und Sprachausbildung, die Finanzierung sowie die berufliche Anerkennung in Deutschland alle notwendigen Erfordernisse abdecke. Das gesamte Programm, so Einrichtungsleiter Steffen Kummerlöw, sei dabei für migrationsbereite Fachkräfte kostenlos und übernehme gleichzeitig für Pflegeheime und Krankenhausbetreiber die risikointensiven Auslandsinvestitionen. Interessierten Gesundheitseinrichtungen würden von vornherein Planungs- sowie Kostensicherheit gewährleistet.

Anknüpfungspunkte und hohe Bereitschaft

Die Philippinen wären dabei im Sinne einer wünschenswerten langjährigen Integration dabei ganz bewusst ausgewählt worden. Mit über 100 Millionen Einwohnern, einem jungen Durchschnittsalter von rund 24 Jahren, der Verwendung des lateinischen Alphabets und der wettbewerbsfähigen Pflegeausbildung würden sie schließlich wichtige Bedingungen für eine ethische Arbeitsmigration vorweisen. Begünstigend wirkten sich kulturelle Anknüpfungspunkte aufgrund des christlichen Wertesystems aus und eine hohe Bereitschaft, für einen Job ihr Land verlassen zu wollen. Circa zehn Prozent der Bevölkerung arbeiteten bereits jetzt schon im Ausland.

Dass Deutschland aufgrund von ausländerfeindlichen Ereignissen und einer etwaigen Stimmungslage nicht mehr erste Wahl wäre, könne Pro Civitate nicht bestätigen. Die gegenwärtig insgesamt 38 Helfer fühlten sich offenkundig wohl im Landkreis Meißen. "Einige der Frauen haben ihre Männer nachgeholt, die inzwischen auch für uns arbeiten. Sie haben hier Kinder bekommen und sich ganz bewusst niedergelassen", verrät Steffen Kummerlöw.

Mehrere Hochzeiten, Kinder und deutsche Freunde

Entstanden sei eine gute Gemeinschaft, in der Hochzeiten schon ebenso gefeiert werden durften wie die Geburt des philippinischen Nachwuchses. Immerhin: Erst am 27. Februar erblickte der kleine Kyle Mattew und drei Tage später ein kerngesunder Markus das Licht der sächsischen Welt. Nach eigenem Bekunden fühlten sich die Familien in der Region sehr wohl, hätten auch deutsche Freunde gefunden und wären keineswegs bestrebt, die Rückreise anzutreten.

Auch wenn ganz natürlicherweise das Heimweh nach den Philippinen, zurückgelassenen Eltern und Geschwistern schon mal übermächtig werde - gut einmal im Jahr sei eine Reise in die Heimat möglich -, hätten sich Joseph Gumiran, Kim John Co oder Maria Po gut in Großenhain eingelebt. Vielleicht liege es an der Größe der Stadt, in welcher sie sich nicht verloren fühlen würden? Am intensiven Umgang mit den Bewohnern der Senioreneinrichtung, der zuweilen an das traditionelle Bekümmern von älteren Familienmitgliedern im einstigen Zuhause erinnerte? Oder am kollegialen Miteinander innerhalb des renommierten Pflegedienstes? "Wir sind auf jeden Fall dankbar für die professionelle Unterstützung unserer Philippiner und freuen uns über jeden, der gekommen ist, um wirklich zu bleiben." Sympathische Pflegefachkräfte, die deutsche Personallöcher stopfen. Herzlich und professionell.