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Medizinstudium in Ungarn: "Ich würde es wieder tun"

Bis 31. Januar können sich Abiturienten für einen Studienplatz der Humanmedizin in Ungarn bewerben. David Gruhne aus Großenhain hat das schon 2020 gemacht.

Von Kathrin Krüger
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David Gruhne (21) aus Großenhain studiert Medizin in Ungarn über die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen.
David Gruhne (21) aus Großenhain studiert Medizin in Ungarn über die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen. © Kathrin Krüger

Großenhain. Ein Notendurchschnitt bis 2,6 - und trotzdem Medizin studieren? Das geht im Rahmen des Modellprojekts „Studieren in Europa – Zukunft in Sachsen“. Bis Ende Januar können sich Kurzentschlossene noch bewerben. Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KV Sachsen) bietet Schülern, die im Sommer ihr Abitur ablegen werden, diese Chance - übrigens schon seit 2013. Dabei werden die Studiengebühren für die deutschsprachige Ausbildung an der Universität Pécs übernommen. Und die KV kümmert sich um die Studienzulassung.

David Gruhne aus Großenhain nutzt diese Möglichkeit seit zwei Jahren - und er sagt, er würde es sofort wieder tun. "Ich wollte Medizin studieren, aber in Deutschland, beim Bund, hat es wegen Corona leider nicht geklappt", so der 21-Jährige.

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Jetzt ist er gerade für eine Woche zu Hause, holte quasi Weihnachten in seiner Familie nach. Er wirkt reif und zielbewusst - das Auslandsstudium hat seinen Fokus geschärft. In Ungarn wohnt er in einer eigenen Wohnung, hat gelernt, für sich selbst zu sorgen. Die Uni in Pécs sei sehr weltoffen, viele Asiaten und Afrikaner studieren ebenfalls dort Medizin. "Wir waren 40 über das Modellprojekt der KV Sachsen", erzählt der Großenhainer, der mittlerweile auch Ungarisch gelernt hat.

Der Bruder als Anatomie-Modell

Einen schriftlichen medizinischen Einstellungstest musste David Gruhne freilich bestehen. "Ich hab mich mit dem Cat-Test der Bundeswehr vorbereitet", erzählt er. Als das Okay von der Uni kam, fuhr er gleich mit seiner Mutter nach Pécs, um die Wohnung zu suchen. Die Miete sei günstig, die Makler in Pécs auf deutsche Studenten eingestellt. "Wir haben gute Lern- und Erholungsbedingungen und kurze Wege auf dem Campus, der sehr modern ist", schwärmt David.

Das Studium, auch wenn es auf Deutsch ist, ist natürlich anstrengend. Und die ersten Prüfungen in Anatomie und Gewebelehre bestanden nicht alle Studierenden. "Ich hab das Lernen erst dort richtig gelernt", sagt David. Er nutzte beim Büffeln vor einem Jahr zu Hause seinen Bruder Pascal. An ihm zeichnete er die Arterien und Venen und die Organe bunt auf, um sie sich einzuprägen. "Wir hatten viel Spaß dabei", erinnert sich der junge Mann.

Auch die Mutter lernt jetzt Ungarisch

Die ungarische Sprache braucht David nicht nur für den Alltag, sondern auch für den vorklinischen und klinischen Teil seiner Ausbildung. Denn der ist mit ungarischen Patienten. "Ich finde die Sprache toll, die Grammatik ist für mich weniger wichtig, aber die Fachbegriffe!", sagt David.

Auch Mutter Isabel hat sich in einem Ungarisch-Kurs der Volkshochschule angemeldet. Denn die Eltern besuchten ihren Sohn bereits in Pécs. Dort hat der Großenhainer von seinen Dozenten einen guten Rat mit auf den Weg bekommen: Ein gesunder Geist hat einen gesunden Körper. Sport ist also für die deutschen Medizinstudenten ein wichtiger Ausgleich. David erzählt: "Es gibt viele Angebote, ich mach Karate, das hatte ich schon in Deutschland begonnen." Er mag auch Kickboxen und Joggen.

Neun Stunden Fahrt bis nach Großenhain

Auf frühere Hobbys wie das Imkern muss der angehende Mediziner jetzt verzichten. Sein Bruder kümmert sich nun um die Bienenvölker zu Hause und holt sich bei seinem "Großen" telefonisch Rat, wenn es nötig ist. In Großenhain spielte David auch Trompete im Posaunenchor und in zwei Orchestern. Das geht jetzt freilich auch nicht mehr. Die Beziehung zu seiner Freundin hat die Entfernung ebenfalls nicht überstanden. Doch David wirkt optimistisch. "Neun Stunden bis Pécs, das ist gar nicht so weit", sagt er. Mit seinen Mitstudenten bildet er Fahrgemeinschaften für die Strecke. Das nächste Mal wird er aber erst wieder im Sommer zu den Semesterferien nach Hause kommen.

Ja, es gab Kommilitonen, die das Heimweh nicht ausgehalten haben. Ihn selbst hat das nicht so getroffen. Wenn es zeitlich geht, genießt der 21-Jährige das Studentenleben in Ungarn mit den Clubs und Bars. "Pécs lebt von der Uni, ein Drittel der Stadtbevölkerung sind Studenten", erzählt er. David ist aufgeschlossen und stolz darauf, so viel Neues zu erleben.

Nachwuchsarzt will im ländlichen Raum bleiben

Natürlich mussten er und seine Familie sich um vieles kümmern: dass die Krankenversicherung in Ungarn gilt, dass er eine Wohnkarte bekam. Doch David hat Freunde, die ihm helfen, mit denen er sich abends trifft, gemeinsam kocht. In Pécs besucht der junge Christ sogar den deutschsprachigen Gottesdienst. David hat schon jetzt sein Studium um ein Jahr verlängern können, um nicht ganz so stressig lernen zu müssen. Seine jährlichen Praktika absolviert er in der Heimat.

Für den Erlass der Studiengebühren stellt die KV auch den neuen diesjährigen 40 Studierenden Bedingungen: die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin und die Aufnahme einer hausärztlichen Tätigkeit in Sachsen außerhalb der Städte Dresden, Radebeul, Leipzig und Markkleeberg. Für David Gruhne ist das kein Problem. Er möchte sehr gern nach dem Studium in Großenhain oder Umgebung tägig werden. Bis dahin freut er sich über die Herzlichkeit der Ungarn an seinem Studienort.

Informationen zum Bewerbungsverfahren und zum Projekt online unter www.nachwuchsaerzte-sachsen.de.