Freischalten Freischalten Großenhain
Merken

Frauenpower 2024: Was weibliche Führungskräfte ausmacht

Eine Bürgermeisterin, eine Sportorganisatorin, eine Geschäftsführerin und eine Feuerwehrfrau erzählen anlässlich des Frauentages.

Von Catharina Karlshaus & Kathrin Krüger & Jörg Richter & Thomas Riemer
 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Radeburgs Bürgermeisterin Michaela Ritter ist jetzt zehn Jahre im Amt. Frauenpower 2024 bedeutet für sie, lokale Interessen klug in Balance zu bringen.
Radeburgs Bürgermeisterin Michaela Ritter ist jetzt zehn Jahre im Amt. Frauenpower 2024 bedeutet für sie, lokale Interessen klug in Balance zu bringen. © Kristin Richter

Radeburg/Quersa/Großenhain/Glaubitz. Zehn Jahre sind das schon? Michaela Ritter muss selber kurz überlegen. Tatsächlich war es 2013, als sie zur Bürgermeisterin der Zillestadt gewählt wurde. In der zweiten Runde hatte die heute 50-Jährige die Wahl für sich entschieden. Die studierte Verwaltungs-Betriebswirtin trat damals die Nachfolge von Dieter Jesse an, der nach 21 Jahren an der Rathausspitze nicht mehr kandidierte.

Bürgermeisterinnen sind nicht so selten, aber immer noch in der Minderheit. Im Landkreis Meißen kann man sie an einer Hand abzählen. Von 28 Städten und Gemeinden stehen nur noch in Priestewitz, Lommatzsch, Diera-Zehren und Nünchritz ebenfalls Frauen an der Spitze der Verwaltung. Was heißt also für eine Bürgermeisterin "Frauenpower 2024", wo es sogar schon weibliche Außenpolitik geben soll?

"Es geht im Kommunalen darum, lokale Interessen klug in Balance zu bringen, und dafür haben wir Frauen doch ein besonderes Händchen", sagt Michaela Ritter, die verheiratet ist und zwei erwachsene Töchter hat. Allerdings schaue man bei einer Frau genau hin, ob sie zu öffentlichen Anlässen zweimal das gleiche Kleid trägt. "Wenn ein Mann immer dasselbe Hemd anhat, stört das keinen", schmunzelt die Radeburgerin. Sie sah sich anfangs unterschätzt wahrgenommen. Jetzt spiele das keine Rolle mehr. "Aber in vielen Gesprächsrunden bin ich als Frau allein", so Ritter.

Um die Frauenpower zu stärken, wurde die Radeburger Bürgermeisterin zur Mentorin in der Landkreisveranstaltung "Frauen in die Politik". Aktuell begleitet sie zwei Dresdnerinnen, die für die Kommunalpolitik in diesem Jahr kandidieren wollen. "Der kürzliche Auftaktworkshop war sehr interessant, es geht doch bei uns Frauen immer wieder um Vereinbarkeit von Familie und Beruf." Auch die Pflege von Angehörigen sei immer noch hauptsächlich Frauensache. Deshalb könnten Frauen deren Bedeutung besser einschätzen. "Männer würden sich das nicht an die Backe binden", sagt Ritter.

Stephanie Wohmann übernahm die Betriebsleitung des Standortes Quersa von Remondis.
Stephanie Wohmann übernahm die Betriebsleitung des Standortes Quersa von Remondis. © Kristin Richter

Stephanie Wohmann ist das, was zu Recht als junge Powerfrau bezeichnet werden darf. Und zwar eine mit Herz und Verstand. Wer der Expertin in Sachen Abfallwirtschaft zuhört, mag zuweilen kaum glauben, dass hinter all der fachlichen Kompetenz, dem versierten Umgang mit Firmenkunden und dem freundlichen Miteinander innerhalb ihres 110-köpfigen Teams keineswegs viele Berufsjahre liegen.

Immerhin: Es ist tatsächlich noch nicht allzu lange her, dass die gebürtige Südbrandenburgerin an der Technischen Universität in Dresden erfolgreich ihren Masterstudiengang beendete, um Ende 2017 als Trainee beim Entsorgungsunternehmen Remondis mit Sitz in Quersa anzufangen. Offenbar mit durchschlagendem Erfolg, denn nur ein Jahr später bot ihr der damalige Geschäftsführer Thomas Schiefelbein die Leitung des renommierten Betriebes an.

Die damals erst 25-Jährige, der nach eigenem Bekunden die Arbeit wirklich Spaß mache, ließ sich nicht lange bitten und übernahm schließlich im April 2022 die Geschäftsführung. Nach den Einschränkungen inmitten der Corona-Pandemie kämpft die Unternehmerin nun mit Personalnöten, steigenden Kosten und hin und wieder sicherlich auch mit zu wenig Schlaf. Im Juni vergangenen Jahres Mama eines Sohnes geworden, arbeitete Stephanie Wohmann nicht nur bis zwei Tage vor der Entbindung, sondern kehrte auch nach acht Wochen bereits wieder an ihren Arbeitsplatz in Quersa zurück. "Es hat sich trotz aller Bemühungen keine Vertretung gefunden. Und da gab es keine Alternative, denn schließlich ging es um die Aufrechterhaltung des Betriebes und die Entsorgung im Landkreis Meißen", gibt Stephanie Wohmann zu bedenken.

Und macht keinen Hehl daraus, wie dankbar sie für die Unterstützung durch Mann, Familie, Freunde und vor allem auch ihre Mitarbeiter wäre. Alles zu wuppen, sei mitunter eben doch nicht so leicht. Aber die gute Arbeit im Team verschaffe ihr den nötigen Rückenwind. Einen, den zuweilen auch junge Powerfrauen wie sie brauchen können.

Feuerwehrfrau des Jahres 2023

Sophie Raasch ist Sachsens Feuerwehrfrau des Jahres 2023.
Sophie Raasch ist Sachsens Feuerwehrfrau des Jahres 2023. © SZ/Jörg Richter

Vor sieben Jahren schrieb die Süddeutsche Zeitung eine große Reportage über Glaubitz in Sachsen und titelte mit der Schlagzeile "Das Dorf, dem die Frauen weglaufen". Dabei gibt es hier viele Frauen, die ihren Mann stehen und sich im Dorfleben einbringen. Das "männlichste Dorf Deutschlands", wie die Süddeutsche den Ort außerdem bezeichnete, wäre ohne seine Frauen tatsächlich nur ein armseliger Fleck auf der Landkarte. Das ist Glaubitz zum Glück nicht. Und das liegt an Frauen wie Sophie Raasch.

Die 30-Jährige ist vielen Menschen im Dorf als medizinische Fachangestellte der hiesigen Arztpraxis Gauer bekannt. Dass sie in ihrer Freizeit auch eine sehr engagierte Feuerwehrfrau ist, wissen mittlerweile nicht nur die Glaubitzer. Im vergangenen Herbst hatte der Radiosender PSR Sophie Raasch zu "Sachsens Feuerwehrfrau des Jahres 2023" gekürt. Gleich mehrere Leute hatten sie vorgeschlagen.

Dass die einzige aktive Frau der Freiwilligen Feuerwehr Glaubitz von ihren männlichen Kameraden so hoch geachtet wird, habe die Jury besonders beeindruckt, bestätigte Radio-PSR-Moderator Steffen Lukas bei der Preisübergabe.

Seit zehn Jahren gehört Sophie Raasch zur hiesigen Feuerwehr, hat in dieser Zeit zahlreiche Ausbildungen absolviert und ist stets ganz vorn mit dabei, wenn es darum geht, unter vollem Atemschutz in brennende Häuser zu gehen. Seit mehreren Jahren leitet sie auch die Bambini-Gruppe der Glaubitzer Feuerwehr und wird von den Kleinen geliebt. "Es macht mir einfach Spaß, bei den Kindern spielerisch das Interesse an der Feuerwehr zu wecken", sagt sie. Die Nachfrage für die Feuerwehr-Bambinis ist hoch. Es gibt eine lange Warteschlange. Auch dank Sophie Raasch.

General Managerin mit heimlichem Wunsch

Viele Großenhainer staunten nicht schlecht, als vor nicht einmal zwei Jahren die Nachricht um sich ging, dass sich in Großenhain eine Football-Mannschaft gründet. Zu den "Gründern" zählte damals Melanie Zehmisch. Anfangs als Orga-Chefin, nennt sich die 44-Jährige inzwischen General Manager der "Husaren Großenhain".

Melanie Zehmisch managt die Großenhainer Football-Husaren.
Melanie Zehmisch managt die Großenhainer Football-Husaren. © Kristin Richter
Stephanie Wohmann übernahm nach der Betriebsleitung des Standortes Quersa im April 2022 die Geschäftsführung der Remondis Elbe-Röder GmbH.
Stephanie Wohmann übernahm nach der Betriebsleitung des Standortes Quersa im April 2022 die Geschäftsführung der Remondis Elbe-Röder GmbH. © Kristin Richter
Die Bambinis der Freiwilligen Feuerwehr Glaubitz waren im Herbst die ersten Gratulanten von Sachsens Feuerwehrfrau des Jahres 2023, Sophie Raasch (vorn Mitte).
Die Bambinis der Freiwilligen Feuerwehr Glaubitz waren im Herbst die ersten Gratulanten von Sachsens Feuerwehrfrau des Jahres 2023, Sophie Raasch (vorn Mitte). © Jörg Richter

Die haben 2023 ihre erste Liga-Saison gespielt – und Melanie Zehmisch ist im Team längst die "Powerfrau". Spielorganisation, Platz-Herrichtung, Sponsorensuche, Medienarbeit – das alles und noch viel mehr liegt in den Händen der zweifachen Mutter.

"Die Position des General Managers bedeutet viel Organisation, Kommunikation, Verständnis und man sollte immer einen klaren Kopf behalten", kommentiert sie das. Anfangs habe sie in ihrem ehemaligen Lebenspartner eine gute Unterstützung gehabt, musste sich allerdings seit April letzten Jahres mehr oder weniger allein mit den Aufgaben auseinandersetzen. "Ein 16- oder 18-Stunden-Tag war zu Saisonbeginn keine Seltenheit, und mein Haushalt hat teilweise richtig gelitten", beschreibt sie die Situation. "Ohne die Unterstützung meines großen Sohnes wäre es nicht zu stemmen gewesen." Er ist 19 und lebt bei ihr.

Hauptberuflich arbeitet Melanie Zehmisch in Vollzeit im Büro eines Umweltlabors. Sie sieht es als Vorteil, dass sie auch dort mit Management zu tun hat, wodurch ihr vieles schon vertraut sei. Zudem erfährt sie jede Menge Hilfestellung vom Football-Verband sowie den Strukturen der anderen Liga-Teams, "die mir den Einstieg erleichtert haben".

Für die "Husaren" ist Melanie Zehmisch mittlerweile ständig auf dem Sprung. "Das Telefon steht fast nie still, man befindet sich dauerhaft in einem Lernprozess, macht mal schnell in der Mittagspause ein Interview mit mdr Sachsen und versucht irgendwie, jedes kleine auftretende Problem schon im Ansatz zu lösen, bevor noch ein zweites dazukommt", skizziert sie ihre Abläufe. Die Kommunikation mit Freunden und Familie indes beschränke sich mittlerweile viel auf Chat-Nachrichten und Telefonate. "Aber ich habe mich dazu entschieden und ziehe es durch", ist die General Managerin entschlossen.

Doch wie passt eine Frau an die Spitze einer Männer-Domäne? Melanie Zehmisch gibt selbst die Antwort: "Auch wenn American Football von den meisten als 'Männersport' eingestuft wird, darf man nicht vergessen, dass es auch immer mehr Mädchen und Frauen gibt, die ihre Liebe zu diesem Sport entdecken", sagt sie. Und hat einen heimlichen Wunsch: "Vielleicht schaffe ich es ja auch noch, dass wir irgendwann ein Frauenteam auf dem Feld stehen haben." Frauenpower eben.