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Würschnitz: Heibo-Räumung könnte gefährlich werden

Die Waldbesetzer in der Laußnitzer Heide wollen sich auf frei hängenden Gestellen verschanzen – deren Abbau birgt Verletzungsgefahren für alle Beteiligten.

Von Manfred Müller
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Der Heibo bei Würschnitz bereitet sich auf die Räumung vor. Die Aktivisten beim Barrikadenbau.
Der Heibo bei Würschnitz bereitet sich auf die Räumung vor. Die Aktivisten beim Barrikadenbau. © Kristin Richter

Würschnitz. Auf den Wegen zum Waldbesetzer-Camp in der Laußnitzer Heide herrscht deutlich mehr Betrieb als noch zu Jahresbeginn. Die Aktivisten rechnen mit einer Räumung des Camps innerhalb den nächsten zwei, drei Wochen. Am 1. März beginnt die mit einem Fällungsverbot einhergehende Schonzeit für Bäume. Bis dahin will Flächeneigentümer Sachsenforst das Waldstück neben der Kiesgrube „Würschnitz 1“ abgeholzt haben, um deren Erweiterung möglich zu machen.

Damit sich die Räumung möglichst lange hinzieht, bekommen die Heibo-Waldbesetzer Unterstützung aus anderen Regionen Deutschlands und sogar aus Nachbarländern. „Wir haben noch einmal kräftig mobilisiert“, erklärt einer der vermummten Aktivisten, der sich Leo nennt. „Zwei Tage halten wir auf jeden Fall durch, vielleicht sogar drei.“ Rein logistisch vielleicht sogar länger, ergänzt sein Nebenmann mit dem Decknamen Luca. Aber das werde vielleicht gar nicht nötig sein.

Im Grunde genommen sehnen die Waldbesetzer die gewaltsame Räumung herbei. Sie haben mit der Errichtung ihrer Baumhaussiedlung im Sommer 2020 begonnen und harren nun schon den zweiten Winter hier aus. Das Protestcamp befindet sich in einem Waldstück nahe dem Dörfchen Würschnitz und blockierte bisher die Abholzung der Bäume. Um möglichst viel öffentliche Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu schaffen, haben die Umweltaktivisten verschiedene Vorrichtungen gebaut, die die Räumung durch die Polizei erschweren.

Eine davon sind so genannte Skypods – frei hängende Gestelle, die mit Sicherheitsseilen an den umstehenden Bäumen befestigt sind. Dort klettern die Aktivisten im Falle einer Räumung hinauf. Die Seile sind über den Waldwegen verspannt, um den Einsatz von Baggern und Hebebühnen zu verhindern. Schneidet man sie einfach durch, stürzen die Skypods herunter und bringen das Leben der Besetzer, aber auch der Angehörigen des Räumkommandos in Gefahr. Als im November 2020 der Dannenröder Forst in Hessen geräumt wurde, ist es zu solchen Vorfällen gekommen.

Schaut man sich im Camp um, sieht man durchaus nicht nur junge Leute, sondern auch bärtige Aktivisten mittleren Alters, die offenbar schon Erfahrung mit derartigen Aktionen haben. Auch Leo ist nicht ganz unerfahren. Er war bei Räumung von Lützerath dabei und glaubt, dass die Vorgehensweise beim Heibo ähnlich sein wird. Zuerst werde alles plattgemacht, was sich am Boden befindet, sagt er. Dann kämen die Baumhäuser an die Reihe und zuletzt die Skypods. Wobei die sächsische Polizei keine Spezialeinheit habe, die sich mit solchen Räumungen auskennt, ergänzt Luca. Das erhöhe auf beiden Seiten das Risiko, verletzt zu werden.

Lebensgefährliche Konstruktionen sollen die Räumung verzögern: Warnschild am Sicherungsseil eines Skypods.
Lebensgefährliche Konstruktionen sollen die Räumung verzögern: Warnschild am Sicherungsseil eines Skypods. © Kristin Richter

Am dritten Januarwochenende gab es im Baumhaus-Camp einen Workshop, bei dem die Aktivisten den Widerstand gegen Räumungsmaßnahmen trainierten. Luca schätzt die Zahl der Teilnehmer an beiden Tagen auf etwa 100. „Die Schlafzelte haben jedenfalls nicht ausgereicht“, sagt er. Viele der Teilnehmer hätten ihr Kommen angekündigt, sobald die Räumung in Sicht ist. Auf die Grünen, die in Sachsen mitregieren und gewaltsame Auflösung des Heibo-Camps mittragen, sind die Aktivisten nicht gut zu sprechen.

„Sobald sie an die Macht kommen, verraten sie ihre Ideale“, findet Leo. Wie es nach der Camp-Räumung weitergehen wird? Luca überlegt einen Moment. Es sei auf jeden Fall eine Option weiterzumachen, sagt er, auch wenn vielleicht erst einmal eine Pause gebraucht werde. Schließlich solle für den neuen Kiestagebau Würschnitz-West ja erneut Wald abgeholzt werden.

Am Montagmittag hatten die beiden Aktivisten von "Kibo", vlnr.: Samuel Bosch (20) und Charlie Kiehne (20) am Eingang des Kieswerks Ottendorf-Okrilla gegen die Abholzung des Waldes in der Laußnitzer Heide protestiert.
Am Montagmittag hatten die beiden Aktivisten von "Kibo", vlnr.: Samuel Bosch (20) und Charlie Kiehne (20) am Eingang des Kieswerks Ottendorf-Okrilla gegen die Abholzung des Waldes in der Laußnitzer Heide protestiert. © René Meinig
Samuel Bosch und Charlie Kiehne hatten ein vorbereitetes Banner mit der Aufschrift "Paragraph 30 Bundesnaturschutzgesetz: Biotope erhalten" am Eingang zum Kieswerk Ottendorf gehisst. Einer der Aktivisten kletterte auf den Mast.
Samuel Bosch und Charlie Kiehne hatten ein vorbereitetes Banner mit der Aufschrift "Paragraph 30 Bundesnaturschutzgesetz: Biotope erhalten" am Eingang zum Kieswerk Ottendorf gehisst. Einer der Aktivisten kletterte auf den Mast. © Foto: "Heibo"

Auch das Kieswerk ist jetzt Ziel der Klimaaktivisten

Am Montagmittag hatten zwei Aktivsten rund um die "Heibo"-Gruppe am Eingang zum Kieswerk Ottendorf-Okrilla GmbH & Co. KG ein Banner gehisst, auf dem zu lesen war: "„Artikel 30 BNatSchG Biotope erhalten".

Wie die Polizeidirektion Görlitz auf Anfrage bestätigt, war einer der beiden auf einen Mast geklettert, aber selbständig auch wieder hinabgestiegen. Die Polizei war mit einem Streifenwagendort im Einsatz. Ausschreitungen oder ähnliches blieben aus.

Die Teilnehmerin Charlie Kiehne sagt: "Es ist frech, in Zeiten der Klimakrise private Konzernprofite über intakte Natur und Gemeinwohl zu stellen." und ihr Mitstreiter Samuel Bosch wolle "mit Blockaden das Kieswerk in seine Schranken weisen".