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Der Thiendorfer Gewerbepark kommt - gegen den Widerstand der Bauern

Der Gemeinderat von Thiendorf stimmt mehrheitlich einem städtebaulichen Vertrag für 70 Hektar an der A13 zu. Das Gebiet soll eine Projektgesellschaft entwickeln. Landeigentümer wollen aber nicht verkaufen.

Von Kathrin Krüger
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Diese Fläche nördlich von Thiendorf an der Autobahn soll neben anderen zum Gewerbegebiet werden.
Diese Fläche nördlich von Thiendorf an der Autobahn soll neben anderen zum Gewerbegebiet werden. © Kristin Richter

Thiendorf. Bürgermeister Dirk Mocker (parteilos) stimmt in dieser außerordentlichen Gemeinderatssitzung die zahlreichen Anwesenden auf die Vorteile durch das seit 1991 bestehende Gewerbegebiet ein. Günstig an der A13 gelegen, brachte es der Kommune auch eine gute Einwohnerentwicklung. Die laut Mocker bis 2040 wieder den Stand zu Wendezeiten erreicht haben könnte. Das Gebiet sei fast zu 100 Prozent belegt, doch die Nachfrage nach Gewerbeflächen explodiere.

Der Ort könne davon profitieren, dass in Dresden und Radeburg keine größeren Flächen mehr zu haben seien. "Thiendorf wurde als Vorsorgestandort für Gewerbe festgesetzt, deshalb war hier auch mehr Wohnbauentwicklung möglich", so Mocker. Im neuen Flächennutzungsplan vom Mai 2021 wurde daher schon eine Gewerbefläche an der Autobahn, nördlich des jetzigen Gebietes, ausgewiesen.

Seitdem geben sich laut Bürgermeister interessierte Unternehmer in der Gemeindeverwaltung die Klinke in die Hand. Gut war es demnach, dass im November 2022 die Geraer Entwicklungsgesellschaft FAB auf die Gemeinde zukam. Die Verwaltung kann eine solch umfangreiche Gebietsentwicklung nicht allein stemmen, so Dirk Mocker. Die Firma unter Geschäftsführer Falk Bräuner stellte für Thiendorf eine Potenzialentwicklung auf.

Nun ist die Sache nach etwa anderthalb Jahren so weit gediehen, dass eine Terrawerk Thiendorf Projektgesellschaft als 100-prozentige Tochter der FAB gegründet wurde. Ein städtebaulicher Vertrag zur Entwicklung eines Bebauungsplanes wurde mit einem Rechtsvertreter der Kommune und dem Gemeinderat vorbereitet. Es geht um eine Erweiterung des bestehenden Gewerbegebietes um 70 Hektar entlang der Autobahn, wie Mitarbeiterin Nancy Mittmann den Zuhörern erklärte.

Die FAB will für diesen neuen "Gewerbepark" das Baurecht erreichen und die Flächen eigenverantwortlich vermarkten. Angestrebt sei eine Zertifizierung für Nachhaltigkeit. "Wir setzen den Focus auf wirtschaftsstarke Unternehmen", so Gemeinde und FAB unisono. Thiendorf hat einige K.-o.-Kriterien in die Verträge einarbeiten lassen: keine Windenergie, nur maximal 30 Prozent für Logistik, weil es das ja schon zur Genüge in der Gemeinde gibt. Auch wolle man kein zweites Kronospan. Eher innovative Forschungs- und Entwicklungsfirmen. Festgelegt wurde auch eine abfallende Höhenentwicklung Richtung Ort.

Keine Windräder

Die neue Gesellschaft trägt das Kostenrisiko und kauft die betreffenden Grundstücke, die jetzt landwirtschaftliche Nutzfläche sind. Knapp vier Hektar gehören Landwirt Sebastian Tanner, der auch Gemeinderat ist, aber aus Befangenheit nicht mitdiskutieren bzw. abstimmen darf. Wie zu hören war, ist er gegen das neue Gewerbegebiet. Und nicht nur er. Die FAB hat auf ihrer Internetseite stehen: "Bei der Gewerbeflächenansiedlung ist die Berücksichtigung aller Interessengruppen von größter Relevanz, um schnittstellenübergreifend Synergieeffekte zu schaffen und gezielte und kooperative Standortentwicklung zu betreiben." In Thiendorf dürfte das schwierig werden.

Einige Gemeinderäte haben Bauschmerzen bei dieser Entscheidung. Wolfgang Hausdorf aus Dobra sagt: "Das ist vielleicht 'ne Nummer zu groß für uns und wird auch Belastung mit sich bringen." Hausdorf und die Gemeinderäte Armin Küllmann und Detlef Beyer enthielten sich letztlich bei der Abstimmung. Andere Gemeinderäte wie Alexander Krause aus Naundorf b.O., Elisabeth Tenner aus Sacka und Jörg Noack aus Thiendorf argumentieren stark für die Vorteile der Entwicklung dieser "marktgerechten Fläche". Die Gemeinde habe weiter Einfluss auf das Bebauungsplanverfahren und könne von der wirtschaftlichen Entwicklung in der Landeshauptstadt profitieren. Thiendorf gehe es deshalb sehr gut, weil hier Geld verdient wurde, das die Gemeinde einsetzen konnte.

Die Thiendorfer Bauern sehen das Gewerbegebiet kritisch.
Die Thiendorfer Bauern sehen das Gewerbegebiet kritisch. © privat

Landwirtschaft soll bleiben

Die Flächeneigentümer sehen das anders. Besitzer Arnold erinnert in der Einwohnerfragestunde daran, dass über 20 Eigentümer von 13 Grundstücken schon beim Flächennutzungsplan Widerspruch gegen die neue Gewerbefläche eingelegt hatten. Aber überstimmt wurden. "Wir wollen nach wie vor nicht verkaufen, werden wir dann enteignet?", fragt er unter Beifall.

Ein Herr Haupt führt die jetzt schon starke Lärmbelastung an, andere sagen, es werde jetzt alles beschönigt. Landwirt Gerald Müller aus Welxande führt zahlreiche Hemmnisse der Infrastruktur an, die aber in seinem Ort noch mit der Breitbanderschließung zu tun haben. Peggy Trentzsch aus Thiendorf will auch nicht verkaufen, weil die Landwirtschaft erhalten werden sollte und sie schon mal bei einer "sinnlosen" Umgehungsstraße enteignet wurde. Alle Flächeneigentümer hätten sich gewünscht, dass man eher auf sie zukommt und sie einbezieht.

Letztlich werden Vertrag und Bebauungsplan-Aufstellung beschlossen. Das neue Gewerbegebiet werde sich erst langsam füllen und noch nicht in drei Jahren fertig sein, heißt es. Die Einwohner diskutieren noch lange im Anschluss vor dem Sitzungsgebäude. Viele sehen bei diesem Vorhaben eher den Fluch als den Segen.