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Hausärztin: "Die Angst ist noch da"

Ute Israel besuchte Patienten mit Corona-Verdacht zu Hause. Sie selbst ist bis heute verunsichert, obwohl es in ihrer Praxis keinen positiven Fall gab.

Von Peter Ufer
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Ute Israel betreibt ihre Hausarztpraxis seit 30 Jahren. Sie berichtet, dass viele ihrer Patienten in den vergangenen Monaten aus Angst vor dem Coronavirus nicht zur Sprechstunde kamen.
Ute Israel betreibt ihre Hausarztpraxis seit 30 Jahren. Sie berichtet, dass viele ihrer Patienten in den vergangenen Monaten aus Angst vor dem Coronavirus nicht zur Sprechstunde kamen. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Es ist ein ungewöhnliches Schild, das Ärztin Ute Israel vor über drei Monaten in ihrer Bautzener Praxis aufstellt: „Bei Corona-Verdacht bitte nicht die Praxis betreten, sondern klingeln oder anrufen.“ Dass Patientinnen und Patienten bei Beschwerden nicht einfach so zu ihrer Ärztin kommen dürfen, das gab es hier noch nie.

Dieser Zettel hing an Ute Israels Praxis.
Dieser Zettel hing an Ute Israels Praxis. © SZ/Uwe Soeder

Journalistin Franziska Klemenz schreibt am 12. März auf Sächsische.de über die Bautzenerin. Ihr Text erscheint jetzt in dem neuen Buch „Corona – Sachsen im Ausnahmezustand“. Denn die Arbeit der Medizinerin steht repräsentativ für viele Ärztinnen und Ärzte in Sachsen. 

Anfang März häufen sich im ganzen Land, ähnlich wie in der Spreestadt, die Verdachtsmomente. Die Farbe der Nase, der Klang des Niesens, der Geschmack der Pekingente beim Chinesen: Viele wähnen im März und April das Coronavirus überall. Wenn das Team von Ute Israel so aufgescheucht ticken würde, hätte die Hausarztpraxis damals längst geschlossen. Die Mitarbeiterinnen schützen sich mit klaren Kriterien und nicht mit Kurzschlussreaktionen. „Haben Sie Ihre Hände desinfiziert?“, fragt eine Arzthelferin, als ein Patient die Praxis betritt. Er stolpert ein paar Schritte zurück, drückt verlegen auf den Spender.

Die Leute werden seit Anfang März bei Corona-Verdacht per Telefon informiert, dann fährt Ute Israel auf Hausbesuch oder vermittelt ans Gesundheitsamt. Schon seit Ende Januar beschäftigt sich die Medizinerin intensiv mit der Krankheit. Israel folgt von Anbeginn eine Devise: „Wir sollten uns gefasst verhalten. Es gibt einen neuen Virus, mit dem wir noch keine Erfahrung haben. Niemand weiß, wie viele sich infiziert haben und wie viele sterben werden. Wir müssen das ernst nehmen. Ich möchte ruhig, aber wachsam bleiben.“

Viele Patienten holen Sprechstunde jetzt nach

Angst, sich anzustecken, hat sie nicht, sondern sagt: „Man arbeitet als Arzt immer mit Patienten, die eine Infektion haben können. HIV, Tuberkulose, Meningitis. Natürlich hat man ein bisschen Furcht, aber die macht einen achtsam.“ Das sei bei Corona nichts anderes als bei anderen Infektionen. Wer zu Corona-Zeiten mit Grippe-Symptomen eine Praxis betritt, muss diese Fragen beantworten: Waren Sie in einem Risikogebiet? Hatten Sie Kontakt zu Infizierten? Einige Patienten sagen Termine auch gleich ab oder verschieben sie, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren.

Vergangenen Mittwoch telefoniert Franziska Klemenz erneut mit der Bautzener Ärztin, will wissen, wie es ihr heute geht. Wie auch damals wirke sie sehr ruhig, ohne die Dinge allzu gelassen zu nehmen, sorge sich um die emotionalen Auswirkungen der Krise. „Ich habe jetzt mehr Patienten, weil viele aus Angst zu Hause geblieben waren, gerade die älteren Leute. Da muss jetzt vieles nachgeholt und besprochen werden.“ Einige ältere Leute seien bis dato gar nicht rausgegangen, dazu würden Plakate sie ja auch teilweise aufrufen.

Jetzt müsse die Ärztin vor allem aufklären. „Da rede ich jetzt sehr viel und bin dennoch verunsichert, weil ich nach wie vor so wenig über das Virus weiß“, sagt die Ärztin. Sie lerne, mit dem Virus zu leben, bis es Gegenmittel gebe. Aber ob das wirklich komme, sei völlig unklar. Im Übrigen habe sie in ihrer Praxis in den vergangenen drei Monaten nicht einen einzigen positiven Corona-Fall gehabt.

Sachsens erstes Corona-Buch

Das Buch „Corona – Sachsen im Ausnahmezustand“ ist in allen DDV-Lokalen/SZ-Treffpunkten erhältlich.
Das Buch „Corona – Sachsen im Ausnahmezustand“ ist in allen DDV-Lokalen/SZ-Treffpunkten erhältlich. © SZ

Heinrich M. Löbbers, Peter Ufer (Hrsg.): Corona – Sachsen im Ausnahmezustand. DDV edition, 112 S., 20 €; ab Mittwoch in allen DDV-Lokalen/SZ-Treffpunkten und schon jetzt in unserem Online-Shop erhältlich