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Neubaustrecke Dresden-Prag: "Ein großer Erfolg von Bürger-Engagement"

Für die Wahl der Volltunnelstrecke als Vorzugsvariante gibt es viel Lob. Aber vor allem Heidenau hat noch Wünsche und Forderungen an die Bahn.

Von Thomas Möckel
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Ein ICE fährt aus einem Tunnel: So ähnlich könnte später auch das Tunnelportal bei Heidenau für die Neubaustrecke Dresden-Prag aussehen.
Ein ICE fährt aus einem Tunnel: So ähnlich könnte später auch das Tunnelportal bei Heidenau für die Neubaustrecke Dresden-Prag aussehen. © dpa

Im Juli dieses Jahres legte Pirna noch einmal nach, es galt, einigen Forderungen noch einmal Nachdruck zu verleihen. Im Kern ging es um die geplante Eisenbahn-Neubaustrecke Dresden-Prag, die einmal zwischen Heidenau und Pirna von der bestehenden Elbtalstrecke abzweigen und dann durch einen mindestens 26 Kilometer langen Tunnel unter dem Erzgebirge hindurch bis nach Tschechien führen soll.

Die Deutsche Bahn hat in den zurückliegenden Monaten zwei infrage kommende Streckenalternativen gleichwertig durchplanen lassen. Da gab es die sogenannte teiloffene Variante mit einem kleinen Tunnel zwischen Pirna und Heidenau nebst riesiger Talbrücke übers Seidewitztal und einem tiefen Geländeeinschnitt am Kohlberg und Goes vorbei bis zum großen Tunnelportal bei Dohma. Und es gab die Volltunnelvariante, die ab Heidenau vollständig unter der Erde verläuft. Im vierten Quartal, so der Bahn-Plan, sollte die Vorzugsvariante verkündet werden.

Mit seinem Brief wollte Pirnas Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke noch einmal zu verdeutlichen, dass aus Sicht der Stadt nur diese Volltunnelvariante in Betracht komme, weil sie sowohl die Menschen als auch die Umwelt am wenigsten beeinträchtige. Die teiloffene Strecke hingegen mit Brücke, Taleinschnitt und Tunnelportal würde die Lebensqualität vieler Menschen erheblich beeinträchtigen.

Ob die Zeilen letztendlich den Ausschlag gaben, ist nicht überliefert, zumindest hat die Bahn am 20. November die Volltunnelstrecke als ihre Vorzugsvariante präsentiert, weil sie in den drei Bewertungskategorien – Umwelt, Verkehr und Technik sowie Wirtschaftlichkeit – stets besser abschnitt als die teiloffene Variante. Die nun präferierte Volltunnelstrecke basiert zum Großteil auf bis ins Detail ausgearbeitete Vorschläge der Dohmaer Bürgerinitiative "Basistunnel nach Prag".

Ein Tag für die Geschichtsbücher

So überwiegt nun die Freude über den auserkorenen Strecken-Favoriten. Der 20. November 2023, so schreibt die Bürgerinitiative auf ihrer Internetseite, hätte durchaus einen würdigen Platz in den Geschichtsbüchern verdient. Bis zuletzt war die Initiative davon ausgegangen, dass die teiloffene Variante den Vorzug erhält. Umso überraschter waren dann alle vom Ergebnis. "Für uns ist der 20. November ein absoluter Freudentag", sagt Steffen Spittler von der Bürgerinitiative.

Auch Pirna begrüßt das Bahn-Votum. "Wir Pirnaer sind erleichtert. Die Volltunnel-Variante ist für unsere Stadt und das Projekt die richtige Entscheidung", sagt Hanke. Neben den städtischen Einwendungen habe vor allem die überwältigende, fachlich fundierte Zuarbeit der Bürgerinitiative und vieler anderer Bürger dazu beigetragen, dass die Planer diese Variante der Streckenführung favorisieren. "Die künftige Bahnverbindung ist unheimlich wichtig für unsere Zukunft", sagt der Rathauschef, "nun ist sie aber vor allem auch erträglich für alle Anwohner geworden."

Mit der Entscheidung für die Volltunnelvariante, sagt Landrat Michael Geisler (CDU), sei den Planern eine umweltverträgliche, nachhaltige Entscheidung gelungen, die die verschiedenen Interessen zwischen Anrainern und der Deutschen Bahn in dem Baugebiet klug austariere. Er sei dankbar, dass die Bahn bei der Abwägung auch die besonderen Gegebenheiten der Region sowie die berechtigten Anliegen der Bürger und der direkt betroffenen Anwohner berücksichtigt habe.

Der Bürgerinitiative sei es gelungen, dass der Ansatz eines Volltunnels als vollwertige Variante in den Planungsprozess aufgenommen und detailliert geplant und geprüft worden ist. Insgesamt spiegle die Entscheidung der Bahn die von den Vertretern im Dialogforum aufgezeigten Bedenken und Forderungen wider.

Die beste Lösung für Mensch, Umwelt und Natur

Dohmas Bürgermeister Matthias Heinemann zeigt sich erleichtert darüber, dass der Volltunnel den Vorzug bekommt – weil es nun weder den Überholbahnhof vor dem Ortsteil Goes noch das Tunnelportal unmittelbar neben dem Ort geben wird. "Ich bin allen Beteiligten dankbar, dass es zur Volltunnelvariante gekommen ist", sagt Heinemann. Es sei die beste und verträglichste Lösung für Mensch, Umwelt und Natur, auch wenn die Findung in sehr kontroversen Diskussionen geführt worden sei. Sein persönlicher Dank gelte auch seinen Mitstreitern, den Mitgliedern der Bürgerinitiative um Steffen Spittler sowie Kay Müller von der Bahn mit seinem Team. Er wolle auch diejenigen nicht vergessen, die wie der Landrat von der Idee des Volltunnels überzeugt waren und die Gemeinde unterstützt haben.

Bei der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen stößt das Bahn-Votum ebenfalls auf Wohlwollen. "Die Entscheidung der Bahn ist auch ein großer Erfolg von bürgerschaftlichem Engagement", sagt Gerhard Liebscher, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion. Er freue sich, dass die von der Bürgerinitiative eingebrachte Volltunnelvariante von den Bahn-Experten als beste Lösung identifiziert wurde. Das Ergebnis zeige auch, wie wichtig der frühe umfangreiche Dialog mit den Betroffenen vor Ort und wie wertvoll deren Einwände für ein Projekt sein können. Ohne die Bürgerinitiative, so Liebscher, hätte die Volltunnelvariante wohl keine Rolle gespielt.

Heidenau fordert ausreichenden Lärmschutz

Auch Heidenau zeigt sich zufrieden darüber, dass nun eine Vorzugsvariante feststeht, auch wenn es aus Sicht von Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) nicht die beste Lösung für Heidenau ist. Denn mit der Volltunnelvariante gehen in der Stadt weit größere bauliche Veränderungen einher als bei der teiloffenen Strecke, bei der der Überholbahnhof erst in Höhe des Ortes Goes gelegen hätte. "Aber wir wissen jetzt, worauf es hinausläuft", sagt Opitz, "und können mit der Bahn ganz konkret über Wünsche und Forderungen verhandeln."

Ein wenig Druck sei schon von Heidenau genommen worden, seitdem feststeht, dass sich ein Großteil der mit der Neubaustrecke verbundenen Um- und Neubauten auf den Gleisbereich zwischen Dresden und Heidenau erstreckt. Daher sei beispielsweise am zentralen Bahnhof in Heidenau keine breitere Bahnbrücke nötig, auch das geplante Wohngebiet auf dem "Mafa-Gelände" werde von der neuen Strecke nicht tangiert. "Damit sind uns einige Sorgen genommen", sagt der Rathauschef.

Erst ab dem Südbahnhof, so Opitz, ändere sich einiges, weil ab dort auch zusätzliche Gleise verlegt werden, für die die Bahn Grundstücke braucht. Opitz will nun mit der Bahn verhandeln, dass sie zeitig mit der Stadt und den betroffenen Unternehmen und Eigentümern ins Gespräch kommt, wie die Flächenverluste ausgeglichen werden können. Auch fordert er seitens der Bahn einen ausreichenden Lärmschutz für die Stadt, weil sich durch die neue Strecke die Anzahl der Züge im Stadtgebiet nahezu verdoppeln wird. "Das alles muss eingepreist werden", sagt Opitz, "und Heidenau wird sich dabei so teuer wie möglich verkaufen."