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Apotheker im Aufbruch: "Salbe einrühren war gestern"

Karsten Drobny betreibt die Stadtapotheke Kamenz. Seit 20 Jahren bewältigt er immer neue Herausforderungen. In jüngster Zeit sind es besonders viele.

Von Ina Förster
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Karsten Drobny von der Stadtapotheke Kamenz steht zwischen fast historischen Regalen. Hier lagern jetzt nur noch Probepackungen.
Karsten Drobny von der Stadtapotheke Kamenz steht zwischen fast historischen Regalen. Hier lagern jetzt nur noch Probepackungen. © Anne Hasselbach

Kamenz. Wenn Karsten Drobny in den vergangenen zwei Jahren in seine Apotheke am Kamenzer Markt kam, dachte er öfter: Was wird heute wieder Neues um die Ecke kommen? Die Pandemie brachte für alle Apotheker riesige Umstellungen. "Salben einrühren war gestern. Solche Aufträge von Ärzten sind heutzutage eher selten ", sagt der 47-Jährige.

Dafür kamen neue Herausforderungen hinzu. Und das meistens über Nacht: Maskenabgabe, Bürgertests, Impfzertifikate – Apotheken erhielten in Corona-Zeiten gleich mehrere Aufgaben. Beim Ausstellen der digitalen Impfzertifikate fragten Kunden ganz nebenbei oft auch nach Hilfe beim Überführen des Codes in das Smartphone. "Wir sind mittlerweile IT-Berater, Kummerkasten und manchmal auch Blitzableiter", sagt Drobny.

In zwei Apotheken beschäftigt er 17 Leute

Als der gebürtige Cottbusser Pharmazie studierte, war von all dem nichts in Sicht. Und auch nicht, dass er einmal in Kamenz eine Apotheke übernehmen würde. In der Heimat war allerdings damals keine Übernahme möglich. Über einen Makler fand er 2002 die Stadtapotheke. "Hier stimmte alles, da bin ich halt Kamenzer geworden", so Karsten Drobny.

Angekommen sei er mittlerweile und fühle sich wohl. Arbeiten und wohnen in der Altstadt - das sei ein tolle Sache. Und der Menschenschlag imponiere ihm. Seit zwei Jahrzehnten halten ihm seine Kunden die Treue. Neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt er in Kamenz, acht weitere in Königsbrück, wo er 2011 eine Filiale eröffnete - die in der Löwenapotheke. "Früher durften Apotheker kein zweites Geschäft haben. Heute können es bis vier Stück sein", erzählt Karsten Drobny. Seine Branche ist wandelbar. Glücklicherweise.

Aktuell ist Paracetamol schwer lieferbar

Doch oft sei die Arbeit auch mit Problemen belastet. "Corona, der Krieg in der Ukraine und die Wirtschaftskrise zeigen uns mittlerweile täglich auf, woran es hapert", sagt er. Aktuell kämpfe man wieder einmal mit Lieferengpässen für Medikamente. Nicht immer hätten die Kunden dafür Verständnis. "Das ist nachvollziehbar", sagt er. Gerade ist Paracetamol schwer lieferbar. Das läge an Rohstoffen, die aus bestimmten Ländern kommen und nicht in der nötigen Kapazität vorhanden sind. So käme die Produktion zum Erliegen.

"Ob der Krieg in der Ukraine daran schuld ist, wage ich zu bezweifeln", so Drobny. Wohl eher die Schließung des Hafens in Shanghai, wo immer noch Tausende Container festliegen. Schnell könne es die Branche treffen. "Vor Jahren brannte ein großes Werk in Amerika, da gab es plötzlich monatelang kein Ibuprofen", erinnert er sich. Die Globalisierung und dass es nur noch wenige Produzenten für bestimmte Waren gibt, seien schuld an der Entwicklung. "Einige Präparate werden nur noch an ein oder zwei Stellen weltweit produziert", weiß der Apotheker.

Auch die langjährigen Mitarbeiterinnen Cornelia Klieme (2.v.l.) und Ruth Rust (2.v.r) freuen sich über das Jubiläum. Karsten Drobny ist als Chef beliebt. Stammkundin Regina Anft (l.) kommt gern her.
Auch die langjährigen Mitarbeiterinnen Cornelia Klieme (2.v.l.) und Ruth Rust (2.v.r) freuen sich über das Jubiläum. Karsten Drobny ist als Chef beliebt. Stammkundin Regina Anft (l.) kommt gern her. © Anne Hasselbach

Mit den anfänglichen Engpässen in der Corona-Pandemie habe man schnell leben gelernt. "Es waren verrückte Zeiten, als wir zum Beispiel die ersten Impfampullen für die Ärzte besorgen mussten", erzählt Drobny. Da kam manchmal von einer großen Bestellung nur eine einzige an", erinnert sich Karsten Drobny.

Oder als die rationierte Maskenausgabe umgesetzt werden musste. Er wolle nicht klagen, die Vergütung war gut, schwankte aber stark und auch mal plötzlich von einem Tag zum anderen. "Die Politiker in Berlin - allen voran Herr Spahn - haben da ganz schön mit unseren Nerven gespielt", sagt er. Wochenlang habe man "blind" gearbeitet, ohne zu wissen, wie die Abrechnung am Ende läuft. Als Apotheken dann auch noch impfen sollten, war es für Drobny aber genug: Das kam für ihn bislang nicht Frage.

Apropos Abrechnung: Um „Effizienzreserven“ bei den Apotheken zu heben, will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Ende dieses Jahres den Kassenabschlag der Apotheken von 1,77 auf zwei Euro anheben. Diesen Betrag müssen sie für jedes ausgegebene verschreibungspflichtige Medikament an die Krankenkassen abführen. Die Apothekenhonorierung sei hingegen letztmalig 2012 um drei Prozent erhöht worden.

"In Zeiten der aktuellen Inflation und massiv gestiegener Personalkosten benötigten wir eigentlich nicht weniger, sondern mehr Geld", meint der Pharmazeut. Auch in seinen Apotheken steigen Mieten, Strom, Nebenkosten. Und für Mindestlohn bekomme man heute auch keine Fachkraft mehr. "Das finde ich richtig so, gute Arbeit muss gut vergütet werden. Und ich habe ein tolles Team", lobt Drobny. Doch als Unternehmer müsse er einiges tun, dass er auf dieser Basis weiterarbeiten kann.

Online-Apotheken machen der Branche Sorgen

Durch Rabattverträge der Krankenkassen mit der Pharmaindustrie kommt es dazu, dass die Hersteller der Präparate wechseln und Packung sowie Tablette oder Kapsel anders aussehen als gewohnt. "Das müssen wir täglich dem Kunden erklären." Nicht jeder verstehe das.

Und auch der Onlinehandel macht Sorgen: "Wenn ich 50 Packungen bestelle, ordern Internet-Apotheken 5.000. Meistens sitzen die in einem Lager irgendwo im Gewerbegebiet. Mit Beratung hat das nichts zu tun! Die findet man nun wieder bei uns", so Karsten Drobny. Er hofft, dass sein Service noch lange Bestand hat. Schon jetzt gibt es sachsenweit viele Apothekenschließungen.

Eine Mitarbeiterin hat zum 20. Jubiläum eine Kerze gestaltet.
Eine Mitarbeiterin hat zum 20. Jubiläum eine Kerze gestaltet. © Anne Hasselbach