In diesem Pflegeheim gibt's eine "Extrawurst"
Königsbrück. Schnitzel mit Spargel! Ein Traum für Siegfried Dittrich. Noch schnell ein Foto für die Presse. Lächeln! Das fällt nicht schwer bei dieser Aussicht. Jetzt aber fix! Damit es nicht kalt wird. Der Senior zückt Gabel und Messer.
Immerhin hat er heute Geburtstag. Sogar den 90. Das will gefeiert werden. Mit einem Lieblingsessen startet der Bewohner des ASB-Pflegeheimes in Königsbrück gut gerüstet in den Tag. Seine Frau Annemarie schaut derweil zu. Auf ihrem Teller das Tagesgericht, welches alle anderen auch bekommen.
"Ich habe heute eine Extrawurst", freut sich Siegfried Dittrich. Spargel liebe ich schon immer, aber meine Frau hat ihn mir selten gekocht. Sie musste nach dem Krieg in die Spargelernte. Das hat es ihr nachhaltig vergrault", sagt er. Annemarie winkt ab. Sie gönnt ihrem Gatten das Essen von Herzen.
Das Wunschessen zum Geburtstag gehört seit zwei Jahren zu den Traditionen, die die Bewohner des ASB-Pflegeheimes am Schlosspark schätzen. Der neue Bereichsleiter stationäre Pflege, Dario Perrone, brachte die Idee mit seinem Dienstantritt 2020 mit. "Wir haben das schon im Heim in Riesa praktiziert", erzählt er. Mit seinen 36 Jahren hat er bereits eine längere Karriere beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) hinter sich. Und sein neuer Einsatzort Königsbrück gefällt ihm gut.
Hier leben aktuell 62 Seniorinnen und Senioren in 50 Einzel- und sechs Doppelzimmer. Viele in sehr hohem Alter. Die Dittrichs zogen vor etwa einem Jahr ein und fühlen sich pudelwohl. "Heute gibt's noch einen schönen Geburtstagkaffee mit Kuchen für alle und abends gehen wir mit der Familie in den Laußnitzer Hof essen", sagt der 90-Jährige zufrieden.
Gutes Essen ist das A und O für die Senioren
"Das Essen ist das A und O für unsere Bewohner. Der ganze Tagesablauf dreht sich darum und wenn es noch dazu frisch gekocht ist - umso besser", weiß Martina Kaiser, Leiterin Betreuung im Haus. "Mit unserer hauseigenen Küche können wir eben Sonderwünsche erfüllen", sagt sie.
Die Extrawurst für die Geburtstagskinder gehöre zu den liebsten Aufgaben des vielköpfigen Küchenteams. Küchenchefin Marlies Richter kocht seit über 30 Jahren für den ASB. Und hat von süß bis herzhaft schon viele und ausgefallene Wünsche erfüllt. Kürzlich konnte Horst Anders seinen 96.Geburstag im Pflegeheim feiern. Und freute sich zum Beispiel über Rehbraten. Das Essen erinnerte ihn an seine Zeit als aktiver Jäger.
Heute hat Koch-Kollege Klaus-Peter Groth Dienst. Der 59-Jährige ist ebenfalls schon seit zwei Jahrzehnten im Haus. "Wir sind wie eine Familie, das ist ein gutes Arbeiten", lobt er. Als er Siegfried Dittrich das Schnitzel servierte, machte ihn das glücklich. Und Freude zu haben an dem, was man tut - das sei mehr wert als vieles andere, meint er.
Vor Kurzem habe man die Küche wieder in eingegliedert ins Unternehmen. "Andere betreiben Outsourcing, wir Insourcing", freut sich Dario Perrone. "Wir haben gemerkt, dass es einfach für alle besser funktioniert!"
Rouladen und Grießbrei ganz oben auf der Wunschliste
Auf der Hitliste der Wunschessen steht übrigens Rinderroulade ganz oben, gefolgt von Grießbrei, Eierpfannkuchen, Kasseler, Feuerfleisch, Gemüseeintopf, Hefeklöße und Zunge. "Unsere Bewohner verbinden meist schöne Erinnerungen damit. Es ist rührend zu sehen, wie sie sich freuen. Die Aufmerksamkeit bedeutet ihnen etwas", so Martina Kaiser.
Sie kümmert sich zusammen mit dem Team auch um Veranstaltungen und Ausstellungen, die für Abwechslung sorgen. Und Geburtstage nehmen immer einen besonderen Platz im Alltag ein. "Unsere Branche wird medial oft negativ belegt. Über die guten Beispiele spricht kaum jemand", ärgert sich Martina Kaiser.
Überhaupt gehe es im Haus familiär zu. Ein Entspannungs- und Erinnerungsraum steht zur Verfügung ebenso wie eine Caféteria. "Wir sind gut durch die Corona-Zeit gekommen", meint Perrone. Aktuell sei die Lage entspannt. Nur das Maske-Tragen und tägliche Testen - auch für Besucher und Tagespflege-Gäste - erinnere an die Pandemie. "Wir testen die Besucher selbst im Haus. Das ist praktisch, der Service kommt an."
Pflegefachkräfte werden immer gesucht
Wie überall in der Branche fehle es leider am Personal. Aktuell werden Pflegfachkräfte händeringend gesucht. "Wir müssen hier wahrscheinlich auch noch ein bisschen mehr nach außen gehen", so der Bereichsleiter. Die idyllische Lage am Königsbrücker Schlosspark sei toll für die Bewohnerinnen und Bewohner. Doch man sei etwas zu versteckt für die äußere Wahrnehmung.
"In unserem Heim in Bernsdorf, das direkt an der Straße liegt, flattert nämlich eine Bewerbung nach der nächsten ein. Vom Königsbrücker ASB-Pflegeheim wissen einfach immer noch zu wenige", meint Dario Perrone.
Siegfried Dittrichs Teller ist derweil leer gegessen. Der Spargel hat gemundet - wie zu erwarten war. "Das kann es öfter geben", lacht er. Spätestens in einem Jahr zum 91. Geburtstag wird er sich wieder das gleiche wünschen. "Schnitzel geht immer!"