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Mutter-Kind-Gruppe: "Corona isoliert uns!"

Auch bei der Kinderarche in Kamenz herrscht zurzeit ein strenges Betretungsverbot. Das sorgt für Konflikte - und mehr Arbeit für die Betreuer.

Von Ina Förster
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Die Mutter-Kind-Gruppe der Kamenzer Kinderarche hat es in Corona-Zeiten nicht leicht. In der Einrichtung herrscht strenges Betretungsverbot wie in Pflegeheimen.
Die Mutter-Kind-Gruppe der Kamenzer Kinderarche hat es in Corona-Zeiten nicht leicht. In der Einrichtung herrscht strenges Betretungsverbot wie in Pflegeheimen. © Matthias Schumann

Kamenz. Es sind graue Tage zurzeit. Für jeden. Doch für Monique, Denise und die anderen jungen Mütter in der Mutter-Kind-Gruppe der Kamenzer Kinderarche vielleicht noch ein bisschen mehr. Keiner darf sie besuchen. Und wenn, dann nur mit negativem Corona-Test, der nicht älter ist als zwei Tage. Doch wer hat den schon? Und die jungen Mütter brauchen momentan auch nicht nach Ausgang oder Urlaub zu fragen. "Wir sind völlig abgeschnitten. Das ist oft ziemlich langweilig. Die Tage ziehen sich in die Länge", sagt Monique Wehner, die mit ihrem fast einjährigem Sohn in der Wohngruppe "Kleeblattwichtel" lebt.

Schule, Ausbildung oder Arbeit ruhen für die jungen Frauen corona-bedingt. Die Kitas haben zu. Der Weg zum nächsten Spielplatz ist kurz, und manchmal ist er an Schneetagen auch zugeschlossen. Auch die Babykurse an der Volkshochschule, wo sie andere Leute trafen, finden schon lange nicht mehr statt. "Wir dürfen nicht einmal allein einkaufen gehen", sagt Nicole Günther. Die Kontakte müssen - wie überall - wegen Covid-19 auf ein Minimum heruntergefahren werden.

Auch hier gelten strenge Kontaktbeschränkungen

Die acht jungen Frauen haben nur sich und ihre Kinder. Die sind meistens noch klein und leben jeweils mit in ihrem Zimmer. Küche und Aufenthaltsraum teilen sich die Frauen. Das bringt auch Konflikte mit sich. Sie leben hier zwar miteinander, aber ausgesucht hat sich das keiner. Nur mit viel Disziplin sind die monatelangen Einschränkungen zu überstehen.

Drei verschiedene Wohnbereiche gibt es im Haus an der Straße der Einheit. Als die Gruppe 2007 einzog, reichte eine Etage aus. Mittlerweile sind es zwei. Zu Corona-Zeiten sind die einzelnen Bereiche unter sich. Je mehr Vermischung, desto größer die Gefahr einer Ansteckung. Covid-19 ist allgegenwärtig. Das nervt auch hier.

Mütter, die hier Unterschlupf finden, haben einen holprigen Weg hinter sich. "Die Frauen finden meistens über das Jugendamt zu uns. Es sind Frauen mit unterschiedlichen Geschichten und Voraussetzungen", erzählt Mitarbeiterin Christina Hudalla. Zum Teil sind sie minderjährig oder gar geistig eingeschränkt.

Weihnachten war ein kleiner Lichtblick

Manche haben Familienanschluss, manche lehnen ihn ab. Ab und zu schaut ein Kindsvater vorbei. Doch eher selten. Über Weihnachten waren sie trotzdem fast alle daheim. Dieses Zuhause, das liegt in Zittau, Dresden oder Lauta. Die wenigsten kommen aus dem Kamenzer Umland. "Weihnachten war ein kleiner Lichtblick, auf den man hingefiebert hat. Aber jetzt gibt es aktuell nichts, worauf man sich freuen kann", sagt Monique Wehner. Eigentlich sollte ihr Sohn bald im Kindergarten eingewöhnt werden, und es sollte eine Wohnung für sie gesucht werden. Das liegt auf Eis.

Über 30 Jahre ist Christina Hudalla in ihrem Job für die Kinderarche unterwegs, baute die Mutter-Kind-Gruppe in Kamenz mit auf. Viel gesehen und erlebt hat sie. Noch immer sei der Beruf für sie auch Berufung. Zeiten wie diese gerade, habe es so noch nicht gegeben, aber andere. Mit anderen Problemen.

Wegen Corona wurde das Personal aufgestockt

"Wir sind da, um den Frauen eine Struktur zu geben. Das ist oft anstrengend, ein anderes Mal erfüllend", sagt die 50-Jährige. Rund um die Uhr, 24 Stunden lang sind die acht Mitarbeiterinnen im Schichtdienst für die Mütter und ihren Nachwuchs da. In Corona-Zeiten wurde das Personal aufgestockt, weil es mehr Arbeit gibt. "Alle unsere Mitarbeiter sind engagiert, meistern die großen Herausforderungen super", lobt Kinderarche-Einrichtungsleiterin Lisa Krause.

Und nicht alles ist schlecht: Im Sommer konnte die Urlaubsfahrt an den Senftenberger See stattfinden. Vor Weihnachten gab es Feiern in den Bereichen. Das war in aller Bescheidenheit schön. "Und die Frauen und Kinder haben tolle Geschenke bekommen von Firmen wie Infineon, Accumotive, Lidl oder Kaufland. Da merkt man, dass die Leute draußen an uns denken", sagt Christina Hudalla.

Mütter geraten an ihre Grenzen

Während die Mütter sonst zur Ausbildung oder Arbeit gehen, sind die Kinder in der Kita. All das fällt gerade flach. 24 Stunden "hocken" sie nun aufeinander. Aber es gibt kleine Lichtblicke: Nicole Günther hatte jetzt ihren ersten Arbeitstag in der Klosterbäckerei in Panschwitz-Kuckau. Mehrere Wochen war alles zu. "Ich bin so froh, dass ich wieder raus kann. Man bekommt schlechte Laune, wenn man hier nur rumsitzt. Corona isoliert uns", sagt die 25-Jährige.

Struktur tut gut. Darum geht es in der Mutter-Kind-Gruppe. Corona veränderte aber gerade alles. "Wir bringen die Frauen auf einen Weg. Machen sie fit für ein Leben, das sie im besten Fall allein mit ihrem Kind meistern können", erklärt Christina Hudalla. "Dass jetzt alles stagniert, bringt ganze Lebenspläne durcheinander. Aber die Mädels halten durch. Sie geraten zwar an ihre Grenzen, aber geben ihr Bestes!"

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