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So geht's mit dem Scherenschleifer in Kamenz weiter

Der Laden an der Kurzen Straße ist wegen Corona seit gut einem Jahr zu. Der Inhaber hat jetzt einen anderen Job - kümmert sich aber trotzdem noch um scharfe Klingen.

Von Ina Förster
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Matthias Kahl hat seinen Laden in Kamenz seit dem ersten Lockdown geschlossen. Aufträge für die Schleiferei nimmt er aber weiterhin an.
Matthias Kahl hat seinen Laden in Kamenz seit dem ersten Lockdown geschlossen. Aufträge für die Schleiferei nimmt er aber weiterhin an. © René Plaul

Kamenz. Seit 42 Jahren sorgt die Scherenschleiferei Kahl in Kamenz für funktionierende Klingen jeder Art. In den letzten Monaten blieb die Tür des Handwerksbetriebes allerdings geschlossen. Gerade der kleine Einzelhandel hat sehr mit den Pandemie-Folgen zu kämpfen. Nach langem harten Lockdown folgte zunächst Click & Collect, dann Click & Meet. Doch das funktioniert seit Kurzem nur noch mit tagesaktuellem Test. Viele Kunden sind frustriert und verunsichert. Die Händler sind es auch. Matthias Kahl hat für sich entschieden, das Verwirrspiel nicht mitzutragen.

Seit dem ersten pandemiebedingten Lockdown im letzten März ist sein Geschäft an der Kurzen Straße in Kamenz zu. Kundenwünsche werden aber weiterhin bearbeitet. Der Handwerksmeister nimmt die Aufträge kurzerhand durch ein Fenster seiner Werkstatt entgegen. "Und ich habe nach wie vor sehr gut zu tun", sagt der 51-Jährige. Aber das Geschäft mit Scheren, Messern und Zubehör jeglicher Art bleibt geschlossen. Das bedeutet einen nicht unerheblichen Umsatzverlust.

Aufträge übers Werkstattfenster

Deswegen hat der Handwerksmeister umgedacht. Die anfänglichen staatlichen Hilfen seien längst aufgebraucht. "Ich brauche ein gewisses 'Grundrauschen', eine Absicherung, denn man hat schließlich Verpflichtungen", sagt Matthias Kahl. Kurzerhand wurde er bei einer Zeitarbeitsfirma vorstellig - und trat einen Job bei der TD Deutsche Klimakompressor GmbH in Straßgräbchen an. Dort steht er am Fließband und hilft bei der Produktion von Klimakompressoren für Fahrzeug-Klimaanlagen. Das wiederum hilft ihm wirtschaften.

Im Schaufenster seiner Scherenschleiferei steht nun ein Schild. "Nur noch samstags von 9 bis 11 Uhr geöffnet", kann man darauf lesen. Viele befürchten, dass der Traditionsladen langsam aus der Kamenzer Innenstadt verschwindet. "Ein Wunder wäre es nicht in diesen schwierigen Zeiten", sagt Peter Thoma, der gerade von weiter her nach Kamenz gekommen ist, um das Messer seines Rasenmähers nachschleifen zu lassen. Doch nun steht er vor verschlossener Tür.

Arbeitsvertrag läuft erst einmal ein Jahr

Aber er hat Glück. Per Klingel bekommt er Kontakt zum Chef. Matthias Kahl ist von seiner Schicht zurück. Der Beutel mit dem stumpfen Messer wird durch das Annahmefenster gereicht. "Es ist auch egal, wenn es etwas länger dauert, Hauptsache, wir können irgendwann wieder Rasen mähen", sagt Familienvater Peter Thoma. Vorausschauend war er. Das ist gut. Denn Matthias Kahls Auftragsliste ist lang.

"Als ich meinen Arbeitsvertrag unterschrieben habe, habe ich gleich gesagt, dass ich nur Tagschichten arbeiten kann. Denn den Nachmittag und Abend brauche ich weiter für meine treue Kundschaft", sagt er. Zwei Jobs füllen ihn jetzt also aus. Bei dem einen braucht er nicht so viel nachzudenken. Es sei auch mal ganz gut, Dienst nach Vorschrift zu tun, sagt Kahl. Beim zweiten ist Kunstfertigkeit gefragt. Doch ist das Doppel-Pensum lange zu stemmen? "Meine Arbeitszeit hat sich nicht verändert. Früher war ich auch von früh bis spät am Schaffen in Laden und Werkstatt", erklärt er.

Großaufträge helfen wirtschaften

Glücklicherweise seien ihm die größeren Aufträge nicht weggebrochen. Ob Sachsen Fahnen oder Kamenzer Zwirnerei - viele größere Unternehmen setzen auf die alte Handwerkskunst in ihrer Fertigung. Auch Fleischer, Friseure und Profi-Köche. "Da sind viele sehr eigen", weiß Matthias Kahl. Das eigene Messer wird heutzutage gern einmal zum persönlichen Kleinod, das man ungern in fremde Hände gibt. Schließlich ist es maßgeblich am Gelingen der Arbeit beteiligt.

Und auch der private Bedarf will bedient werden. Von der Sense bis zur Rasierklinge, vom Brotzeitmesser bis zur Sägekette bekommt man sonst im Ladengeschäft an der Kurzen Straße eigentlich alles. Angler kaufen hier ihre Filetiermesser, Jäger das Werkzeug zum Ausweiden. Auch der Hobbybastler wird auf der Suche nach Schnitz- und Drechselwerkzeug fündig. Küchengeräte wie extrem scharfe Reiben oder Wiegemesser gehen gut. Oder besser: gingen gut.

Schleiferei nun im Nebengewerbe

Wie lange der Laden noch geschlossen bleiben wird, weiß Matthias Kahl nicht genau. "Mein Arbeitsvertrag läuft für ein Jahr. Dann sehen wir weiter. In diesen unsicheren Zeiten kann keiner wissen, was das nächste halbe Jahr bringt. Vor allem nicht im Handel", sagt er.

Dass sich seine Prioritäten verschoben haben, findet er nicht schlimm. "Die Kundschaft wird es nicht zu spüren bekommen. Wer unsicher ist, ruft vorher am besten an. Die Schleiferei läuft jetzt eben nur im Nebengewerbe", sagt er. Seit 1979 existiert sie. Immer an der gleichen Stelle in der Kurzen Straße 7. Daran ändert sich nichts. Auch durch Corona nicht.

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