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Kamenz: Sterbe-Begleiter gesucht

Sie geben jungen wie alten Menschen auf ihrem letzten Weg Lebensfreude und helfen Angehörigen. Der Hospizdienst in Kamenz wirbt um neue Mitstreiter.

Von Reiner Hanke
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Thomas Kunath (r.) begleitet in Kamenz und Umgebung Menschen kurz vor ihrem Tod. Manchmal genüge es, einfach nur die Hand zu halten, sagt er. Ehrenamtliche Helfer wie er werden dringend gebraucht.
Thomas Kunath (r.) begleitet in Kamenz und Umgebung Menschen kurz vor ihrem Tod. Manchmal genüge es, einfach nur die Hand zu halten, sagt er. Ehrenamtliche Helfer wie er werden dringend gebraucht. © Anne Hasselbach

Kamenz. Thomas Kunath begleitet Menschen kurz vor ihrem Tod. Und er sagt: „Ich habe selten so viel gelacht wie auf der Palliativ-Station.“ Dort, wo sterbende Menschen ihre letzten Lebenstage verbringen. Das sei kein Widerspruch. Die Menschen leben die letzten Tage und Wochen viel intensiver, und da gehört neben Trauer auch Humor dazu, weiß er.

Thomas Kunath ist einer von jenen Ehrenamtlichen, die zu einem würdevollen Lebensende beitragen. Manche Sterbende würden dann kurz vor dem Tod sagen, sie leben das erste Mal wirklich. Weil sie noch nie so viele gute soziale Kontakte hatten, noch nie so viel Liebe und Zuwendung erfahren haben. Nach einem Leben voller Arbeit, Stress, Einsamkeit.

Kunath ist von Beruf Altenpfleger, in einem Pflegedienst tätig und begleitet schwerstkranke und sterbende Menschen. Einer von 52 ehrenamtlichen Mitarbeitern beim Ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst der Caritas in Kamenz.

Mit 51 Jahren in die Altenpflege gewechselt

Dort halten drei hauptberufliche Koordinatoren die Fäden in der Hand, gehen selbst zu den Betroffenen und koordinieren die Ehrenamtler. Das sind überwiegend Frauen, sechs Männer sind auch dabei. Es ist kein alltägliches Ehrenamt, aber der Bedarf an Mitstreitern sei riesig, sagt Koordinator Thomas Pötschke. Deshalb stellen die Mitarbeiter am Donnerstagvormittag auf dem Kamenzer Markt ihre Arbeit vor.

Die alternde Gesellschaft sei eine Ursache dafür, dass mehr Sterbebegleiter gebraucht werden, sagt Thomas Kunath. Es seien aber auch jüngere Menschen unter den Patienten.

Meist besuche er die Betroffenen daheim und verschaffe damit auch den Angehörigen ab und zu etwas Zeit für sich selbst, um mal spazieren zu gehen oder aus dem Pflegemodus rauszukommen, sagt Kunath. So sei das jetzt zum Beispiel bei einer Familie in Hauswalde.

Kunath hat vor elf Jahren seine Schwiegermutter im Hospiz in ihren letzten Wochen begleitet. Von Hause aus Elektronik-Fachmann habe er damals mit 51 Jahren in den Beruf des Altenpflegers gewechselt. Die Arbeit der Leute habe ihn so beeindruckt: „Ich wollte die letzten Jahre bis zur Rente noch etwas so Sinnvolles machen.“

Für Ehrenamtliche gibt es auch professionelle Hilfe

Um Sterbebegleiter zu werden, ist aber keine Pflegeausbildung nötig. In einem Kurs werden die Interessenten darauf vorbereitet. Dabei setzen sie sich mit dieser sensiblen Thematik auseinander. Denn die Aufgaben sind anspruchsvoll und verlangen viel Einfühlungsvermögen.

Jeder Begleiter muss seine Erlebnisse auch selbst verarbeiten. Dafür nehmen sich die Koordinatoren viel Zeit für Gespräche. Außerdem gibt es professionelle Hilfe. Es sei wichtig, das Leid des anderen mit zu tragen, aber dabei sich nicht selbst zu verlieren. „Wir suchen Menschen, die sich gern für dieses Amt engagieren, mit viel Gefühl dabei sind und für die es eine Herzensangelegenheit ist, dass Menschen nicht allein sterben müssen“, sagt Thomas Pötschke.

„Wir erfragen, was sich Menschen am Ende ihres Lebens wünschen, was sie bedrückt oder wo wir ihnen Gutes tun können.“ Manchmal quäle die Patienten die Angst, was mit dem Partner und den Kindern passiert, wenn sie sterben. Oder sie wünschen sich, einen Menschen noch einmal zu sehen. Es sei wichtig, dass vieles geregelt ist, damit Sterbende in Frieden loslassen können.

Gerade in der Corona-Zeit sei es besonders schwierig gewesen. Viele alte Menschen starben an dem Virus, oft allein. Die Corona-Auflagen hatten die Begleitung sehr erschwert. Eine schlimme Situation, die es so nicht mehr geben dürfe, sagt Thomas Pötschke. Es müsse immer Wege geben, den Menschen einen würdevollen Abschied zu ermöglichen. Die Sorge vor Schmerzen und anderen Symptomen könne mit der heutigen Palliativmedizin genommen werden.

Manchmal genügt es, die Hand zu halten

Am Lebensende seien mitunter die ganz kleinen Dinge wichtig. Zum Beispiel das Lieblingsessen zu kochen, sagt Thomas Kunath. Selbst, wenn es nur ein Löffel sei: „Einfach nur, um diesen Geschmack noch einmal zu empfinden.“ Manchmal genüge es auch, miteinander zu schweigen, die Hand zu halten, so dass der zu begleitende Mensch die Wärme spürt.

Thomas Kunath berichtet von einer Frau. Sie habe sich dem Tod nahe gefühlt, wollte schon zur aktiven Sterbehilfe in die Schweiz fahren. Durch die Palliativmedizin und die Hospizarbeit habe sie sich wieder stabilisieren können. „Die Frau lebte schließlich noch ein ganzes Jahr, ist mit ihren Kindern verreist, hat sogar Konzerte besucht." Wäre sie zur Sterbehilfe gefahren, hätten die Frau und ihre Kinder diese besondere Zeit des Abschiedes nicht gehabt.

Anlässlich des Welthospiztages sind die Koordinatoren des Kamenzer Hospizdienstes am 28. Oktober von 9 bis 12 Uhr auf dem Markt in Kamenz, um mit Passanten über das Lebensende, Sterben und Trauer ins Gespräch zu kommen.