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„Man kann lernen, mit der Trauer zu leben“

Eine Bautzenerin hat innerhalb kurzer Zeit mehrere Familienmitglieder verloren. Beim Umgang mit dem Verlust half ihr ein Angebot des Hospizdienstes.

Von Anne Semlin
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Petra Winkler (l.) hat Ende 2019 ihren Mann verloren. Im Umgang mit der Trauer hat ihr ein Trauerkreis beim Ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdienst der Diakonie in Bautzen geholfen, der unter anderem von Renate Diener (r.) begleitet wird.
Petra Winkler (l.) hat Ende 2019 ihren Mann verloren. Im Umgang mit der Trauer hat ihr ein Trauerkreis beim Ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdienst der Diakonie in Bautzen geholfen, der unter anderem von Renate Diener (r.) begleitet wird. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Es ist ein Thema, über das nur selten gesprochen wird. Kein Wunder – jeder möchte ja leben. Warum also dem Tod einen Platz in den Gedanken einräumen? Petra Winkler war schon mehrmals damit konfrontiert. Im Dezember 2019 verstarb ihr Mann Bernd. Einige Jahre zuvor war bereits ihr Vater gestorben, davor ihre Mutter, ihr Bruder – alle waren an Krebs erkrankt, alle starben innerhalb weniger Jahre.

Lange Zeit hat sie mit der Trauer gekämpft. Nach dem Tod ihres Mannes suchte sie sich Hilfe bei der Diakonie und nahm an einem Trauerkreis teil. „Ich bin so beeindruckt und dankbar, dass ich hier aufgefangen wurde“, sagt die 63-Jährige heute lächelnd.

Mit leuchtenden Augen erzählt sie davon, wie sehr ihr der Kreis geholfen habe, wie wohltuend der Austausch für sie ist. „Ich habe in der kurzen Zeit eine gute Freundin gefunden, die das gleiche Schicksal teilt.“ Woanders hätte sie so eine Freundschaft nicht gefunden, meint sie. „Ich würde so einen Trauerkreis jedem empfehlen. Die Menschen müssen wissen, dass es so etwas gibt.“

Austausch erfolgt in einem vertrautem Raum

Einmal im Monat treffen sich bis zu zehn Menschen in den Räumen des Hospizdienstes der Diakonie, um gemeinsam einen Weg im Umgang mit der Trauer zu finden. Nach kurzer Anlaufzeit ist es eine geschlossene Gruppe, um einen vertrauten und sicheren Raum zu schaffen. Begleitet werden die Trauernden von ausgebildeten Trauerbegleitern wie Renate Diener. „Die besten Berater sind aber die anderen Trauernden“, sagt sie. Je nachdem, welche Anliegen die Trauernden aktuell haben, bringt sie verschiedene Impulse in die Treffen ein. Aber: „Die Anliegen der Teilnehmer haben Vorrang. Jeder nimmt Anteil, es gibt eine große Solidarität zwischen den Teilnehmern“, erklärt sie.

Petra Winkler war nur drei oder vier Mal beim Trauerkreis, dann kam Corona dazwischen. Doch trotz der kurzen Zeit habe es ihr sehr geholfen. Nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter vor acht Jahren war sie „in ein tiefes Loch gestürzt“, wie sie sagt. Ihre Mutter war schon im Krankenhaus, die Ärzte waren zuversichtlich, Petra Winkler habe ihr nur ein paar Sachen von zu Hause bringen wollen. Als sie zurückkam, war ihre Mutter schon nicht mehr am Leben. Anderthalb Jahre lang war Petra Winler krankgeschrieben, wegen Depressionen. Von Hilfsangeboten wie dem Trauerkreis wusste sie damals nicht.

Mit ihrem Mann intensiv auf den Tod vorbereitet

Vier Jahre später pflegte sie zu Hause ihren schwerkranken Vater. Irgendwann rief ihr Bruder beim Hospizdienst der Diakonie an, um sie zu entlasten. So entstand der erste Kontakt zu Renate Diener, die die Familie bis zum Tod des Vaters begleitete. Nach dem Tod ihres Mannes erinnert sich Petra Winkler daran und ruft bei der Diakonie an. Nach ersten Einzelgesprächen stößt sie Anfang 2020 schließlich zum Trauerkreis. „Und das, obwohl ich nicht religiös bin“, betont sie. Hier findet sie Gleichgesinnte, „die mich verstehen und auffangen“. In ihrem Umfeld habe das kaum einer gekonnt.

43 Jahre war sie mit ihrem Mann verheiratet. „Die letzten Jahre waren die schönsten“, sagt die Bautzenerin. Nach seiner Diagnose geben ihm die Ärzte noch drei bis fünf Jahre. Die viereinhalb Jahre, die sie schließlich noch gemeinsam hatten, haben sie „bewusst gelebt“, wie Petra Winkler sagt. „Wir konnten uns auf den Tod intensiv vorbereiten.“ Und sie hat ihm bei einer Reise nach Amerika den Wunsch erfüllt: „mal einem Indianer die Hand zu geben.“ Am 1. Dezember 2019 ist er dann zu Hause für immer eingeschlafen.

„Ich verstehe den Tod jetzt ganz anders“

„Trauer ist ganz individuell und verschieden“, betont Renate Diener, „aber man kann sie lernen. Man kann lernen, den Verstorbenen anders in sein Leben zu integrieren.“ Neben den Trauerkreisen der Diakonie gibt es zahlreiche weitere Angebote für Trauernde wie offene Trauercafés in mehreren Ortschaften und Trauerkreise für Kinder und Jugendliche.

Getragen wird die Trauerbegleitung auch von vielen ehrenamtlich Tätigen, ohne deren Engagement die Trauerarbeit in diesem Umfang nicht möglich wäre, so Petra Schön, leitende Koordinatorin beim Hospiz- und Palliativberatungsdienst der Diakonie. Gerade in den letzten Wochen habe es vermehrt Anrufe gegeben, auch von Menschen, die sich nicht vom Verstorbenen verabschieden konnten.

Der Trauerkreis von Petra Winkler ist inzwischen beendet. Ein neuer Kreis mit anderen Teilnehmern hat gerade begonnen. Die Trauer bleibt. „Und es kostet auch immer noch viel Kraft. Aber ich verstehe den Tod jetzt ganz anders – und lebe jetzt und heute“, sagt Petra Winkler. Auf ihrem Arm trägt sie ein Tattoo aus Federn. „Das ist unser Zeichen, unsere Verbindung als Familie“, erklärt sie.

Der Ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdienst der Diakonie Bautzen ist unter Telefon 03591 481620 oder 481624 sowie per Mail an [email protected] zu erreichen.

Weil die Arbeit der Trauerbegleitung nur in geringem Umfang staatlich gefördert wird, bittet der Hospizdienst um Spenden:
KD Bank e.G. – Bank für Kirche und Diakonie
BIC: GENODED1DKD
IBAN: DE66 3506 0190 1611 2300 24
Verwendungszweck: Spende Hospizdienst und Trauerarbeit

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