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Warum Theo sich zweieinhalb Jahre die Haare wachsen ließ

Der Junge aus Elstra hatte es manchmal nicht einfach - für sein Ziel ließ er sogar Spott über sich ergehen. Nun ist er ein kleiner Held.

Von Ina Förster
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Der Zopf ist ab: Theo Becker aus Elstra ließ sich im Friseursalon AtmospHair von Friseurmeisterin Claudia Wahner-Fittkau die langen Haare für einen guten Zweck abschneiden. Papa Jens Becker schaut zu.
Der Zopf ist ab: Theo Becker aus Elstra ließ sich im Friseursalon AtmospHair von Friseurmeisterin Claudia Wahner-Fittkau die langen Haare für einen guten Zweck abschneiden. Papa Jens Becker schaut zu. © Matthias Schumann

Elstra. Der Zopf ist ab. Und Theo ist glücklich. In zweifacher Hinsicht, denn zum einen hat er damit eine gute Tat geleistet. Zum anderen freut er sich jetzt wirklich über eine unkompliziertere Frisur.

Nach zweieinhalb Jahren ließ sich der 13-Jährige im Friseursalon AtmospHair von der Elstraer Friseurmeisterin Claudia Wahner-Fittkau seine langen Haare für einen guten Zweck schneiden. Ganze 31 Zentimeter kamen da an glatter, brauner Haarpracht zusammen. Nicht nur Papa Jens Becker ist stolz, auch Theo selbst ist zufrieden.

Sendung über krebskranke Kinder gab den Anstoß

Vor zweieinhalb Jahren hatte er sich mit seinem Vater eine Sendung über krebskranke Kinder im Fernsehen angeschaut. Darin ging es auch um Echthaar-Spenden, die den Betroffenen als Haarersatz nach einer Chemotherapie wenigstens ein Stück Normalität zurückgeben können. "Ich weiß noch, wie er aufgesprungen ist und meinte: Das mache ich jetzt! Ich lass' mir die Haare wachsen", erzählt sein Papa.

Zuerst hätten alle nur geschmunzelt. Doch der damals Zehnjährige zog die Angelegenheit knallhart durch. Manchmal habe er sich schon Spott und Häme anhören müssen. "Vor allem, als Mitschüler ihn plötzlich Thea nannten. Das hat ihn schon sehr gekränkt, da mussten wir ihn ein bisschen trösten", erzählt Jens Becker. Und auch der Opa habe Theo manches Mal gefragt: "Wann kommen die Haare nun endlich ab?"

In der Schule erst verspottet, dann bewundert

Doch Theo hat diese Frage geflissentlich überhört. Denn wenn er sich etwas vorgenommen hat, dann zieht er es durch. "In der Fernsehsendung haben sie erzählt, dass die krebskranken Kinder ihre schönen Haare verlieren. Das hat mich irgendwie traurig gemacht", erzählt der Oberschüler. Laut Deutscher Krebsgesellschaft erkranken etwa 2.000 Kinder jährlich neu an Krebs.

An Empathie scheint es dem Jungen nicht zu mangeln. In Kindisch, einem Elstraer Ortsteil, ist er zu Hause. In der Elstraer Oberschule besucht er mittlerweile die siebente Klasse. Hier hat der 13-Jährige kürzlich vor seiner Klasse erzählt, warum er sich die Haare in den letzten Jahren nicht abschneiden ließ. "Für viele war das ein richtiger Aha-Effekt", berichtet Papa Jens Becker.

So kam ihm nun im Nachgang eine kleine Welle der Bewunderung von Mitschülerinnen und Mitschülern entgegen. Dabei gibt sich Theo weiterhin cool. Dass er ein großes Opfer gebracht hat, sieht er eigentlich nicht so.

"Als ich erfahren hatte, dass es die Sache mit der Echthaar-Spende gibt, hab' ich für mich beschlossen, dass ich gern so helfen möchte. Mehr nicht", sagt er bescheiden. Aber auch Friseurmeisterin Claudia Wahner-Fittkau freut sich über seine Initiative. "Er ist nicht unser erster Kunde bezüglich einer Echthaar-Spende", sagt sie. Aber für einen Jungen sei es doch eher ungewöhnlich.

Bundesverband ruft zu Haarspenden auf

Auch andere Friseure in der Region haben bereits Erfahrung mit solchen Spenden. Dafür sollten die Haare mindestens 30 Zentimeter lang sein. Theo brachte es auf 31. Unter dem Stichwort "Rapunzel" ruft beispielsweise der Bundesverband der Zweithaarspezialisten (BVZ) - neben anderen Organisationen - regelmäßig zu derartigen Hilfsaktionen auf. Und für den BVZ entschied sich Theos Familie.

Als Spezialist rund um das Thema Zweithaar kooperiert der BVZ seit diesem Jahr auch mit der gemeinnützigen Organisation "DKMS Life". “Uns liegt neben der Aufklärung Betroffener vor allem sehr viel an der Weiterbildung und der Steigerung der Kompetenzen von Friseuren und Zweithaarspezialisten, denn nur wirklich professionell angepasster Haarersatz sieht natürlich auch gut aus und bringt Lebensfreude und Lebensqualität zurück", sagt Ramona Rausch, Geschäftsführerin des BVZ.

Der Verband unterstützt bundesweit Friseure, die bei der Aktion "Rapunzel" mitmachen möchten. Unter anderem mit entsprechenden Plakaten fürs Schaufenster.

200 Kilo Haare in einem halben Jahr gespendet

Und Haare werden auch in Corona-Zeiten gespendet. So kamen bei "Rapunzel" im Laufe des ersten Halbjahres 2021 laut BVZ 200 Kilo Haare zusammen. Und es kommen sicher viele weitere Zöpfe bis zum Jahresende dazu, wie das Beispiel von Theo zeigt.

Die Haare gehen in den meisten Fällen an krebskranke Mädchen oder Frauen. Dennoch können auch Jungen welche spenden, wie Theo beweist. "Ich hoffe doch, damit konnte ich einem anderen Kind weiterhelfen", wünscht er sich.

Eigentlich ist er eher der ruhigere Typ, liest gern, interessiert sich für naturkundliche Themen. Zudem ist er Mitglied in der Kamenzer Schützengesellschaft, wo er vor allem seine Konzentration schult. Und er scheint ein junger Mensch mit Idealen zu sein. "Er ist auch sehr umweltbewusst", sagt sein Papa.

Dass der Zopf jetzt einer bequemen Kurzhaarfrisur gewichen ist, freut aber auch Theo. "Das Waschen und Föhnen war nervig zum Schluss", sagt er lachend. Einmal wachsen lassen reicht erst einmal...