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Waldbrand in der Sächsischen Schweiz: Einsatz fordert Feuerwehrleute maximal

Sie arbeiten bei extremer Hitze körperlich hart. Doch beim Einsatz in der Sächsischen Schweiz werden die Löschtrupps auch psychisch stark beansprucht.

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Die Einsatzkräfte in der Sächsischen Schweiz sind erschöpft. Die ungewisse Einsatzdauer macht ihnen zu schaffen.
Die Einsatzkräfte in der Sächsischen Schweiz sind erschöpft. Die ungewisse Einsatzdauer macht ihnen zu schaffen. © Archiv/Mike Jäger

Pirna. Manchmal wirkt selbst ein Wasserstrahl der Feuerwehr wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Das mögen vor allem jene Feuerwehrleute empfunden haben, die in den ersten Tagen des verheerenden Waldbrandes im hinteren Teil der Sächsischen Schweiz vor Ort waren.

"Stress ist wie ein Pegel, der mit jedem Problem steigt. Entweder man schafft es, Stress in Ruhephasen wieder abzubauen. Doch wenn sich ein Problem auf ein anderes aufbaut, entsteht ein Gefühl der Machtlosigkeit", sagt Christian Eckardt von der Hilfsorganisation Johanniter. Der Mensch brauche die Option, handlungsfähig zu bleiben.

Eckardt ist Chef des "überörtlichen Bereitstellungsraumes" für den Feuerwehreinsatz in der Sächsischen Schweiz. Man könnte auch sagen, es ist das Basislager für all jene Helfer, die nicht aus der Region stammen und hier schon seit knapp drei Wochen in einer Turnhalle und anderswo auf Feldbetten kampieren.

Das zuständige Landratsamt hat das Basislager in einem Berufsschulzentrum in Pirna von den Johannitern einrichten lassen, bis zum Brandort bei Schmilka muss man eine gute halbe Stunde mit dem Auto fahren. Manchmal sind die Feuerwehrleute mehr als zwölf Stunden im Einsatz und kommen völlig ausgelaugt zurück.

Kein Wunder bei Schattentemperaturen von 34 Grad Celsius. Der Boden unter ihren Füßen ist bis zu 600 Grad heiß. Die Feuerwehrleute können sich den Flammen nur in Spezialkleidung nähern. Nachdem die offenen Feuer gelöscht sind, gilt es nun die Glutnester freizulegen und abzulöschen.

Das Feuer hat sich bis zu einem Meter tief in die Humusschicht des schwer zugänglichen Gebietes gebrannt. Auch mit Zwischenfällen muss gerechnet werden, etwa wenn ein Schlauch platzt. "Dann kommt vorn kein Wasser mehr an und die Leute sind in großer Gefahr, dann bleibt nur der Rückzug", sagt Eckardt.

"Ein Brand in einem Pflegeheim ist besser planbar"

Der 31-Jährige kennt auch Ohnmachtsgefühle bei den Helfern in den eigenen Reihen. "Die können auftreten, wenn ein Rettungssanitäter bei einem Unfall mitbekommt, was er alles nicht zur Verfügung hat." Glücklicherweise sei in der Sächsischen Schweiz für die Löschtrupps bisher alles glimpflich abgelaufen.

Großen Bedarf habe es aber an Mückenspray und Blasenpflastern gegeben. "Bei großen Problemen werden aber nicht bloß Pflaster verteilt. Dann gibt es psychologische oder psychiatrische Behandlung durch andere", sagt Johanniter-Sprecher Sebastian Späthe.

Bei den Johannitern gibt es für Krisenintervention ein eigenes Team, etwa zehn Ehrenamtler haben dafür eine besondere Ausbildung gemacht. Sie stehen für das Kürzel PSNV - Psychosoziale Notfallversorgung - und agieren auch ungefragt, beispielsweise wenn der Schichtwechsel der Feuerwehrleute ansteht.

Dann beobachten Mitarbeiter des Teams, wie sich die Kameraden verhalten. Gibt es etwa Leute, die sich abschotten und abwesend wirken? Wie ist das allgemeine Verhalten? "Wir nennen das Screening", sagt Eckardt. Wer ein feines Näschen habe, könne da schnell Probleme aufdecken.

"Die Kollegen setzen sich mit den Feuerwehrleuten an den Tisch und fragen nach, wie der Einsatz war. Wir sind dafür da zu sagen: Jungs, was können wir Euch noch Gutes tun?", sagt Eckardt. "Ein wichtiger Punkt ist die Motivation der Helfer. Es geht darum, sie alle bei der Stange zu halten", erklärt Eckardts Kollege Udo Hornhauer.

Man könne schwer Vorhersagen treffen, weil es eine extrem dynamische Lage gebe. "Das ist wie ein Blick in die Glaskugel." Gerade wenn der Wind auffrische, könne sich die Lage schnell ändern. "Ein Brand in einem Pflegeheim ist besser planbar, weil die Zahl der Betroffenen feststeht und der Brandort überschaubar ist."

Ununterbrochen gehen die Feuerwehrleute in der Sächsischen Schweiz weiter gegen die Flammen und Glutnester, auch unter der Erde, vor.
Ununterbrochen gehen die Feuerwehrleute in der Sächsischen Schweiz weiter gegen die Flammen und Glutnester, auch unter der Erde, vor. © Archiv/Marko Förster

Hornhauer bestätigt die Eindrücke von Eckardt. Auch er hat viele Feuerwehrleute erschöpft erlebt. Zudem zermürbe manchen die ungewisse Dauer des Einsatzes. Das betreffe vor allem Feuerwehrleute aus anderen Teilen Deutschlands, die im Alarmfall ohne Vorbereitung ins Brandgebiet geschickt wurden und manchmal nicht einmal ein Handtuch oder eine Zahnbürste dabei hatten.

Sie würden unter der Trennung von ihren Familien leiden. Die einheimischen Feuerwehrleute könnten sich dagegen hin und wieder in den eigenen vier Wänden ausruhen.

Dankbarkeit der Bevölkerung ist groß

Bei den Einheimischen sieht Eckardt aber ein anderes Problem. "Wer aus dieser Ecke stammt, sieht seine eigene Heimat brennen." Auch deshalb findet er es richtig, dass der Stellenwert der Krisenintervention zunimmt und nun auch im "Blaulichtgesetz" des Landes festgeschrieben werden soll.

Psychische Probleme können nach außerordentlicher Belastung auftreten. Das ist derzeit der Fall. Die Arbeitszeit ist lang. Es sind weite Wege zurückzulegen, das Gelände ist schwierig. Ein psychisches Problem kann zu Folgeproblemen führen. Deshalb ist ein frühzeitiges Einschreiten so wichtig, sagt Eckardt.

Doch auch an kleine Streicheleinheiten für das Wohlbefinden haben die Johanniter zu denken. Da Feuerwehrleute im einsamen Kampf gegen die Flammen kaum vor Ort mit Beifall rechnen können, wurden Kindergärten gebeten, Zeichnungen für die Kameraden anzufertigen. Die hängen nun am Eingang des Basislagers.

"Danke für Eure Kraft" steht auf einem Bild mit einem Feuerwehrauto geschrieben, auf dem die Kinder ihre Handabdrücke hinterlassen haben. "Es geht darum, nach dem Einsatz auch mal etwas Schönes zu sehen. Auch das ist ein Teil psychosozialer Notfallversorgung - schöne Momente für die Löschtrupps zu schaffen."

Eckardt nennt das "Willkommenskultur für Feuerwehrleute". Die Dankbarkeit in der Bevölkerung sei groß und wirke wie Balsam auf die Seelen der Einsatzkräfte. Viele Hilfsangebote hätten auch das Basislager erreicht. "Eines Tages stand eine ältere Dame auf dem Hof und bot an, mit ihrer Waschmaschine ein paar T-Shirts der Feuerwehrleute zu waschen." Eine private Initiative brachte per Lkw Melonen und anderes vorbei. Auch kleine Gesten mögen dazu beigetragen haben, dass die Feuerwehrleute am Ende nie ans Aufgeben dachten.

Marika Friebel war in einem Kriseninterventionsteam des Deutschen Roten Kreuzes dabei und ist vom Zusammenhalt der vielen Helfer und ihrer Kameradschaft beeindruckt. "Trotz der komplexen Lage arbeiten alle Strukturen Hand in Hand." Jeder gebe sein Bestes. Viele seien sehr motiviert, weil es ihre eigene Heimat betreffe.

"Auch wenn sich jeder wünscht, dass es vorbei ist, fand ich die Stimmung dennoch gut. Das hat mir imponiert. Es ist erstaunlich, was für Kräfte dort mobilisiert wurden - überwiegend von Ehrenamtlern. Ich ziehe den Hut vor den Menschen, die Tag und Nacht im Einsatz waren. Wahnsinn." (dpa)