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Bäume pflanzen gegen den Klimawandel: Hilft das wirklich?

Baumpflanzaktionen liegen bei Unternehmen im Trend. Auch in Sachsen sollen bis 2027 vier Millionen Bäume entstehen. Doch retten sie wirklich das Klima?

Von Luisa Zenker
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Bäume pflanzen fürs Klima. Was ist dran an dem Trend?
Bäume pflanzen fürs Klima. Was ist dran an dem Trend? © kairospress

Ob ein neues Buch oder ein schneller Flug mittlerweile kann man für fast jedes Produkt auf dem Markt sein Klima-Gewissen begrünen. Denn schon fast penetrant wird einem für das neue Kleidungsstück, das Handy oder das Busticket ein gepflanzter Baum hinterhergeworfen oder besser gesagt, in den Boden gepflanzt. Plant for the planet, plant for the future, so der Slogan der grünen Produkte mit Baum-Label. Auch das Land Sachsen selbst hat zuletzt eine Kampagne gestartet und will für jeden Sachsen und jede Sächsin einen Baum bis 2027 pflanzen. Sprich vier Millionen Bäume für den Freistaat. Doch retten diese Baumpflanzaktionen wirklich das Klima?

Nein, sagt überraschenderweise Vorstandsmitglied Peter Naumann vom Bergwaldprojekt. Diese Initiative hat sich 1987 gegründet, mit dem Ziel neue Bäume zu pflanzen. Sie ist in Deutschland, der Schweiz und Österreich aktiv, wird von großen Konzernen, wie der Deutschen Bahn, Commerzbank oder Siemens unterstützt, um Moore zu bewässern und Wälder zu pflegen. 400.000 Bäume pflanzten die Ehrenamtlichen in diesem Jahr. Und genau der Mann dahinter sagt: „Baumpflanzungen sind nur eine Bierdeckellösung für eines der größten Menschheitsprobleme.“ Die Klimakrise könne man ihm zufolge nicht so einfach und vergleichsweise günstig lösen.

40 bis 60 Jahre bräuchte ein neuer Wald, um wirklich das klimaschädliche Kohlenstoffdioxid zu speichern. Denn nicht der Baum speichert das meiste der Treibhausgase, sondern der Waldboden darunter. Zudem müssten die Flächen gefunden werden. Eine schwierige Aufgabe, angesichts der Konkurrenz mit Windparks, neue Technologiezentren und Einfamilienhausgebiete.

Wald allein kann Kohlenstoffdioxid nicht kompensieren

Doch abgesehen davon, selbst wenn man ganz Sachsen wieder bewaldet, könnte der Wald die 52,6 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid, die der Freistaat verbraucht, nicht kompensieren. „In keinem Fall bieten Bäume und Wälder eine Alternative zum zeitnahen vollständigen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen in den Bereichen Strom, Wärme, Mobilität, Dünger, Zement und Kunststoffen.“ erklärt auch Geschäftsführer Felix Ekhardt vom Umweltverband BUND Sachsen auf SZ-Anfrage.

Auf neuen Wald will der Freistaat dennoch nicht verzichten. Und den hat gerade Sachsen als ein vergleichsweise waldarmes Bundesland dringend nötig. Seit 2010 ist die Waldfläche kaum gestiegen. Das Umweltministerium kündigt zwar an, dass die Waldfläche für zukünftige Generationen weiterwachsen soll. Doch den Klimawandel werden diese Wälder nicht aufhalten.

Und trotzdem sind die Bäume unerlässlich: Als Trinkwasserspeicher, Kühlapparate an heißen Tagen, Therapeuten für Körper und Seele, Holzlieferanten und Lebensraum für zahlreiche Arten. Und genau das vergisst der Fokus einzig auf das Klimathema.

Ein Beispiel verdeutlicht die bizarre Rechnung der Kohlenstoffwerte: Laut solch einer Bilanz müsste jeder 100 Jahre alte Baum am besten abgesägt und in ein Haus verbaut werden, damit das Kohlenstoffdioxid nicht in die Atmosphäre dringt. Uralte Bäume also würden in den Wäldern fehlen. Obwohl genau in ihren Höhlen Insekten und Vögel Unterschlupf finden, die es sonst nicht gebe. Eine Artenvielfalt, die dazu beiträgt, das Ökosysteme resilient bleiben. Etwa gegen Extremereignisse, wie Borkenkäfer, die nun dazu beigetragen haben, dass 30.000 Hektar Wald in Sachsen brach liegen.

Zum Ausgleich der Schäden in den sächsischen Wäldern will die Stiftung Wald rund vier Millionen Bäume bis 2027 setzen: Karsten Günther , Geschäftsführer Leipziger Handballvereins SC DHfK sowie der sächsische Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) un
Zum Ausgleich der Schäden in den sächsischen Wäldern will die Stiftung Wald rund vier Millionen Bäume bis 2027 setzen: Karsten Günther , Geschäftsführer Leipziger Handballvereins SC DHfK sowie der sächsische Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) un © dpa

Und auf diesen Kahl-Flächen müssen die Sachsen schnell mit der Wiederbewaldung sein, weil es gerade auf den Freiflächen mehr stürmt, was dazu führt, dass der nährstoffreiche Boden abgetragen wird. Zudem geht die Filterfunktion für das Trinkwasser verloren, wenn die feinen Wurzeln fehlen.

Doch was man nicht vergessen darf: Auch auf den kahlen Flächen kommt der Wald zurück, ganz von allein. Aber: „Natur Natur sein lassen, dauert zu lange“, erklärte Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) kürzlich während der Vorstellung des Waldzustandsberichts. Bis die Samen der Buche also wieder auf so manche Fläche findet, würde es in einigen Regionen lange dauern. Zu lange aus menschlicher Sicht. Die Stiftung Wald möchte deshalb besonders auf diese geschundenen Flächen gehen und jährlich knapp eine Million zusätzliche Bäume im Freistatt pflanzen. Zum Vergleich der Staatsbetrieb Sachsen Forst schafft im Jahr knapp fünf Millionen Bäume, finanziert über Steuergeldern und Holzverkäufen. Die Kampagne "Mein Baum für Sachsen" finanziert sich dagegen rein aus Spenden, für jeden Baum planen sie fünf Euro. Denn mit der Pflanzung allein ist es nicht getan. Die dreijährigen Setzlinge müssen vor Rehen geschützt werden, erklärt der Geschäftsführer Henrik Lindner von der Stiftung Wald.

Doch noch einmal zurück zum Bäume pflanzen. Ist es nun gut oder schlecht. „In der Regel gut“, sagt Maria Vlaic, Geschäftsführerin des Umweltvereins Nabu Sachsen. „Jede fachgerechte Baumpflanzung mit mehreren Arten, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Standort hilft der Umwelt.“ Doch sie weiß auch, dass beim Nabu genauso wie beim Bergwaldprojekt Bäume abgesägt werden. Dort etwa wo streng geschützte Orchideen leuchten, stark gefährdete Schmetterlinge einen letzten Rückzugsraum finden oder Streuobstwiesen zu Hause sind. Wald immer und überall ist eben nicht die Lösung.