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Sachsen trocknet weiter aus

Extrem zu warm, extrem zu trocken, extrem viel Sonne: Die Wetterbilanz 2022 für den Freistaat erschreckt. Besonders in Nordsachsen fehlt Wasser.

Von Stephan Schön
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Vertrocknete Felder, im Jahr 2022 war das weithin die Folge von Hitze und fehlendem Regen.
Vertrocknete Felder, im Jahr 2022 war das weithin die Folge von Hitze und fehlendem Regen. © Norbert Millauer

Dresden. Das Jahr 2022 geht als ein weiteres Jahr der Extreme in die Wettergeschichte ein. Sachsens Wetter hat sich verändert. Wir sind im Klimawandel angekommen. 2022 war das viertwärmste Jahr seit Messbeginn. Schon das allein wäre beachtlich. Was die ganze Sache aber prekär macht: Die vier wärmsten Jahre seit 1881 waren alle in den vergangenen fünf Jahren.

Die Temperatur reitet von einem Extrem direkt zum nächsten. Normale Zwischenzeiten fehlen fast gänzlich. Ein Fazit mit Folgen, welches der Deutsche Wetterdienst und das Landesumweltamt in ihrer Jahresbilanz Wetter und Klima für Sachsen ziehen. Die letzten 35 Jahreszeiten in Folge waren mit nur einer Ausnahme zu warm.

Temperatur

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2,1 Grad wärmer als der Vergleichszeitraum 1961 bis 1990 war es in Sachsen. Für die Fachleute vom Landesumweltamt fällt das in die Kategorie „extrem zu warm“. Mehrere Hitzewellen im Sommer waren dafür die Ursache. Das ging einher mit so viel Sonnenstunden wie nie zuvor in Sachsen. Mit 29 Prozent mehr gilt das Jahr 2022 als „extrem sonnenreich“. Der März fiel dabei besonders heraus mit dem Doppelten an Sonnendosis als gewöhnlich. Sachsens sonnenreichster Ort im vergangenen Jahr war Hoyerswerda mit 2.780 Stunden. Den Hitzerekord für 2022 hält indes Dresden-Strehlen mit 39,2 Grad am 19. Juni.

Niederschlag

Die Monate April bis August waren zudem viel zu trocken. Im Frühjahr fehlte die Hälfte des sonst üblichen Niederschlags, im Sommer fehlte dann nochmals ein Drittel. Damit setzte sich auch 2022 fort, was bereits 2018 begonnen hat. Nur das Jahr 2021 hatte ausreichend Wasser dabei und verschaffte Sachsen eine kleine Pause in der Dauertrockenheit. In den vergangenen fünf Jahren hat sich der fehlende Niederschlag auf 350 Liter je Quadratmeter erhöht. Das ist ein halber Jahresniederschlag. Damit bleibt es meteorologisch und physikalisch ausgeschlossen, dass sich dies in diesem Jahr auffüllen könnte.

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Verdunstung

Kein Regen, viel Sonne und hohe Temperaturen heizen die Verdunstung an. Die Experten nennen es klimatische Wasserbilanz. Sind Niederschlag und Verdunstung ausgewogen, liegt diese Wasserbilanz bei null. Gab es nach der Jahrtausendwende immer noch rund 200 Liter Wasserüberschuss je Quadratmeter und Jahr, so fehlten im vergangenen Jahr zwanzig Liter. Mit Folgen.

Boden

Während die obersten Schichten des Bodens immer mal wieder von den Niederschlägen profitieren, kommt darunter fast nichts mehr an. In zwei Metern Tiefe herrscht Trockenheit. Das den Pflanzen dort zur Verfügung stehende Wasser ist nur noch zu einem Bruchteil vorhanden. Das Jahr 2022 ist als ähnlich trocken einzuordnen wie die bisherigen Extremjahre 2018 bis 2020.

Im Norden von Leipzig zeigen beispielsweise die Messwerte, dass der Bodenwasserspeicher dort nur zu 22 Prozent gefüllt ist. Starkregenereignisse tragen so gut wie nichts zur Durchfeuchtung des Bodens bei. Ausreichend Sickerwasser für die Grundwasserneubildung fehlt.

Grundwasser

Es herrscht eine Grundwasserdürre im Land wie seit 100 Jahren nicht mehr, das berichten die Fachleute. Aktuell wird der Grundwasserstand an 84 Prozent aller Messstellen um einen halben Meter unterschritten. Begonnen hat dies alles bereits nach der letzten großen Flut 2013. Und es wird sich auch 2023 nicht grundlegend ändern. Trotz alledem wurde das Trinkwasser in Sachsen nie knapp.

Gewässer

Zu 40 Prozent kommt das Trinkwasser aus den Talsperren. Und die waren gut bis bestens gefüllt. Zudem besteht ein Verbundsystem, mit dem Wasser von einer zur anderen Talsperre gepumpt werden kann. Schwieriger wird es mit Uferfiltrat, wenn die Flüsse zu Bächen werden. Dann wird zumindest die Wasseraufbereitung teurer.

Bereits im Frühjahr 2022 bildete sich ein ausgesprochenes Niedrigwasser. Das hielt dann bis Ende August an. Trockneten in den vergangenen Jahren bereits kleine Flüsse aus, so traf es diesmal auch größere wie die Schwarze Elster. Zumindest abschnittsweise floss dort kein Wasser mehr. Dieses Niedrigwasser in den Flüssen kam schneller mit der Trockenheit und war auch heftiger als im Extremjahr 2018. Ohne eine Auffrischung des Grundwassers wird es keine Besserung geben.

Derart vorgeschädigt reichen dann selbst schon kurze Trockenzeiten, und die Flusspegel sinken rapide. Das hat auch für die Seen und Tagebaulandschaften Folgen. 80 bis 100 Zentimeter von der Pegelhöhe verdunsten jährlich. Soll der Wasserstand nicht sinken, muss dies Jahr für Jahr aufgefüllt werden.

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Pflanzen

Das Winterwasser reicht dem Wald nicht lange. Bereits im März war der Waldboden völlig ausgetrocknet. Höchste Waldbrandwarnstufen kamen dann früh im Jahr. Der Anteil geschädigter Bäume stieg um vier Prozent auf 35 Prozent des gesamten Waldes. Anders die Landwirtschaft. Die Vegetation hatte sich drei Wochen nach vorn verschoben. Da gab es ausreichend Feuchte im oberen Boden. Damit war es dann aber im Frühsommer sehr schnell wieder vorbei.

Prognose für Sachsen

2023 geht so weiter, wie 2022 aufgehört hat. Auch dieser Januar ist bereits wieder um zwei Grad zu warm. In Sachsen passiert genau das, was die Klimamodelle bereits vor 30 Jahren vorausgesagt hatten. Die aktuelle Jahreszeitenvorhersage des DWD sieht die nahe Zukunft bis zum April auch schon wieder um ein Grad zu warm.