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Nur rund jeder zehnte Fahrraddiebstahl in Dresden wird aufgeklärt

Rund 4.000 Räder verschwinden jedes Jahr in Dresden. Auf welche Räder die Diebe es besonders abgesehen haben, wie die Polizei ihnen auf die Schliche kommt und wie ich mein Rad am besten schütze.

Von Dominique Bielmeier
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In mehreren Garagen und dieser Halle bewahrt die Dresdner Polizei - hier Polizeioberkommissar David Preuß - im Kommissariat am Schillerplatz beschlagnahmte Fahrräder auf.
In mehreren Garagen und dieser Halle bewahrt die Dresdner Polizei - hier Polizeioberkommissar David Preuß - im Kommissariat am Schillerplatz beschlagnahmte Fahrräder auf. © Sven Ellger

Dresden. Der Mann, der am Dienstagvormittag ein Fahrrad etwas umständlich in den Kofferraum seines weißen Caddys hievt, ist ein wahrer Glückspilz: Sein gestohlenes Rad konnte gefunden und an ihn zurückgegeben werden. Die wenigsten Fahrraddiebstähle in Dresden nehmen ein so glückliches Ende.

Gleich neben dem Parkplatz von Kommissariat 26 am Schillerplatz warten in einer großen Halle beschlagnahmte Räder darauf, an ihre rechtmäßigen Besitzer ausgehändigt zu werden. Auf dem gesamten Gelände sind es 300 Kompletträder sowie 150 Fahrradteile, zwei Garagen sind allein mit Rädern aus nur zwei Verfahren vollgestellt.

Nicht jedes Rad wird dabei am Ende auch an den Eigentümer zurückgegeben, denn nicht immer ist dieser zu ermitteln. Manche Räder werden deshalb an Vereine gespendet oder auch vernichtet, erklärt Polizeioberkommissar David Preuß. Er leitet das Kommissariat, das in Dresden nach Fahrraddieben fahndet.

Was dessen Arbeit so schwierig macht, wie es überhaupt gelingt, Fahrraddiebstähle aufzuklären und auf welche Räder es Diebe besonders abgesehen haben, hat Preuß im Gespräch mit Sächsische.de erzählt. Was sich in Dresden ändern muss, damit Diebe es zukünftig schwerer haben, haben Stadt und ADFC beantwortet.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Fahrraddiebstähle in Dresden.

Wie viele Fahrräder werden jedes Jahr in Dresden gestohlen?

In den vergangenen vier Jahren wurden jährlich rund 4.000 Fahrräder im Dresdner Stadtgebiet gestohlen. Hinzu kommen dürfte eine unbekannte Zahl an Diebstählen, die nicht angezeigt werden. 2021 gab es, möglicherweise auch pandemiebedingt, rund 500 Diebstähle weniger, in diesem Jahr nähert sich die Zahl jedoch bereits wieder der 4.000 oder überschreitet sie sogar, sagt Preuß.

Haben Diebe es auf bestimmte Räder abgesehen?

"Es gibt Fälle, bei denen der Dieb vom Tatort das vermeintlich geringerwertige Fahrrad stiehlt, obwohl ein 6.000 Euro teures Fahrrad direkt daneben steht. Diese Fälle sind für den Sachbearbeiter dann nicht immer nachvollziehbar", sagt Preuß. In der Tendenz sei es aber so, dass die hochwertigeren Fahrräder entwendet würden, weil diese dann auch zu einem höheren Preis verkauft werden könnten.

"Die Schadenssummen haben sich aufgrund des Wertes der Fahrräder in den letzten Jahren erhöht", erklärt Preuß. Denn immer mehr Menschen fahren E-Bikes, die auch mal 10.000 Euro oder mehr kosten können. Aber auch Räder mit einem geringeren Wert können in den Fokus der Diebe geraten, wenn sie nicht ausreichend gesichert sind.

Wo kommt es in Dresden besonders häufig zu Fahrrad-Diebstählen?

Einen Schwerpunkt für Fahrraddiebstähle im Dresdner Stadtgebiet gibt es nicht, sagt Preuß. Typische Orte, an denen Räder gestohlen werden, seien aber beispielsweise Keller, Flure in Mehrfamilienhäusern und Hinterhöfe. Auch vor Schulen oder bei Festivals und anderen Veranstaltungen, bei denen Fahrräder gerne mal an Zäunen angeschlossen oder gar nicht gesichert werden, verschwinden diese häufig.

Massenplätze wie vor dem Bahnhof Neustadt oder am Elbepark seien ebenfalls günstig für Täter, weil die Menschen dort nicht so genau hinsähen. "Da können Diebe, obwohl es so belebt ist, gut arbeiten." Auch vor der Uniklinik habe es in den vergangenen Jahren viele Fälle von Fahrraddiebstahl gegeben.

Preuß bringt es so auf den Punkt: "Umso öffentlicher, umso einfacher zugänglich, umso schlechter einsehbar - das sind Sachen, die für Fahrraddiebe interessant sind desto attraktiver sind diese Orte für sie."

Hunderte Räder parken jederzeit vor dem Bahnhof Neustadt. Die unübersichtliche Masse macht es Dieben leicht, auch am Tag relativ ungestört agieren zu können.
Hunderte Räder parken jederzeit vor dem Bahnhof Neustadt. Die unübersichtliche Masse macht es Dieben leicht, auch am Tag relativ ungestört agieren zu können. © René Meinig

Auf welche Arten werden die Fahrräder gestohlen?

Diebstahl ist nicht gleich Diebstahl, denn manchmal reicht es, ein ungesichertes Rad wegzutragen, ein andermal muss erst ein Zaun überwunden werden. Die Diebe benutzen dabei zum Beispiel Bolzenschneider, um Schlösser zu knacken, und, wenn diese nicht ausreichen, auch mal die Akkuflex, obwohl diese kurzzeitig Lärm macht. Vorhängeschlösser an Kellerabteilen stellen übrigens nur ein geringes Hindernis dar, erklärt Preuß, und gerade in Kellern hätten Diebe nachts alle Zeit der Welt.

Kann das Fahrradschloss gar nicht überwunden werden, war aber nur am Vorderrad angebracht, lassen Diebe dieses gerne zurück und nehmen den Rest des Rades mit. "Das ist eine Sache von wenigen Augenblicken", sagt Preuß und rät: immer den Rahmen mit anschließen.

Gibt es in Dresden genügend Möglichkeiten, sein Rad sicher abzustellen?

Dass in Dresden Möglichkeiten fehlen, sein Fahrrad sicher abzustellen, weiß auch die Stadt. "Besonders an Bahnhöfen und größeren Haltestellen kommt es zu Engpässen", heißt es aus dem Geschäftsbereich Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften. Deshalb würden am Bahnhof Neustadt und am Hauptbahnhof je ein Fahrradparkhaus geplant. Auch weitere Abstellanlagen würden laufend umgesetzt. 2021 entstanden demnach 224 neue Einstellmöglichkeiten, etwa 100 werden es in diesem Jahr sein. Dabei werde die Liste des ADFC berücksichtigt.

"Wichtig ist, dass der Rahmen fest angeschlossen werden kann", betont die Stadt. In Dresden würden sogenannte "Anlehnbügel" aufgestellt. "An diese kann das Fahrrad angelehnt und der Rahmen sicher angeschlossen werden." Vorderradhalter würden von der Stadt nicht eingesetzt.

Nils Larsen vom ADFC Dresden bestätigt, dass die Stadt seit zwei, drei Jahren bei der Aufstellung von Fahrradbügeln "spürbar aktiver" geworden sei. Seit mindestens 2015 bestehe eine gute Zusammenarbeit mit dem ADFC, "wir haben Listen mit Bedarfen für Tausende Fahrradabstellmöglichkeiten übermittelt und die Stadtverwaltung hat viele Standorte umgesetzt".

Was immer noch schmerzlich fehle, seien große Fahrradparkhäuser an wenigen zentralen Standorten wie dem Hauptbahnhof oder am Bahnhof Neustadt. "Es gibt konkrete Pläne für den Hauptbahnhof, allerdings ist die geplante Fahrradstation im Keller des neuen Busbahnhofes sehr weit von den Zugbahnsteigen. Außerdem muss man das Fahrrad eine lange, steile Rampe runter- und hochschieben. Es besteht die Gefahr, dass man am Bedarf vorbei plant", warnt Larsen.

Für Touristen auf dem Elberadweg fehle außerdem eine Anlage in Nähe des Radweges, wo man neben dem Rad auch sein Gepäck einschließen könne, während die Touristen die Innenstadt besuchen. "Solche Anlagen gibt es zum Beispiel in Pirna und Meißen", sagt Larsen.

Gerade an Bahnhöfen reichen die Fahrradabstell-Möglichkeiten in Dresden längst nicht aus. Nicht jedes Rad kann deshalb ausreichend vor Diebstahl gesichert werden.
Gerade an Bahnhöfen reichen die Fahrradabstell-Möglichkeiten in Dresden längst nicht aus. Nicht jedes Rad kann deshalb ausreichend vor Diebstahl gesichert werden. © René Meinig

Wie häufig und wie werden Fahrraddiebstähle aufgeklärt?

Die Aufklärungsquote für Fahrraddiebstähle in Dresden ist gering, sie liegt nur zwischen 10 und 13 Prozent, sagt Polizeioberkommissar David Preuß. Nicht eingerechnet sei Hehlerei, also wenn nicht nachweisbar ist, ob ein Besitzer eines gestohlenen Rades auch der Dieb ist. Was die Verfolgung schwer mache, sei, dass der Diebstahl meist im Verborgenen geschieht, ohne Zeugen und mit nur wenigen Spuren.

Trotzdem hätten die Kollegen im Streifendienst ein gutes Auge für mögliche gestohlene Räder entwickelt. Wenn zum Beispiel ein E-Bike ohne Akku unterwegs ist, oder die Reifen so gar nicht zum Rahmen passen. Auch wenn bei Kontrollen festgestellt wird, dass die Rahmennummer abgeschliffen oder überlackiert wurde, weckt das den Verdacht der Beamten.

Besonders wichtig sind aber Hinweise von Bürgern, die zum Beispiel feststellen, dass im Keller regelmäßig an Rädern geschraubt wird. Im weiteren Verfahren können dann bei Durchsuchungen zum Beispiel von Garagen oder Wohnungen gestohlene Fahrräder sichergestellt werden.

Abgeschliffene oder überlackierte Rahmennummern deuten auf Diebesgut hin - und können oft durch Säure wieder sichtbar gemacht werden.
Abgeschliffene oder überlackierte Rahmennummern deuten auf Diebesgut hin - und können oft durch Säure wieder sichtbar gemacht werden. © Sven Ellger

Wie kann ich mein Fahrrad optimal vor Diebstahl schützen?

Neben einem massiven Schloss, das immer den Rahmen mit anschließen sollte, und einem sicheren, am besten sogar überwachten Abstellort rät die Polizei, sich die Rahmennummer zu notieren und Fotos vom Rad zu machen - falls es doch einmal verschwindet. Auch Hinweise auf Besonderheiten am Rad sind hilfreich für die Beamten bei der Fahndung.

Natürlich könne man sein Fahrrad auch tracken, indem man einen Sender anbaut, mit dem man es dann orten kann. "Das hilft der Polizei, vielleicht in den ersten Stunden den Dieb auf frischer Tat zu erwischen mit dem Fahrrad", sagt Preuß. Trotzdem: Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nie. "Wenn der Dieb das möchte, gibt es immer Möglichkeiten, das Fahrrad zu stehlen", sagt Preuß.