Dresden
Merken

Landgericht Dresden: Der letzte Tschetschene ist verurteilt

Nach gut fünf Jahren und langen Prozessen in Dresden sind alle 15 Urteile einer Schutzgeld-Erpressergruppe rechtskräftig. Zwei Täter sind allerdings untergetaucht.

Von Alexander Schneider
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Im August 2020 endete am Landgericht Dresden der letzte große Prozess gegen die insgesamt 15 Mitglieder einer Schutzgeld-Mafia mit tschetschenischen Wurzeln. Alle Urteile sind nun rechtskräftig - aber zwei Täter tauchten unter.
Im August 2020 endete am Landgericht Dresden der letzte große Prozess gegen die insgesamt 15 Mitglieder einer Schutzgeld-Mafia mit tschetschenischen Wurzeln. Alle Urteile sind nun rechtskräftig - aber zwei Täter tauchten unter. © Archivfoto: dpa/Robert Michael

Dresden. In diesen Tagen ging wohl das letzte Kapitel an Gerichtsprozessen gegen eine tschetschenische Schutzgeld-Erpresser-Truppe zu Ende. Das Landgericht Dresden hatte sich mit einem heute 29-jährigen Angeklagten zu befassen, der im Juli 2019 wegen gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und räuberischer Erpressung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt worden war.

Der Mann war einer von 15 Angeklagten, die sich zwischen 2017 und 2020 in insgesamt vier Hauptverhandlungen von zwei verschiedenen Strafkammern verantworten mussten. Die Hauptbeschuldigten wurden am Schwurgericht nach einem dreijährigen Prozess, 152 Verhandlungstage, zu Freiheitsstrafen von neun Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Zeugen während des Prozesses unter Druck gesetzt

Nach Überzeugung des Gerichts hatte sich die Gruppe, die meisten sind gebürtige Tschetschenen, zusammengeschlossen, um sich mit Erpressungen eine dauerhafte Einnahmequelle zu erschließen. Die Opfer, meist Landsleute, waren überwiegend kleine Drogendealer, die die Täter erwartungsgemäß nicht bei der Polizei anzeigten. Die Angeklagten konnten je nach Bedarf in kürzester Zeit viele Bandenmitglieder mobilisieren, die teils uniformiert mithilfe von Schlägen und Drohungen Geld eintrieben oder Fahrzeuge mitnahmen.

Ein Richter hatte in seiner Urteilsbegründung gesagt, dass die Taten und Verhaltensweisen der Angeklagten typisch für den Bereich der organisierten Kriminalität seien. Auch während der Prozesse seien Zeugen unter Druck gesetzt worden. In keinem der Verfahren war es jedoch gelungen, die Täter auch als kriminelle Vereinigung schuldig zu sprechen.

Die Schutzgeld-Truppe war vor allem 2015/2016 gehäuft in Dresden aufgefallen. Es soll auch Revierstreitigkeiten mit anderen Tätergruppen gegeben haben, die mit Drogen handelten. Durch die konsequenten Ermittlungen sei es gelungen, dass die Angeklagten nicht hätten Fuß fassen können, sagte ein Staatsanwalt.

Strafe längst verbüßt

Der 29-Jährige gehörte zu den Angeklagten, die eine Bewährungsstrafe erhalten hatten. Der Bundesgerichtshof (BGH) überprüfte alle Urteile und gab einzig der Revision des 29-Jährigen statt – alle anderen Urteile wurden rechtskräftig.

Die jetzige Hauptverhandlung gegen den letzten Beschuldigten aus der Gruppe, die im Herbst 2016 im Rahmen eines spektakulären Polizeieinsatzes verhaftet wurde, war anders als die vorangegangenen Prozesse nach wenigen Stunden beendet. Der BGH hatte moniert, dass das erstinstanzliche Gericht zwei Tatvorwürfe des 29-Jährigen hätte anders rechtlich würdigen müssen, sodass das Strafmaß in seinem Urteil zu hoch ausgefallen war.

Doch heute, wieder zwei Jahre nach der BGH-Entscheidung, seien die Vorwürfe nicht mehr aufzuklären, so der Vorsitzende Richter. Die Kammer einigte sich mit der Staatsanwaltschaft, Verteidiger Oliver Nießing und dem Angeklagten darauf, die offenen Taten im Hinblick auf den verbleibenden Schuldspruch einzustellen.

Die verbleibende Strafhöhe hatte ohnehin keine entscheidende Rolle mehr gespielt, nachdem der Angeklagte deutlich länger in Untersuchungshaft gesessen hatte als die schließlich ausgesprochene Bewährungsstrafe. In anderen Worten: Die Strafe hat er mehr als vollständig abgesessen. Das neue Urteil in Höhe von achteinhalb Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung ist rechtskräftig.

Zwei Täter auf der Flucht

Auch wenn nun alle Prozesse erledigt sind, sind die Probleme mit ihnen noch nicht aus der Welt. Zwei Männer sind auf der Flucht. Der eine, Khadzhimurat Chichaev (53) alias Usaevic Faber, tauchte nach der Entlassung aus der U-Haft unter und soll zuvor versucht haben, seine Ehefrau zu erwürgen.

Der andere, Witalij R., war im April 2022 nicht im Gefängnis erschienen, um seine Reststrafe abzusitzen. Insgesamt hatte er fünf Jahre und drei Monate erhalten. Die frohe Botschaft ist, dass der 35-Jährige Mitte Dezember in Kasachstan verhaftet wurde und nun seine Auslieferung nach Sachsen läuft.