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Mordprozess in Dresden: "Er hat sie immer geschlagen!"

Im Mordprozess gegen einen 31-jährigen Angeklagten hat erstmals die Mutter des Opfers ausgesagt. Sie hatte im Oktober 2022 ihre Tochter tot aufgefunden.

Von Alexander Schneider
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Igor P. (m., neben seiner Verteidigerin Linda Röttig) steht seit September 2023 wegen Mordes vor dem Landgericht Dresden. Er gab zu, die Mutter seines Sohnes bei einem Streit spontan erstochen zu haben.
Igor P. (m., neben seiner Verteidigerin Linda Röttig) steht seit September 2023 wegen Mordes vor dem Landgericht Dresden. Er gab zu, die Mutter seines Sohnes bei einem Streit spontan erstochen zu haben. © Foto: Rene Meinig (Archiv)

Dresden. Alexandra D. hat erlebt, was man niemanden wünscht. Am 15. Oktober 2022 fand die 59-Jährige nachmittags ihre Tochter Anna. Die 31-Jährige lag leblos auf dem Sofa in ihrer Wohnung auf der St. Petersburger Straße, das Gesicht sei bedeckt gewesen. Die junge Frau war tot, für sie kam jede Hilfe zu spät.

Sie habe sich gewundert, warum ihre Tochter an jenem Sonnabend nicht wie geplant zum Kaffee gekommen und nicht ans Handy gegangen sei, berichtet die Mutter. Also sei sie zu Anna gefahren, um nach ihr zu sehen. Die Wohnung sei voller Blut gewesen, sie habe ihren Mann angerufen und die Polizei alarmiert.

Die 59-Jährige ist Zeugin am Landgericht Dresden im Prozess gegen Igor P. Der 31-Jährige steht wegen Mordes vor der Schwurgerichtskammer. Der Prozess hatte schon Anfang September 2023 begonnen. Doch dann erkrankte eine Richterin und die Hauptverhandlung platzte. Einige Wochen später ging es von neuem los. Das Gericht musste die bereits vernommenen Zeugen erneut befragen, schon weil die Kammer für die zweite Hauptverhandlung neu besetzt werden musste.

"Anna war ein freundliches Mädchen"

Alexandra D. ist eine doppelte Vernehmung erspart geblieben. Gerade als sie Ende Oktober aussagen sollte, platzten mehrere Termine. "Anna war ein freundliches Mädchen", sagt sie jetzt mehrfach. Sie habe vielen Leuten geholfen. Anna sei wie sie Physiotherapeutin gewesen und habe gern gearbeitet. Als sie 2020 Igor kennengelernt habe, sei "noch alles ok" gewesen.

Doch dann habe er sie geschlagen, als sie schwanger war: "Er hat sie immer geschlagen! Eine schwangere Frau!" Einmal, im Dezember 2020 sei sie mit ihrem Mann überraschend dazugekommen, als Igor auf ihre Tochter eingeschlagen habe. Da sei Anna dann zu ihnen gezogen, habe keinen Kontakt mehr mit Igor haben wollen.

Doch im April 2021 saßen Igor und seine Eltern in Annas neuer Wohnung auf der St. Petersburger Straße, um Annas Geburtstag zu feiern. Die hochschwangere Frau habe alle bedienen müssen, Igor habe nicht geholfen, sagt die Zeugin. Im Mai kam ihr Junge zur Welt. Doch auch danach sei Anna wieder von Igor geschlagen worden.

Tochter wurde in der Notaufnahme behandelt

Im Dezember 2021 habe ihre Tochter sogar in der Notaufnahme einer Klinik behandelt werden müssen. Seitdem waren sie getrennt. Doch Anna sei wichtig gewesen, dass ihr Sohn seinen Vater kennt. Im Herbst 2022 habe sich Igor P. nach einer dreimonatigen Pause wieder mehr um seinen Sohn kümmern wollen, berichtet die 59-Jährige.

Am Abend des 14. Oktober sei sie nach 18 Uhr kurz bei Anna gewesen, habe Essen gebracht. Igor P. war angeblich noch mit dem Kind unterwegs, Anna telefonierte. Alexandra D. verabschiedete sich, es war der letzte Kontakt mit ihrer Tochter.

Laut Anklage soll P. die Frau nach 19 Uhr an ihrer Wohnungstür überraschend niedergestochen haben. Ein heimtückischer Mord, Motiv: Streit um das gemeinsame Kind. P. gab zu, Anna D. getötet zu haben, behauptet jedoch, er habe sie bei einem hitzigen Streit in der Wohnung niedergestochen. Eine solche spontane Tat könnte als Totschlag gewertet werden.

Der Prozess wird fortgesetzt.