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"Querdenker" geht auf Fotoreporter in Dresden los und will Strafbefehl nicht akzeptieren

Ein 69-Jähriger soll bei einer Demo auf dem Dresdner Altmarkt einen Fotografen beleidigt und mit seinem Schirm attackiert haben. Der Senior bestreitet das. Nun hat ein Gericht entschieden.

Von Alexander Schneider
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Für starke Sprüche ist die "Querdenken"-Bewegung bekannt. Jetzt stand ein 69-jähriger Angeklagter vor dem Amtsgericht Dresden, der am Altmarkt einen Fotografen attackiert haben soll.
Für starke Sprüche ist die "Querdenken"-Bewegung bekannt. Jetzt stand ein 69-jähriger Angeklagter vor dem Amtsgericht Dresden, der am Altmarkt einen Fotografen attackiert haben soll. ©  Symbolfoto: dpa

Dresden. Ein Fall aus der "guten alten Zeit", als das "Volk" noch gegen das "Merkel-Regime" auf die Straße gegangen ist, so mögen heute manche denken: Am 30. August 2021 demonstrierten vier Wochen vor der Bundestagswahl noch ein paar mehr Bürger in der Dresdner Innenstadt als an Montagen dieser Tage.

Den Altmarkt teilten sich die "Kritiker" der Corona-Maßnahmen um die Initiative von "Querdenken 351 Dresden" mit dem schwächelnden "Pegida"-Verein, der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wurde. Insgesamt dürften an jenem Montag einige Hundert Teilnehmer mehr auf der Straße gewesen sein als die aktuell 200 bis 300.

Richtig hitzig ging es damals zu, wie jetzt zwei junge Fotoreporter in einem Prozess am Amtsgericht Dresden berichteten. Sie seien am Altmarkt von mehreren wütenden "Querdenkern" verbal attackiert worden, weil die Demonstranten angeblich nicht gefilmt werden wollten. Eine Frau mit aufgespanntem Schirm in Regenbogenfarben habe versucht, sie beim Filmen zu stören.

Dann seien mehrere Männer dazugekommen, auch Marcus Fuchs, der Versammlungsleiter. Ein älterer Mann habe sie mit "ihr widerlichen Dreckskakerlaken" beschimpft und sofort seinen geschlossenen Schirm eingesetzt. Mit der Spitze des Schirms habe er den damals 17-jährigen Reporter am Finger getroffen. Offenbar habe er es auf das Handy abgesehen, so die Vermutung des Geschädigten.

69-jähriger Angeklagter wollte 1.800 Euro nicht zahlen

Am Mittwoch, zwei Jahre und vier Wochen nach dem Übergriff, musste sich ein 69-jähriger Angeklagter, Sachverständiger im Bau- und Immobilienbereich, vor dem Amtsgericht Dresden wegen Körperverletzung und Beleidigung verantworten. Der Mann, der nach Angaben des Geschädigten oft als Demo-Teilnehmer zu sehen war, machte keine Angaben zu den Vorwürfen.

Seinen Strafbefehl vom Januar 2023, mit einer Geldstrafe von 1.800 Euro, hatte der "Querdenker" nicht akzeptiert, weshalb nun die Hauptverhandlung stattfand. Der Verteidiger protestierte gegen das Beweismaterial, ein Video der Journalisten. Es könnte bearbeitet und manipuliert sein, behauptete der Anwalt. Die Vorsitzende wies die Beanstandung zurück, vernahm jedoch zunächst den Geschädigten und seinen Kollegen.

Die beiden heute 19-jährigen Bildreporter berichteten von ihren Erfahrungen und blieben dabei, dass der Angeklagte mit seinem Schirm zugeschlagen habe. Der Angeklagte blieb ihnen gegenüber bei seiner Version, dass er mit dem Schirm nicht geschlagen habe oder jedenfalls den Reporter nicht getroffen habe.

Am Ende hatte die Richterin offenbar genug gehört, das Video zeigte sie nicht mehr. Sie sei überzeugt, dass der Angeklagte "hinreichend verdächtig" sei, die Straftat begangen zu haben, so die Vorsitzende.

Übersetzt bedeutet die Formulierung, dass sie dem Einspruch des 69-Jährigen eher geringe Erfolgschancen beimisst. Da der Mann seit dem jedoch nicht weiter aufgefallen sei und die Sache schon mehr als zwei Jahre zurückliege, verschließe sie sich nicht einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage von 1.000 Euro. Dem stimmte der Angeklagte schnell zu.

Arbeitsreicher Polizeieinsatz

Neben der Einstellung seines Verfahrens hatte der 69-Jährige wohl Glück, dass seine Aktion nicht als "gefährliche Körperverletzung" angeklagt worden war, weil er seinen Schirm als Waffe eingesetzt hatte. Gefährliche Körperverletzung beginnt mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten.

Für die Polizei, die den Demoabend Ende August 2021 - neben "Querdenkern" und Pegida gab es auch eine Gegendemonstration - mit knapp 170 Beamten abgesichert hatte, war es ein arbeitsreicher Einsatz. Hier ein Auszug aus der damaligen Presseinformation: "Im Laufe des Abends wurde ein Medienvertreter von einem Demonstrationsteilnehmer (67) attackiert. Die Polizei konnte den Tatverdächtigen stellen. Gegen den Deutschen wird wegen versuchter Körperverletzung ermittelt. Außerdem ermittelt die Polizei nach einer Rangelei gegen einen 35-jährigen Deutschen wegen versuchter Körperverletzung. Zudem kam es kurz vor Ende der Versammlungen zu einer Körperverletzung zwischen zwei Demonstrationsteilnehmern. Die Polizei ermittelt gegen einen 78-jährigen Deutschen. Ein Mann wurde leicht verletzt."