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Fall Lina E.: Anwälte erheben schwere Vorwürfe gegen Ankläger

Im Staatsschutz-Prozess gegen die mutmaßliche Linksextremestin halten die Verteidiger die Vorwürfe für nicht bewiesen. In ihrem Plädoyer kritisieren sie eine „Vorverurteilung“ und eine „politische Justiz.“

Von Karin Schlottmann
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Im Prozess gegen vier mutmaßliche Linksextremisten waren am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Dresden die Verteidiger am Zug. Sie sparten nicht an Kritik.
Im Prozess gegen vier mutmaßliche Linksextremisten waren am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Dresden die Verteidiger am Zug. Sie sparten nicht an Kritik. © dpa

Dresden. Die Verteidiger der mutmaßlichen Linksextremistin Lina E. fordern Freispruch von nahezu allen Anklagevorwürfen und die Aufhebung des Haftbefehls gegen die Angeklagte. Es sei der Bundesanwaltschaft trotz des „unbedingten Verfolgungseifers“ nicht gelungen, ihr die Beteiligung an den Überfällen auf Rechtsextremisten in Sachsen und Thüringen nachzuweisen. Einen konkreten Strafantrag stellten sie nicht.

Da Lina E. an Rheuma erkrankt sei und enge familiäre Bindungen pflege, bestehe keine Fluchtgefahr, sagte Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Dresden. Ein Leben in der Illegalität käme für sie, anders als für ihren Lebensgefährten, nicht infrage, beteuerte der Anwalt.

Klinggräff warf der Bundesanwaltschaft die Inszenierung eines politischen Verfahrens und dem Oberlandesgericht mangelnden Aufklärungswillen vor – nach über 90 Verhandlungstagen. Durch die strengen Sicherheitsmaßnahmen und die „aufgeblähten Polizeieinsätze“ während des Transports der Angeklagten von der Untersuchungshaft in Chemnitz zum Prozess nach Dresden sei ein „politischer Popanz“ aufgebaut worden, der sonst nur in Terrorismus-Prozessen üblich sei.

Klinggräf kritisierte zudem, dass die Bundesanwaltschaft das Verfahren an sich gezogen und Anklage beim Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts erhoben habe. Der Strafantrag der Anklagebehörde falle massiv aus dem Rahmen und diene nur dazu, das Gericht zu beeindrucken.

Die Vertreterin der Behörde hatte wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, schwere Körperverletzung, räuberischen Diebstahls und Urkundenfälschung eine achtjährige Freiheitsstrafe gefordert.

Es sei falsch, immer dann die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung anzuklagen, wenn bei Straftaten politische Motive eine Rolle spielten, sagte Co-Verteidiger Erkan Zünbül. Die Bundesanwaltschaft wolle offenbar testen, wie weit sie gehen könne. Nach diesem Prinzip könnten demnächst auch die sogenannten Klima-Kleber als kriminelle Vereinigung vor Gericht kommen. Die Angeklagten in diesem Verfahren hätten jedenfalls keineswegs ein gemeinsames politisches Ziel.

Anwälte kritisieren "Versagen" des Staats

Die Anwälte kritisierten, dass das „Versagen des Staates bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus“ im Prozess keine Rolle gespielt habe. Gleiches gelte für die Bedeutung der AfD in Sachsen und die hohe Zahl rechtsextremistischer Straftaten in Thüringen.

Den vier Angeklagten aus Leipzig und Berlin wird vorgeworfen, mehrere Überfälle auf Rechtsextremisten begangen zu haben. Die schwersten Verletzungen erlitt ein Arbeiter in Leipzig, den die Täter wegen seiner Mütze fälschlicherweise für einen Neonazi hielten. Lina E. und weitere Mittäter waren bei einem Angriff auf einen Gastwirt in Eisenach gefasst worden. Nur für diese Tat könne sie allenfalls mit einer Bewährungsstrafe belangt werden, forderten die Verteidiger.

Den fünf Berufsrichtern warfen die Anwälte eine „innere Verbundenheit“ mit der Ermittlungsbehörde vor. Das Gericht habe sich in Konfliktsituationen schützend vor die Staatsanwältin und die Beamten Landeskriminalamtes gestellt, gaben die Verteidiger an. Der Prozess wird am Donnerstag mit den Plädoyers der weiteren Verteidiger fortgesetzt. Mit einer Urteilsverkündung wird Anfang Mai gerechnet.