SZ + Feuilleton
Merken

Oscar-Star Christian Friedel: "Dresden ist meine Insel"

Nach dem Oscar-Triumph für "The Zone of Interest" ist Christian Friedel zurück in Sachsen. Im Interview spricht er über die Preisverleihung und erklärt, warum er sich in Dresden so wohlfühlt.

Von Oliver Reinhard
 9 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Bei "Macbeth" führte Christian Friedel Regie und spielt die Hauptrolle. Die Inszenierung läuft fast immer ausverkauft am Staatsschauspiel Dresden.
Bei "Macbeth" führte Christian Friedel Regie und spielt die Hauptrolle. Die Inszenierung läuft fast immer ausverkauft am Staatsschauspiel Dresden. © Sebastian Hoppe

Der Dresdner Schauspieler und Musiker Christian Friedel (45) ist durch seine vielen Einsätze in Serien, Filmen, an Theatern und auf Konzertbühnen ein dauerbeschäftigter Reisekaiser: Kaum zurück aus Hollywood, wo das Auschwitz-Drama "The Zone Of Interest" mit ihm als KZ-Kommandant Rudolf Höß den Oscar für den besten Film gewann, musste er schon wieder in Düsseldorf auf der Bühne stehen, dann in Dresden zur Veranstaltung ins Programmkino Ost, am nächsten Tag als Macbeth auf die Bühne des Staatsschauspiels, am übernächsten wieder nach Düsseldorf...

Trotzdem nahm Friedel sich Zeit für ein langes Interview mit Sächsische.de und gab zwischen Essen und Foto- und Schminktermin viel preis über Hollywood, das Touren um die Welt, die Auswirkungen des Oscar-Ruhms auf Karriere und Privatleben und darüber, warum er sich in Dresden so sehr und so gerne zu Hause fühlt.

Herr Friedel, Sie sind seit wenigen Tagen wieder da. Welches Gefühl überwiegt: Die Freude, wieder hier zu sein, oder das Bedauern darüber, dass all die Aufregung wieder vorbei ist?

Ganz ehrlich: Ich bin schon froh, dass ich wieder zu Hause und zurück in der Realität bin. Es war eine lange und intensive Reise, und ich habe den Trubel sehr gemocht. Ich habe während der Zeit vielen Freunden und Bekannten geschrieben und versucht, alle Nachrichten auch zu beantworten.

Auch die der Sächsischen Zeitung, vielen Dank noch mal. Bei all der Masse der Erlebnisse: Was war das Schönste für Sie, was das weniger Schöne?

Puh, das ist schwer zu sagen. Die ganze Promotion-Reise für "The Zone of Interest" begann mit Unterbrechungen ja schon beim Filmfestival in Cannes im letzten Mai. Aber das Allertollste war es, als ich mit dem Radiohead-Sänger Thom Yorke sprechen konnte, meinen absoluten Musik-Heroen. Bei der Filmpremiere in London stand er plötzlich da mit seiner Frau, und ich habe all meinen Mut zusammengenommen – ich bin bei so was sehr, sehr schüchtern – und ihn angesprochen. Ich habe Thom endlich sagen können, wie ungeheuer viel mir seine Musik schon so lange bedeutet, und hoffentlich den richtigen Moment erwischt, Dankeschön zu sagen – und wieder zu gehen.

"Ich möchte sagen: 'Ich bin's doch, der Christian!'"

Aber es gab nicht nur Highlights?

Leider nein. So spannend die ganzen Partys um die Oscar-Verleihung in Los Angeles auch sind: Sie sind immer extrem voll und extrem laut. Es ist schon Herausforderung, ständig Englisch zu reden, aber man muss dazu auch noch viel schreien, was voll auf die Stimme geht. Deswegen sind einige Leute bei der Oscarverleihung dann auch so heiser. Und was ich sicher nicht vermissen werde, ist dieser ganze Organisationskram, dieses Koordinieren, dieses ständige Planen: Wann muss ich wo sein, wie muss ich mich wann anziehen, wie viel Geld brauche ich …

Die Reisen und Hotels werden aber doch bezahlt?

Ja, und viele andere Kosten auch. Aber man bekommt zum Beispiel kein Gehalt für diese Arbeit und hat auch nur wenig Zeit fürs Theaterspielen oder neue Filmangebote. Ich möchte mich überhaupt nicht beschweren, im Gegenteil, ich bin sehr dankbar für diese unglaublichen Eindrücke und Erfahrungen, aber die USA sind ein sehr teures Land, und man ist oft in sehr tollen Hotels untergebracht, wo das Frühstück locker mal 70 Dollar kostet. Und auch wenn ich es sehr genossen habe: Wenn ich ständig auf Promo-Tour wäre, so wie seit einem Dreivierteljahr – ich glaube nicht, dass ich dann noch Freude daran hätte.

Christian Friedel bei der Oscarverleihung. Nach 13 Jahren war wieder ein Film mit ihm in der Hauptrolle nominiert - und gewann: "The Zone of Interest" holte den Oscar als bester internationaler Film.
Christian Friedel bei der Oscarverleihung. Nach 13 Jahren war wieder ein Film mit ihm in der Hauptrolle nominiert - und gewann: "The Zone of Interest" holte den Oscar als bester internationaler Film. © ZUMA Press Wire

Hollywood hat ja eine große Vorliebe für Filme rund um den Nationalsozialismus. Sie waren 2009 schon einmal da, weil Sie in Michael Hanekes "Das weiße Band" über die ersten Vorboten des NS mitgespielt haben, jetzt waren Sie Hauptdarsteller vom Auschwitz-Drama "The Zone of Interest" über die extremsten Auswüchse des Nationalsozialismus – ist das nicht ein wenig schräg?

… und wer weiß, in zehn Jahren bin ich vielleicht wieder da mit einem Film über die Nachwehen des Nationalsozialismus. Ja, der Gedanke ist schon auch seltsam. Aber Geschichte und deren ethische Fragen sind ja immer schon ein dankbares Thema bei den Oscars, auch bei den amerikanischen Filmen. Klar stößt das auf eine große Aufmerksamkeit bei der Oscar-Academy..

Zumal darin ja viele ältere Filmschaffende sitzen.

Ich finde die Auseinandersetzungen mit diesen Themen sehr wichtig. Und Filme sind ja nicht nur Erzählungen oder Unterhaltung , sondern manchmal auch Kunstwerke, die sehr verschieden sind. "The Zone of Interest" ist es mit seiner Perspektive auf das Privatleben des KZ-Kommandanten Höß und seiner Ehefrau und den besonderen Bildern und dem Sound ja in jedem Fall. Und die Verbindung zwischen "Das weiße Band" und "Zone of Interest" finde ich vor allem spannend. Denn die Kinder von 1914 könnten ja die späteren Täter von Auschwitz sein.

In "The Zone of Interest" spielt Christian Friedel an der Seite von Sandra Hüller den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß.
In "The Zone of Interest" spielt Christian Friedel an der Seite von Sandra Hüller den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß. © Leonine

Was bedeuten der Oscar für Sie und Ihre Karriere?

Beruflich hat schon „Das weiße Band“ mir einige Türen geöffnet, bis hin zu "The Zone of Interest". Die Wirkung solcher Filme darf man nicht unterschätzen. Als ich in den USA war und angekündigt wurde als der Schauspieler aus dem "Weißen Band", ging manchmal ein kleines Raunen durchs Publikum, weil die Leute sich erinnern: Ach ja, das weiße Band – krass! Der Film ist immer noch sehr präsent und öffnet Türen, was mich sehr freut. Es wäre natürlich großartig, wenn ich durch die Aufmerksamkeit von "The Zone Of Interest" an neuen, spannenden Projekten arbeiten kann.

Gab es schon Angebote deswegen?

Ja, ich war für einen Hollywoodfilm als Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess im Gespräch, hätte also nur das Ö von Höß gegen das E in Hess tauschen müssen. Das habe ich aber sofort abgelehnt, mit dem Nazi-Thema bin ich erstmal für ein Weilchen durch, ich will mich auch nicht auf solche Rollen festlegen lassen.

Was bedeutet der Oscar für Sie privat?

Es ist verrückt, die Leute freuen sich extrem mit mir, und manchmal weiß ich gar nicht, wie ich darauf reagieren soll, und möchte am liebsten sagen: "Hallo, ich bin's doch, der Christian!" Aber es war schon 2009 für mich ähnlich: Das mit dem Oscar ist für mich einfach nur Wahnsinn, weil ich seit meiner Jugend der absolute Oscar-Fan bin, nachts wach bleiben und mit meiner Mutter im Fernsehen die Verleihung anschauen durfte, weil sie auch so ein großer Fan war. Das war wie Silvester.