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Was Sie über Sachsens Traumpaar bei den Oscars wissen sollten

Sandra Hüller und Christian Friedel sind beide Bühnen- und Filmstars, dürfen sich beide auf Oscars freuen und leben beide in Sachsen: Was Sie über die Leipzigerin und den Dresdner wissen sollten.

Von Oliver Reinhard
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Ziemlich gute Kollegen und Freunde: Sandra Hüller und Christian Friedel.
Ziemlich gute Kollegen und Freunde: Sandra Hüller und Christian Friedel. © picture alliance/dpa | Christoph

Zum dritten Mal hat Sachsen Grund zur Vorfreude darauf, sich im Oscar-Glanz mitsonnen zu dürfen: Nachdem der Dresdner Christian Friedel (44) bereits 2009 als Darsteller eines nominierten Films zu Gast bei der Verleihung war und Sandra Hüller (45) sieben Jahre danach, stehen die Chancen an diesem Sonntagabend so gut wie nie.

Als weitere Deutsche gehen Wim Wenders mit „Perfect Days“ für Japan ins Rennen sowie Ilker Çatak mit „Das Lehrerzimmer“ – beide konkurrieren um den Auslands-Oscar, ebenso „Zone Of Interest“ mit Sandra Hüller.

In "The Zone Of Interest" spielt Friedel den Auschwitz-Komamndanten Rudolf Höß und Sandra Hüller dessen Gattin Hedwig.
In "The Zone Of Interest" spielt Friedel den Auschwitz-Komamndanten Rudolf Höß und Sandra Hüller dessen Gattin Hedwig. © Foto: Leonine Studios

Auch wenn es nicht so einen Preisregen geben wird, der im vergangenen Jahr mit vier Trophäen über „Im Westen nichts Neues“ niederging: Es wird eine spannende Nacht von Sonntag auf Montag, die ProSieben und Joyn ab 23.35 Uhr live übertragen. Hüller und Friedel sind keine Zufallskandidaten. Beide haben sich ihren Erfolg auf deutschen Bühnen, in Filmen und in Serien über Jahre hinweg kontinuierlich hart erarbeitet. Wir klären die wichtigsten Fragen zu den beiden Ausnahme-Könnern aus Sachsen.

Auf welche Oscars dürfen Hüller und Friedel hoffen?

Sandra Hüller ist eine ziemlich sichere Kandidatin, denn gleich zwei Filme mit ihr sind für insgesamt sechs Oscars nominiert. Jonathan Glazers britisch-amerikanisch-polnisches Auschwitz-Drama „Zone Of Interest“ ist im Rennen für den Auslands-Oscar als bester nicht-englischsprachiger Film, der französische „Anatomie eines Falles“ von Justine Triet geht sogar in fünf Kategorien an den Start: Bester Film, Beste Regie, Bester Schnitt, Bestes Originaldrehbuch und Beste Hauptdarstellerin – eben Sandra Hüller.

Christian Friedel spielt neben Hüller die männliche Hauptrolle in „Zone Of Interest“. Dessen Chancen stehen besonders gut, denn Filme über den Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust stoßen traditionell auf großes Interesse bei den über 5.500 Mitgliedern der US-amerikanischen Academy of Motion Picture Arts And Sciences, die über die Oscar-Vergabe entscheidet.

Hat Sandra ihren Mann Samuel ermordet? Darum geht es im packenden Drama "Anatomie eines Falles" von Justine Triet. Der Film ist in fünf Kategorien für den Oscar nominiert, darunter Sandra Hüller als Beste Hauptdarstellerin.
Hat Sandra ihren Mann Samuel ermordet? Darum geht es im packenden Drama "Anatomie eines Falles" von Justine Triet. Der Film ist in fünf Kategorien für den Oscar nominiert, darunter Sandra Hüller als Beste Hauptdarstellerin. ©   dpa

Ist es für beide die erste Oscar-Verleihung?

Nein. Sandra Hüller war bereits 2016 bei der Oscar-Verleihung zugegen als Hauptdarstellerin des nominierten Films „Toni Erdmannn“. Allerdings gab sie in der US-Talkshow von Jimmy Kimmel unlängst zu, dass sie die meiste Zeit über draußen vor dem Theater verbracht hat, um zu rauchen. Auch Christian Friedel hatte 2009 eine der Hauptrollen in „Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte“. Das kurz vor dem Ersten Weltkrieg im deutschen Kaiserreich spielende Historien- und Gesellschaftsdrama des österreichischen Regisseurs Michael Haneke war für den Auslands-Oscar nominiert und auch Friedel bei der Preisverleihung in Los Angeles dabei.

Da der Film leer ausging, könnte es am Sonntag auch für ihn die erste „richtige“ Oscar-Nacht werden, sollte „Zone Of Interest“ triumphieren. Nach seinem ersten Besuch hatte der gebürtige Magdeburger jedoch gesagt: „Um ehrlich zu sein, hasse ich den roten Teppich. Aber bei den Oscars ging es nicht so sehr um uns, wir haben einfach nur die Leute beobachtet.“

2009 spielte Christian Friedel in Michael Hanekes "Das weiße Band", der auch schon für den Oscar nominiert war. Seine Partnerin war die junge Leonie Benesch. Beide werden sich Los Angeles wiedersehen, denn Benesch brilliert zurzeit in "Das Lehrerzimmer" v
2009 spielte Christian Friedel in Michael Hanekes "Das weiße Band", der auch schon für den Oscar nominiert war. Seine Partnerin war die junge Leonie Benesch. Beide werden sich Los Angeles wiedersehen, denn Benesch brilliert zurzeit in "Das Lehrerzimmer" v © X-Verleih

Was macht Sandra Hüller so besonders?

So komisch es zunächst klingen mag: ihre Fähigkeit zur Leere. Sandra Hüller kann derart offen sein für die Rollen, die sie spielt, dass es aussieht, als könne sie ihre eigene Persönlichkeit völlig beiseiteschieben, die Charaktere ihrer Figuren ganz in sich aufnehmen und sie sozusagen von null ausgehend gestalten. Das lässt sie auf eine Weise „authentisch“ wirken, die ihresgleichen sucht. Schon in Sandra Hüllers Leinwanddebüt „Requiem“, in dem sie 2006 eine an Epilepsie leidende Abiturientin gab, die sich für besessen vom Teufel hielt, erlebte man eine Schauspielkunst, die kaum von dieser Welt schien.

Sie schafft es, einen Film ganz alleine zu tragen. Das brachte ihr bereits zahlreiche renommierte Preise ein und ist bis heute so geblieben, bis „Anatomie eines Falles“ und „Zone Of Interest“. Über Letzteren sagte sie allerdings, sie sei in die Rolle als Ehefrau des Auschwitz-Kommandanten „nie richtig reingegangen“. Sie habe sich selbst eher als „Element eines Versuchsaufbaus“ wahrgenommen, mit ihrer Figur „keine psychologische Arbeit gemacht“ und sich nicht „in irgendeiner Art und Weise emotional involviert. Deswegen gab es da auch nichts abzulegen.“

In Sandra Hüllers Langfilm-Debüt „Requiem“ spielte sie 2006 eine an Epilepsie leidende Abiturientin derart mitreißend und bewegend, dass sie vielen Qualitätsfilmern auffiel. Seither ist sie aus dem Kino nicht mehr wegzudenken.
In Sandra Hüllers Langfilm-Debüt „Requiem“ spielte sie 2006 eine an Epilepsie leidende Abiturientin derart mitreißend und bewegend, dass sie vielen Qualitätsfilmern auffiel. Seither ist sie aus dem Kino nicht mehr wegzudenken. © X-Verleih

Was zeichnet Christian Friedel aus?

Sein großartiges Handwerk und seine Wandlungsfähigkeit. Wie Sandra Hüller, die an der Berliner Ernst-Busch-Schule Schauspiel studierte und an den Bühnen von Jena und Leipzig begann, hat auch Friedel seinen Job und seine Kunst „von der Pike auf“ gelernt. Nach dem Abschluss an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule kam er über Stationen an Theatern in München, Magdeburg und Hannover 2009 ans Staatsschauspiel Dresden, wo er sofort auf Hauptrollen abonniert war. Gestaltete er sie zunächst mit ein wenig überdosierter Gestik und Mimik, fand er schnell zu sich und wurde ein Meister der Technik und der Kraft aus der Ruhe.

Das mag damit zu tun, haben, dass Friedel nicht nur Schauspieler ist, vielmehr mit seiner Band „Woods Of Birnam“ auch ein erfolgreicher Musiker. In dieser Rolle, sagte Friedel einmal in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung, fühle er sich am wohlsten. So viel Erfüllung schafft offenbar auch Gelassenheit. Wie wandlungsfähig er ist, konnte Christian Friedel als hässlicher Außenseiter in der leider überambitionierten TV-Serie „Parfum“ so eindrucksvoll zeigen, dass er zum eigentlichen Höhepunkt des dunklen Thrillers wurde. Hörtipp: Woods Of Birnam, „I’ll Call Thee Hamlet“.

Seit über elf Jahren spielt Christian Friedel Shakespeares Hamlet in einer Inszenierung von Roger Vontobel. Zunächst am Staatsschauspiel Dresden, wo er lange festes Ensemblemitglied war, inzwischen am Düsseldorfer Schauspielhaus.
Seit über elf Jahren spielt Christian Friedel Shakespeares Hamlet in einer Inszenierung von Roger Vontobel. Zunächst am Staatsschauspiel Dresden, wo er lange festes Ensemblemitglied war, inzwischen am Düsseldorfer Schauspielhaus. © Matthias Horn

Wie verlief Sandra Hüllers Karriere?

Allmählich von Stufe zu Stufe treppauf, aber kontinuierlich. Durch ihre Leistung in „Requiem“ fiel die gebürtige Suhlerin immer mehr Qualitätsregisseurinnen und -regisseuren auf. Frühe Höhepunkte waren 2010 die Kinofilme „Brownian Movement“ der Niederländerin Nanouk Leopold, im Folgejahr Jan Schomburgs „Über uns das All“ und dann natürlich „Toni Erdmann“ von Maren Ade.

Was sie als karriereorientierte Tochter eines Kauzes im Fellkostüm darbrachte, trug ihr 2016 den Europäischen Filmpreis als Beste Darstellerin ein. Mit Andreas Studers Tragikomödie „In den Gängen“ über zwei Außenseiter etablierte sich Sandra Hüller endgültig im Olymp der Ausnahmeerscheinungen des deutschen Films.

Heute ist es eine ihrer größten Herausforderungen, ihre Liebe zum Theater und die vielen Dreharbeiten für Kino und Fernsehen unter einen Hut zu bringen – auf keine ihrer Leidenschaften möchte Sandra Hüller verzichten, auch nicht auf ihre Tätigkeit am Schauspielhaus Bochum. Seit vier Jahren sing sie auch noch, mit einer famosen Stimme, die an die Kultgröße Beth Gibbons von Portishead erinnert, aber nur nebenbei. Leider. Hörtipp: Sandra Hüller, „Champaigner“.

Unvergesslich: Sandra Hüller als karrieregeile Tochter eines kauzigen Vaters, gespielt von Peter Simonischek. Auch "Toni Erdmann" von Maren Adé war 2016 für den Oscar nominiert.
Unvergesslich: Sandra Hüller als karrieregeile Tochter eines kauzigen Vaters, gespielt von Peter Simonischek. Auch "Toni Erdmann" von Maren Adé war 2016 für den Oscar nominiert. ©   dpa

Wie verlief Christian Friedels Karriere?

Ähnlich wie die von Sandra Hüller, wobei Friedel länger dem Theater treu blieb und viergleisig fuhr, auf der Bühne, im Konzertsaal, im Kino, im Fernsehen. Bis heute ist er regelmäßiger, wenn auch selten gewordener Gast an den Schauspielhäusern von Dresden und Düsseldorf. Nach seinem Achtungserfolg in „Das weiße Band“ wurde er mit Filmen wie „Russendisko“ auf der Leinwand immer präsenter und als Hitler-Attentäter Georg „Elser“ vollends zur festen Größe, aber nicht zum Dauergast – wegen seiner Vielgleisigkeit, die ihm auch einiges an Zeit-Jonglierkünsten abverlangt.

Über sich selbst sagte er einmal: „Ich bin wohl jemand zum Entdecken. Das hat auch in meiner bisherigen Karriere als Schauspieler und Musiker immer gepasst.“ Dem großen Publikum prägt sich Christian Friedel besonders nachhaltig ein durch seine große Nebenrolle des Kriminalassistenten und Fotografen Reinhold Gräf in allen bisherigen Staffeln von „Babylon Berlin“, seinem zweiten Serien-Einsatz neben „Parfum“. Wie Sandra Hüller ist er zurzeit mit zwei Filmen im Kino: „Zone Of Interest“ und „15 Jahre“ von Chris Kraus.

Das Multitalent Christian Friedel steht mindestens genauso gerne mit seiner Band "Woods Of Birnam" auf der Konzertbühne wie in Theatern und vor der Kamera.
Das Multitalent Christian Friedel steht mindestens genauso gerne mit seiner Band "Woods Of Birnam" auf der Konzertbühne wie in Theatern und vor der Kamera. © Foto: Hans Bauer/Woodsofbirnam/dp

Sandra Hüller und Christian Friedel: Wie leben die beiden privat?

Sandra Hüller ist mit ihrem Lebensgefährten und ihrer Tochter abwechselnd zu Hause in Leipzig und Bochum. Mit Christian Friedel ist sie gut befreundet. Dessen Lebensmitte liegt, wenn er nicht irgendwo in der Welt gerade vor der Kamera steht, in Dresden und Berlin. Beide halten sich mit Auskünften über Partner und Privatleben zurück. Bislang auch das sehr erfolgreich.