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Oscar-Verleihung: Film mit Friedel und Hüller gewinnt

Triumph für Christian Friedel und Sandra Hüller: „The Zone of Interest“ gewinnt den Preis für den besten internationalen Film. Wer redet da noch über „Oppenheimer“?

Von Johanna Lemke
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Die Oscars sind vergeben: "Oppenheimer" räumt ab, Sandra Hüller und Christian Friedel verhelfen "The Zone of Interest" zum Preis.
Die Oscars sind vergeben: "Oppenheimer" räumt ab, Sandra Hüller und Christian Friedel verhelfen "The Zone of Interest" zum Preis. © Richard Shotwell/Invision/AP/dpa; Kevin Sullivan/ZUMA Press Wire/dpa

Am Ende war es fast egal, ob sie noch den großen Preis bekommt. Klar, ein Oscar für Sandra Hüller als beste Darstellerin – das hätte den Abend gekrönt. Doch als stattdessen Emma Stone auf der Bühne Freudentränen vergoss, weil ihre Leistung in „Poor Things“ als noch überragender gewertet wurde, schien die Deutsche Sandra Hüller auf eine sehr ruhige Art zufrieden damit zu sein, was der Abend bereits gebracht hatte – wer braucht bei all dem schon einen Preis für die beste Hauptrolle?

„Hüller verpasst Oscar“ lauteten dennoch die ersten Meldungen in der Nacht. Vielleicht lag es daran, dass die 96. Oscar-Verleihung noch mehr durchgepeitscht wurde als sonst, jedenfalls lief es offenbar fast unterm Radar, dass schon früh am Abend der britische, aber deutschsprachige Film „The Zone of Interest“ den Oscar für den besten internationalen Film gewann. Ein Film, in dem Sandra Hüller und ihr deutscher Kollege Christian Friedel die Hauptrollen spielen und der nur durch die herausragende Leistung der beiden in Sachsen lebenden Schauspieler ein solches Meisterwerk ist. Und so lässt sich zumindest aus sächsischer Sicht sagen: Wir sind Oscar!

Das Hotel war also kein schlechtes Omen, wie es Christian Friedel vorher halb im Scherz befürchtet hatte: Der Dresdner Schauspieler war in Hollywood im selben Hotel untergebracht wie vor 13 Jahren, als er als Hauptdarsteller von Michael Hanekes „Das weiße Band“ schon mal bei der Verleihung dabei war. Der Film ging damals ohne Oscar nach Hause. „Als Schauspieler ist man ja immer etwas abergläubisch“, hatte Friedel der SZ in einer Sprachnachricht verraten.

Friedel und Hüller hatten schon Tage vor der Oscar-Verleihung ihren großen Auftritt gehabt: bei dem Empfang des deutschen Films in Hollywood in der legendären Villa Aurora, dem ehemaligen Exil-Domizil von Lion Feuchtwanger und heutigen Künstlerresidenz für deutsche Filmstipendiaten. Friedel feierte dort am Sonnabend seinen 45. Geburtstag – „Plötzlich sang das ganze Publikum für mich Happy Birthday, das war wunderschön“, so Friedel.

Moderator Jimmy Kimmel bei der Oscar-Verleihung im Dolby Theatre in Los Angeles.
Moderator Jimmy Kimmel bei der Oscar-Verleihung im Dolby Theatre in Los Angeles. © Chris Pizzello/Invision via AP/dpa

Die Oscar-Verleihung bedeutet eben immer auch viel Drumherum: Anproben, Empfänge und Partys, bei denen man das eigene Wort kaum versteht. „Die Partys hier sind sehr, sehr laut“, hatte Christian Friedel der SZ mit hörbar heiserer Stimme erzählt, „man muss die ganze Zeit schreien. Insbesondere, wenn man auf Englisch kommunizieren muss, ist das eine Herausforderung. Es war sehr anstrengend, aber auch schön!“

Friedel war am Oscar-Abend selbst zwar auf dem Roten Teppich und im Saal, wurde während der Fernsehübertragung aber nicht gezeigt. Seine Kollegin Sandra Hüller umso öfter, immerhin war sie nicht nur mit „The Zone of Interest“ da, sondern auch mit dem französischen Justizdrama „Anatomie eines Falls“. Für diese Rolle hatte sie auch die Nominierung als beste Darstellerin bekommen. „Anatomie eines Falls“ bekam den Oscar für das beste Drehbuch, „The Zone of Interest“ neben der Trophäe für den besten internationalen Film auch noch die für den besten Sound. Der Film über den KZ-Kommandanten Rudolf Höß, der mit seiner Familie direkt neben der Auschwitzmauer lebte, wurde – wie sich das für die holocaustversessenen Amerikaner gehört – von Moderator Jimmy Kimmel mit einem Witz „geehrt“: Während die Inhalte dieses Films, so Kimmel, „für amerikanische Kinobesucher sehr schwere Themen sind, nennt man sie in Sandras Heimat Deutschland Rom-Coms.“

„The Zone of Interest“ eine romantische Komödie? Mitnichten. Aber die Oscars sollen eben auch eine unterhaltsame Veranstaltung sein. Darum präsentierte ein nackter Wrestler den Preis fürs beste Kostümdesign, saß der Hund aus „Anatomie eines Falls“ mit Fliege im Publikum und präsentierte Ryan Gosling mit fetter Show den Song „I’m just Ken“ aus Greta Gerwigs Film „Barbie“. Der musste sich übrigens weitgehend seinem großen Konkurrenten „Oppenheimer“ geschlagen geben. Mit sieben Preisen war dieser der große Gewinner des Abends. Der biografische Historienfilm gewann unter anderem Oscars für den besten Film und für die beste Regie von Christopher Nolan.

John Cena präsentiert den Preis für das beste Kostümdesign
John Cena präsentiert den Preis für das beste Kostümdesign © Chris Pizzello/Invision via AP/dpa

Dass Cillian Murphy für seine Rolle als Physiker Oppenheimer den Preis als bester Hauptdarsteller gewann, war erwartet worden. In seiner Dankesrede sagte er: „Wir haben einen Film über den Mann gedreht, der die Atombombe erfunden hat, und wir alle leben wohl oder übel in Oppenheimers Welt. Deshalb möchte ich diesen Film den Friedensstiftern auf der ganzen Welt widmen.“

Zwei "Oppenheimer"-Gewinner: Jennifer Lame (bester Filmschnitt) und Cillian Murphy, bester Hauptdarsteller
Zwei "Oppenheimer"-Gewinner: Jennifer Lame (bester Filmschnitt) und Cillian Murphy, bester Hauptdarsteller © John Locher/Invision/AP/dp

Krieg und Frieden waren immer wieder Thema auf dieser Oscar-Verleihung. Mstyslaw Tschernow, der ukrainische Regisseur des als bester Dokumentarfilm ausgezeichneten Werks „20 Tage in Mariupol“ hielt eine bewegende Rede, in der er sagte: „Ich wünschte, ich hätte diesen Film nie machen müssen. Ich wünschte, Russland hätte nie unser Land besetzt und angegriffen.“ Es war der erste Oscar für einen ukrainischen Film überhaupt.

Demonstrationen gegen den Krieg in Gaza

Auch ein anderer Krieg bewegte die 96. Oscar-Verleihung: Rund um die Verleihung gab es propalästinensische Demonstrationen. Auf dem roten Teppich trugen einige Stars – darunter Sängerin Billie Eilish, die für ihren Song aus dem „Barbie“-Film ihren zweiten Oscar gewann – Anstecker mit einem roten Button: das Symbol steht für die Forderung nach einem Waffenstillstand in Gaza. Bei seiner Dankesrede sagte Regisseur Jonathan Glazer, der aus einer jüdischen Familie stammt, er wehre sich dagegen, dass sein „Jüdischsein und der Holocaust ausgenutzt würden für eine Besatzung, die für so viele unschuldige Menschen zu Konflikt geführt habe. Ob es die Opfer des 7. Oktober in Israel oder der andauernden Attacke auf Gaza sind, alle sind Opfer dieser Entmenschlichung.“

Emma Stone mit dem Preis für die beste Leistung einer Schauspielerin in "Poor Things"
Emma Stone mit dem Preis für die beste Leistung einer Schauspielerin in "Poor Things" © Jordan Strauss/Invision via AP/dpa

Und was ist mit den anderen deutschen Nominierten? Wim Wenders, der mit dem Drama „Perfect Days“ für Japan im Rennen war, verpasste auch bei seiner vierten Nominierung den Preis. Und der deutsche Beitrag „Das Lehrerzimmer“ von İlker Çatak unterlag dem britischen „The Zone of Interest“. Aber wie gesagt: Dieser Oscar geht, dank Sandra Hüller und Christian Friedel, im Herzen sowieso nach Sachsen. (mit dpa)

Alle Oscar-Kategorien - und wer jeweils gewonnen hat:

  • Bester Film: "Oppenheimer" (Produktion: Christopher Nolan, Charles Roven, Emma Thomas)
  • Bester internationaler Film: die britische Produktion "The Zone of Interest" von Jonathan Glazer
  • Regie: Christopher Nolan für "Oppenheimer"
  • Hauptdarstellerin: Emma Stone ("Poor Things")
  • Hauptdarsteller: Cillian Murphy ("Oppenheimer")
  • Nebendarstellerin: Da'Vine Joy Randolph ("The Holdovers")
  • Nebendarsteller: Robert Downey Jr. ("Oppenheimer")
  • Kamera: Hoyte van Hoytema für "Oppenheimer"
  • Original-Drehbuch: Justine Triet und Arthur Harari für "Anatomie eines Falls"
  • Adaptiertes Drehbuch: Cord Jefferson für "Amerikanische Fiktion" ("American Fiction")
  • Schnitt: Jennifer Lame für "Oppenheimer"
  • Filmmusik/Original Score: Ludwig Göransson für "Oppenheimer"
  • Filmsong: aus "Barbie" das Lied "What Was I Made For?" (Billie Eilish/Finneas O'Connell)
  • Produktionsdesign/Szenenbild: "Poor Things" (Shona Heath, Zsuzsa Mihalek, James Price)
  • Ton/Sound: "The Zone of Interest" (Johnnie Burn und Tarn Willers)
  • Visuelle Effekte: "Godzilla Minus One" (Japan)
  • Animationsfilm: "Der Junge und der Reiher" (Hayao Miyazaki und Toshio Suzuki)
  • Animations-Kurzfilm: "War Is Over! Inspired by the Music of John & Yoko" (Brad Booker und Dave Mullins)
  • Dokumentarfilm: "20 Tage in Mariupol" (Mstyslaw Tschernow, Raney Aronson-Rath und Michelle Mizner)
  • Dokumentar-Kurzfilm: "The Last Repair Shop" (Kris Bowers und Ben Proudfoot)
  • Make-up/Hairstyling: "Poor Things" (Mark Coulier, Nadia Stacey und Josh Weston)
  • Kostümdesign: Holly Waddington für "Poor Things"
  • Kurzfilm (Live Action Short Film): "Ich sehe was, was du nicht siehst" (The Wonderful Story of Henry Sugar) von Wes Anderson und Steven Rales