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Deutsches Kriegsdrama "Im Westen nichts Neues" räumt gleich vier Oscars ab

Sensation in Hollywood: Edward Bergers Erster-Weltkriegs-Drama holte vier Goldjungs. Nur "Everything Everywhere All at Once" gewann mehr Oscars.

Von Oliver Reinhard
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Gemessen an der Oscar-Menge wurde "Im Westen nichts Neues" mit vier Auszeichnungen der erfolgreichste deutsche Film aller Zeiten: Szene mit Felix Kammerer (r.), Albrecht Schuch (l.) und Edin Hasanovic.
Gemessen an der Oscar-Menge wurde "Im Westen nichts Neues" mit vier Auszeichnungen der erfolgreichste deutsche Film aller Zeiten: Szene mit Felix Kammerer (r.), Albrecht Schuch (l.) und Edin Hasanovic. © Netflix

Sie holte fast jeden zweiten der neun Oscars, für die sie nominiert war: Insgesamt viermal fiel im Dolby Theater von Los Angeles der Name der deutschen Literaturverfilmung "Im Westen nichts Neues", als dort die Gewinner der weltweit wichtigsten Filmpreise verkündet wurden. Sogar mit dem Titel "Bester Internationaler Film" darf sich das bildgewaltige Drama von Regisseur Edward Berger seit der Nacht zum Montag schmücken. Oscars gab es außerdem für Kameramann James Friend, Komponist Volker Bertelmann alias Hauschka sowie Produktionsdesigner Christian M. Goldbeck und Ernestine Hipper.

Sichtlich überwältigt sagte Berger: "Oh Gott, das bedeutet uns so viel." Der Regisseur kam mit seinen Schauspielern Felix Kammerer, Albrecht Schuch und Daniel Brühl sowie mit Produzent Malte Grunert auf die Bühne. Berger dankte all den Nominierten seines Filmes, ganz besonders Hauptdarsteller Felix Kammerer: "Das war dein erster Film und du trugst uns alle auf deinen Schultern, als wäre es nichts. Ohne dich wäre niemand von uns hier."

Regisseur Edward Berger (vorne) nimmt den Oscar für «Im Westen nichts Neues» entgegen. Hinten stehen die Schauspieler Daniel Brühl (l-r), Malte Grunert, Albrecht Schuch und Felix Kammerer.
Regisseur Edward Berger (vorne) nimmt den Oscar für «Im Westen nichts Neues» entgegen. Hinten stehen die Schauspieler Daniel Brühl (l-r), Malte Grunert, Albrecht Schuch und Felix Kammerer. © Chris Pizzello

Perversion des Krieges und militaristischer Wahn

Edward Bergers Epos ist die insgesamt dritte (und erste deutsche) Verfilmung des gleichnamigen Romans von Erich Maria Remarque über das Grauen des Ersten Weltkriegs. Sie ist auch die bislang freieste Adaption der Vorlage, bebildert die langwierigen und demütigenden Friedensverhandlungen zwischen Deutschen und Franzosen und unterstreicht mit einem hinzuerfundenen letzten sinnlosen Angriff 15 Minuten vor Waffenstillstand die Perversion des Krieges und militaristischen Wahns.

Mit "Im Westen nichts Neues" holte bereits das vierte Werk aus deutscher Produktion den Oscar als bester internationaler Film. Vorgänger des bildgewaltigen Epos waren 2007 "Das Leben der Anderen" von Florian Henkel von Donnersmarck, vier Jahre davor Caroline Links "Nirgendwo in Afrika" und 1980 "Die Blechtrommel" von Volker Schlöndorff.

Triumph für schräge Science-Fition-Action

Erfolgreicher war nur das schräge Cineasten-Epos "Everything Everywhere All at Once", mit dem Hollywood einmal mehr das unabhängige Filmemachen feierte. Insgesamt sieben Auszeichnungen gewann der Film, unter anderem die "Beste Regie" für Daniel Scheinert und Daniel Kwan.

Bei den Schauspielpreisen räumte die Science-Fiction-Action-Dramödie fast alles ab: Michelle Yeoh wurde als erste asiatische Akteurin beste Hauptdarstellerin, Jamie Lee Curtis gewann den Preis als beste Nebendarstellerin, Ke Huy Quan den Oscar als bester Nebendarsteller. Mit insgesamt elf Nominierungen war "Everything Everywhere All at Once" als Favorit gestartet.

Schauspielerin Michelle Yeoh nahm den Preis als beste Hauptdarstellerin für "Everything Everywhere All at Once" entgegen. Das schräge Science-Fiction-Drama holte insgesamt sieben Auszeichnungen, unter anderem "Beste Regie" für Daniel Scheinert und Daniel
Schauspielerin Michelle Yeoh nahm den Preis als beste Hauptdarstellerin für "Everything Everywhere All at Once" entgegen. Das schräge Science-Fiction-Drama holte insgesamt sieben Auszeichnungen, unter anderem "Beste Regie" für Daniel Scheinert und Daniel © Chris Pizzello/AP/dpa

"Nawalny" wurde bester Dokumentarfilm

Souverän, beinahe unspektakulär moderierte Jimmy Kimmel die Verleihung der 95. Academy Awards. Während des Abends spielte er auch auf den Eklat vom vergangenen Jahr. in dem er gleich zu Beginn sagte: "Wir haben strenge Richtlinien. Wenn diesmal jemand gewalttätig wird, bekommt er den Oscar für den besten Darsteller."

Das hatte einen handfesten Hintergrund. 2022 hatte Will Smith den Moderator Chris Rock auf der Bühne geschlagen, weil der zuvor einen Gag über die - krankheitsbedingte - vorherige Glatzen-"Frisur" von Smiths Frau Jada Pinkett gerissen hatte. Smith war daraufhin von der Filmbranche schwer kritisiert worden und hatte seine Gewalttat inzwischen öffentlich bereut.

In Dresden gedrehter Oscar-Kandidat "Tár" ging leer aus

Doch die Verleihung blieb friedlich, den Oscar für den besten Hauptdarsteller gewann Brendan Frazer für seine Leistung in "The Whale". Als bester Dokumentarfilm wurde "Nawalny" über den russischen Oppositionspolitiker ausgezeichnet, womit dann doch auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine prominent präsent war.

Zum großen Verlierer der diesjährigen Oscar-Verleihung wurde neben Martin McDonaghs neunmal nominierten und nicht einmal prämierten „The Banshees Of Inisherin“ auch „Tár“ von Todd Field. Das Drama mit Cate Blanchett als bis zum Fanatismus leidenschaftliche Dirigentin war unter anderem im Dresdner Kulturpalast mit der Dresdner Philharmonie gedreht worden und für sechs Auszeichnungen nominiert gewesen. Der ambitionierte Psychothriller ging aber in der Nacht zum Montag leer aus. (mit dpa)

Alle Gewinner der 95. Oscar-Verleihung

  • Bester Film: "Everything Everywhere All at Once"
  • Bester internationaler Film: "Im Westen nichts Neues" (Deutschland)
  • Regie: Daniel Kwan und Daniel Scheinert ("Everything Everywhere All at Once")
  • Hauptdarstellerin: Michelle Yeoh ("Everything Everywhere All at Once")
  • Hauptdarsteller: Brendan Fraser ("The Whale")
  • Nebendarstellerin: Jamie Lee Curtis ("Everything Everywhere All at Once")
  • Nebendarsteller: Ke Huy Quan ("Everything Everywhere All at Once")
  • Kamera: James Friend ("Im Westens nichts Neues")
  • Original-Drehbuch: Daniel Kwan und Daniel Scheinert ("Everything Everywhere All at Once")
  • Adaptiertes Drehbuch: Sarah Polley ("Die Aussprache")
  • Schnitt: Paul Rogers ("Everything Everywhere All at Once")
  • Filmmusik: Volker Bertelmann alias Hauschka ("Im Westen nichts Neues")
  • Filmsong: "Naatu Naatu" ("RRR")
  • Produktionsdesign: Christian M. Goldbeck und Ernestine Hipper ("Im Westen nichts Neues")
  • Ton/Sound: Mark Weingarten, James H. Mather, Al Nelson, Chris Burdon und Mark Taylor ("Top Gun: Maverick")
  • Visuelle Effekte: Joe Letteri, Richard Baneham, Eric Saindon und Daniel Barrett ("Avatar: The Way of Water")
  • Animationsfilm: "Guillermo del Toro's Pinocchio"
  • Animations-Kurzfilm: "The Boy, The Mole, The Fox and the Horse"
  • Dokumentarfilm: "Nawalny"
  • Dokumentar-Kurzfilm: "Die Elefantenflüsterer" (The Elephant Whisperers)
  • Make-up/Frisur: Adrien Morot, Judy Chin und Annemarie Bradley ("The Whale")
  • Kostümdesign: Ruth Carter ("Black Panther: Wakanda Forever")
  • Kurzfilm: "An Irish Goodbye"