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Antisemitismus-Beauftragter erwägt Neubewertung

Felix Klein will sich „gegebenenfalls im Lichte der Erkenntnisse äußern“ – nach Abschluss der Ermittlungen. Andere halten an ihren ersten Stellungnahmen fest.

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An der Darstellung von Gil Ofarim zu den Vorfällen in einem Leipziger Hotel sind Zweifel gewachsen.
An der Darstellung von Gil Ofarim zu den Vorfällen in einem Leipziger Hotel sind Zweifel gewachsen. © dpa

Von Jost Müller-Neuhof

Der Beauftragte der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus Felix Klein erwägt, seine Position zum Vorfall im Leipziger Westin-Hotel zu revidieren. Auf Anfrage des Tagesspiegels verwies Klein auf die laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Er wolle deren Ergebnisse abwarten und sich nach Abschluss „gegebenenfalls im Lichte der Erkenntnisse äußern“, sagte eine Sprecherin Kleins.

Der jüdische Musiker Gil Ofarim hatte nach einem Streit in der Lobby des Hotels Anfang Oktober ein Video veröffentlicht, in dem er einem Hotelmitarbeiter vorwarf, ihn antisemitisch angefeindet zu haben. So habe der Angestellte verlangt, Ofarim möge seine Halskette mit einem Davidstern abnehmen.

Der Musiker soll gedroht haben, er lasse ein Video „viral gehen“

Zwei Tage nach dem angeblichen Geschehen am Abend des 4. Oktober veröffentlichte Klein, dessen Stelle formal im Bundesinnenministerium eingegliedert ist, eine Erklärung, in der er Ofarim Anteilnahme und Solidarität aussprach. „Dass ein Mensch in der Öffentlichkeit einer gut besuchten Hotellobby antisemitisch diskriminiert und angefeindet wird, entsetzt mich“, hieß es damals. Es sei „gut und wichtig“, dass Ofarim den „inakzeptablen Vorgang“ öffentlich gemacht habe. Zugleich begrüße er, dass das Hotel bereits personelle Konsequenzen gezogen hat, und forderte eine „Aufarbeitung des Vorfalls, auch durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes“.

Seitdem sind die Zweifel an Ofarims Darstellung des Sachverhalts gewachsen. In den Medien veröffentlichte Bilder einer Überwachungskamera lassen keine Halskette erkennen. Der Hotelmitarbeiter hat Ofarim wegen Verleumdung angezeigt, eine interne Untersuchung entlaste ihn, hat das Hotel mitgeteilt. Wie die Wochenzeitung „Zeit“ am Mittwoch berichtete, hätten Zeugen einen antisemitischen Hintergrund des Vorfalls nicht bestätigt. Vielmehr habe es Streit gegeben, weil der Mitarbeiter aus Ofarims Sicht andere Gäste bevorzugt habe. Der Musiker soll daraufhin gedroht haben, ein Video bei Instagram hochzuladen, dass „viral gehen“ werde. Ofarim habe sich auf Anfrage der Zeitung nicht dazu äußern wollen, hieß es.

Auf die Frage des Tagesspiegels, weshalb der Antisemitismusbeauftragte nicht vor seinem Statement Anfang Oktober zunächst Ermittlungsergebnisse abgewartet habe, teilte seine Sprecherin jetzt mit, dass Klein seinerzeit zur Aufarbeitung aufgerufen habe. Dem möchte er „zum jetzigen Zeitpunkt nichts hinzufügen“.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, zuständig für die Einhaltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), hatte einen Tag nach dem Vorfall auf Twitter erklärt: „Das ist ein unfassbarer Fall von Antisemitismus und in der Tat ein Verstoß gegen das AGG“. Eine rasche Antwort des Hotels sei überfällig. „Aus unserer Sicht kann das nicht folgenlos bleiben“.

„Leipzig ist kein Einzelfall“, hatte Heiko Maas gesagt

Ein Sprecher der Behörde sagte dazu jetzt, der „von Gil Ofarim geschilderte Vorfall“ deute auf eine AGG-relevante Diskriminierung mit antisemitischem Hintergrund hin. Darauf habe man hingewiesen. „Ob diese tatsächlich vorgelegen hat, müssen - wie bei allen Diskriminierungsfällen - die Gerichte nach Aufklärung des Sachverhalts entscheiden. Das gilt auch für etwaige Verleumdungsvorwürfe.“

Ob die Stelle nach Abschluss der Verfahren eine Neubewertung in Betracht ziehe, wollte der Sprecher nicht sagen: „Diese Frage stellt sich derzeit nicht, weil die Aufklärung des Sachverhalts noch nicht abgeschlossen ist“.

Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hält an seiner ersten Bewertung des Sachverhalts bislang fest. Maas hatte in einer Rede am 6. Oktober unter Bezugnahme auf den Vorgang im Hotel gesagt: „Leipzig ist kein Einzelfall“. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts betonte auf Anfrage das Engagement des Ministers im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus. Maas habe den Fall Ofarim in seiner Rede „auf Grundlage der öffentlich verfügbaren Informationen“ erwähnt.