Leipzig
Merken

Dreister Bärlauch-Klau in Leipzig: So spürt die Polizei jetzt Diebe auf

Ein "Handstrauß" Bärlauch pro Person ist erlaubt – dennoch verlassen regelmäßig kiloschwere Säcke davon die Leipziger Waldgebiete. Dagegen geht die Polizei-Fahrradstaffel vor.

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Bärlauchstreife der Polizei in Leipzig ist unterwegs.
Die Bärlauchstreife der Polizei in Leipzig ist unterwegs. © dpa-Zentralbild

Leipzig. Die Polizei-Fahrradstaffel macht sich auf in den Leipziger Auwald. Die Polizisten tragen Sonnenbrillen und neongelb leuchtende Jacken und Helme. Ihre Trinkflaschen am Fahrradrahmen sind aufgefüllt, um Hals und Ohr sind sie mit Funkgeräten verkabelt. An diesem Tag ist die Fahrradstaffel unterwegs, um einem in Leipzig inzwischen häufiger vorkommenden Phänomen nachzugehen: den Bärlauch-Dieben.

Zwischen 800 und 1.000 Kilogramm Bärlauch klauten Diebe laut Polizei im vorigen Jahr aus den Leipziger Wäldern. Für das Sammeln der Pflanze herrschen in Sachsen jedoch strenge Regeln. Erlaubt ist ein sogenannter Handstrauß pro Person.

"Offiziell ist eine kleine Tüte schon zu viel", sagt eine Polizistin der Staffel, die ihren Namen nicht öffentlich machen möchte. Festgehalten ist diese Regel im sächsischen Waldgesetz. Bewegt man sich in Naturschutzgebieten, ist sogar ein gepflücktes Blatt bereits eines zu viel. Dort gilt das Bundesnaturschutzgesetz.

Bärlauch-Diebe sind "tief im Wald unterwegs"

Die Fahrradstaffel fährt im Slalom an Pfützen vorbei, auch einigen Pferdemisthaufen muss ausgewichen werden. "Vom Wegesrand sieht man die Personen nicht. Sie sind tief im Wald unterwegs, was untypisch ist für Touristen", sagt die Polizistin. Weitere Indizien für Bärlauch-Sammler, die sich außerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen: schmutzige Klamotten, schlammiges Schuhwerk, volle Beutel.

Ein Mann hält im südlichen Leipziger Auwald frisch geernteten Bärlauch in der Hand. Das Sammeln dieses beliebten Küchenkrautes für den Eigenbedarf ist nur in "handstraußgroßer" Menge gestattet.
Ein Mann hält im südlichen Leipziger Auwald frisch geernteten Bärlauch in der Hand. Das Sammeln dieses beliebten Küchenkrautes für den Eigenbedarf ist nur in "handstraußgroßer" Menge gestattet. © dpa

Um nicht aufzufallen, haben sich die Diebe allerdings etwas überlegt: "Sie bunkern ihre Sachen im Wald, um sich dort umzuziehen." Sogar Knieschoner tragen sie – "sie arbeiten ja den ganzen Tag hier auf dem Boden", sagt die Polizistin. Nach getaner Arbeit würden sie ihre sauberen Klamotten wieder anlegen und als einfache Spaziergänger den Wald verlassen.

Vom Fahrrad abgestiegen, gehen die Polizisten Trampelpfaden und Tupperdosen nach. Im blickdichten Wald ist es schwierig, die Diebe zu erkennen. In diesem Jahr habe die Fahrradstaffel bislang in vier Fällen mutmaßliche Täter erwischt.

"Vom Wegesrand sieht man das Chaos nicht, das sie hier zurücklassen", sagt die Polizistin. "Sie verpflegen und entladen sich hier im Wald." Somit liefert sie zudem eine Erklärung, weswegen neben leeren Müsliriegel-Verpackungen auch Feuchttücher in den Sträuchern hängen.

Was über die mutmaßlichen Täter bekannt ist

Polizeisprecher Chris Graupner beschreibt die Arbeitsweise der Täter: "Die Leute werden gesammelt und gezielt an bestimmte Plätze gefahren, sodass sie dort ihre Arbeit verrichten." Die großen Mengen Bärlauch würden später mit Anhängern und Transportern abgeholt.

All das sei jedoch kein Diebstahl – jedenfalls nicht im strafrechtlichen Sinne. Da es sich um Wildpflanzen handele, also um kein direktes Eigentum, lägen hier Ordnungswidrigkeiten vor, erklärt Graupner. "Das kann Geldbußen von bis zu 2.500 Euro oder in besonders schweren Fällen sogar bis zu 10.000 Euro nach sich ziehen." Erwischt ein Sammler dann noch eine geschützte Pflanze wie den Märzenbecher, befände man sich schnell im Bereich einer Umweltstraftat – ein Fall für den Staatsanwalt.

Bei den mutmaßlichen Tätern handele es sich häufig um Russen und um Tschetschenen, teilte die Polizei mit. "Wir wissen auch, dass die Mengen von über 100 Kilogramm verwendet werden, um sie anschließend zu versenden und Geschäft damit zu betreiben", sagt Graupner. Der gastronomische Bereich liege nahe.

Die Probleme der Bärlauch-Raubzüge

Leidtragende des Ganzen könnten hierbei vor allem die Sammler selbst oder die Konsumenten am Ende der Kette sein. Marko Reimann, seit einem Jahr Ranger im Connewitzer Forst, erinnert sich: "Letztes Jahr haben wir einen Beutel mit Geflecktem Aronstab sichergestellt". Der Bärlauch-Pflanze im jungen Stadium zum Verwechseln ähnlich, handele es sich beim Gefleckten Aronstab um eine Giftpflanze. Auch das giftige Maiglöckchen sei schon darunter gewesen. Die Gefahren laut Kliniken: Rötung, Erbrechen, Krampfanfälle, selten auch Herzrhythmusstörungen.

Das eigentliche Problem der Bärlauch-Raubzüge sei aber die Störung des Waldes. "Für die Tiere und vor allem für den Nachwuchs ist das der Beginn einer sensiblen Zeit: der Brut- und Setzzeit." Durch die Arbeit der illegalen Sammler würden sensible Bereiche zertrampelt und vermüllt, schützenswerte Pflanzen wie der Märzenbecher zerstört. Die massiven Eingriffe in den Boden seien zudem schädlich für den Wald.

"Aber für den Bärlauch sehen wir das als ganz unproblematisch", sagt Reimann. Der Vorrat in den Leipziger Wäldern scheint tatsächlich nur schwerlich erschöpfbar. Auch im Auwald an den bis vor wenigen Tagen noch kahlen Stellen, zwischen leeren Croissant-Tüten und Fertigkaffees der Sorte Karamell, wachsen die jungen Bärlauch-Pflanzen schon wieder. (dpa)