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Familie wagt Riesen-Projekt in Neugersdorf: "Die Villa hat noch eine Chance"

Es ist nicht zu übersehen: Die Jugendklub-Villa in Neugersdorf hat einen neuen Besitzer, einiges hat sich schon getan. Aber wer nimmt so ein Riesen-Projekt in Angriff? SZ hat die Familie getroffen - und zeigt Fotos.

Von Romy Altmann-Kuehr
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Lukáš Hervert  mit seiner Frau und den beiden Töchtern vor der Villa an der Käthe-Kollwitz-Straße. Die Familie möchte hier einziehen.
Lukáš Hervert mit seiner Frau und den beiden Töchtern vor der Villa an der Käthe-Kollwitz-Straße. Die Familie möchte hier einziehen. © SZ/R. Altmann-Kühr

Den aufmerksamen Neugersdorfern ist es nicht entgangen: In der sogenannten Klubhaus-Villa an der Käthe-Kollwitz-Straße tut sich was. So nennen Einheimische das stattliche Haus - eine der ehemaligen Fabrikantenvillen der Stadt - weil sich früher einmal ein Klub im Gebäude befand. Viele kennen ihn aus ihrer Jugendzeit, gingen hier ein und aus. Seit etlichen Jahren nun hat das Gebäude ein trauriges Schicksal ereilt, wie viele der großen, alten Häuser, für die es keine Nutzung mehr gibt. Mehr und mehr verfiel die Villa. Zuletzt sorgte sie für Aufregung, weil eine bekannte und mutmaßliche Immobilienspekulantin sie erworben hatte. Mit interessanten Nutzungsvorschlägen wie Swingerklub oder Seniorenresidenz bot sie das marode Haus zum Weiterverkauf oder zur Pacht an.

Nun wagt tatsächlich jemand das große Bauprojekt. Der Tscheche Lukáš Hervert hat die Villa gekauft und will sie sanieren. Erste Arbeiten sind auch von außen schon zu sehen. So wurde tonnenweise Schutt heraus geschafft und beseitigt, Wildwuchs entfernt, der große Park rund um die Villa in Ordnung gebracht. Nutzen will Hervert die Villa als Wohnhaus für sich, seine Frau und die drei Kinder.

Mehrfach Einbrüche in die Villa

Der Traum von der Villa im Grünen - er beginnt für Lukáš Hervert und seine Frau erst einmal mit viel Ärger. Mehrfach wurde in das Haus eingebrochen, seit Hervert es Anfang des Jahres kaufte. Immer wieder war die Polizei vor Ort. Einen Täter gefunden hat sie nie. Inzwischen hat der neue Besitzer eine Videoüberwachung installiert. "Seitdem ist es ruhiger geworden."

In den langen Jahren des Leerstands montierten Diebe zudem jede Menge Kupferbleche ab und schleppten sie weg. Auch Fenster wurden mitgenommen oder standen lange offen. Dadurch konnten über Jahre Regen und Schnee großen Schaden anrichten. Viele Balken in den Zwischendecken sind verfault und zerbröseln förmlich. Mauern sind nass und haben sich teilweise schon abgesenkt. Der Wintergarten auf der Rückseite des Gebäudes hat kein Dach mehr. Auch er war mit Kupferblechen geschützt, die geklaut wurden. Andererseits zeugen etliche Details noch vom einstigen Reichtum: prunkvolle Holzvertäfelungen, Einbauschränke, Parkett, ein opulentes Treppenhaus.

Die Bauingenieurin, die Herverts Sanierung betreut, hat ihm gesagt, dass es mehrere Millionen Euro kosten würde, das Haus in diesem Zustand zu sanieren. Der 45-Jährige schüttelt den Kopf. "So viel Geld gibt doch niemand für ein Haus aus." Es muss auch anders gehen, sagt er. Vieles macht er in Eigenleistung und mit Bekannten.

Fasziniert von alten Häusern

Ein altes Gemälde zeigt die Villa in voller Schönheit. Das Bild stammt etwa aus dem Jahr 1930 und gehörte zum Bestand des Heimatmuseums.
Ein altes Gemälde zeigt die Villa in voller Schönheit. Das Bild stammt etwa aus dem Jahr 1930 und gehörte zum Bestand des Heimatmuseums. © privat
Innen ist vieles marode.
Innen ist vieles marode. © privat
Der Bauherr hat schon entkernt und viel altes rausgeschafft.
Der Bauherr hat schon entkernt und viel altes rausgeschafft. © privat
Feuchtigkeit hat viele Balken angergriffen.
Feuchtigkeit hat viele Balken angergriffen. © privat
Als die Familie das Haus kaufte, war der Garten verwildert, Bäume umgeknickt. Inzwischen hat sie den Park hergerichtet.
Als die Familie das Haus kaufte, war der Garten verwildert, Bäume umgeknickt. Inzwischen hat sie den Park hergerichtet. © privat
Dachschaden: Wegen fehlender Bleche und Abdeckungen, die gestohlen wurden, konnte jahrelang Wasser eindringen.
Dachschaden: Wegen fehlender Bleche und Abdeckungen, die gestohlen wurden, konnte jahrelang Wasser eindringen. © privat
Neue Balken dienen zunächst als Sicherheits-Konstruktion.
Neue Balken dienen zunächst als Sicherheits-Konstruktion. © privat

Dennoch: Es wird ein Kraftakt - auch finanziell. Dessen ist sich Lukáš Hervert bewusst. Mit der Summe, die er für die Instandsetzung eingeplant hatte, wird er nicht auskommen. Inzwischen hat er das meiste für Sicherungsmaßnahmen und Material ausgegeben. Um weiteren Schaden abzuwenden, musste er zunächst mehrere Stützkonstruktionen bauen. Frische, dicke Holzbalken ziehen sich durchs ganze Haus, stützen Wände, Dach und Decken. Eine Zwischendecke hat er schon vollständig erneuert.

Als er das Haus zum ersten Mal sah, ahnte er das noch nicht. Es sah alles ganz gut aus, erzählt er. Die Böden und Zwischendecken waren mit Platten verkleidet. Erst darunter zeigte sich das schlimme Ausmaß, das die Feuchtigkeit angerichtet hat.

Hervert stammt aus Tschechien, wohnte zuvor in Kolin, etwa 60 Kilometer vor Prag. Seit sieben Jahren arbeitet er in Deutschland, ist als Lkw-Fahrer für ein Unternehmen aus Kassel unterwegs. Deshalb suchte er mit seiner Frau schon länger eine Immobilie in Deutschland, um mit der ganzen Familie ins Nachbarland umzuziehen. Bei der Suche nach einem Haus wurden sie auf die Neugersdorfer Villa aufmerksam. Sie wurde in einer Auktion angeboten. Das Haus hatte es dem Ehepaar sofort angetan, erzählen sie. Viele Bekannte hätten ihm gesagt, er wäre doch verrückt. Ein kleines Grundstück mit einem Energiespar-Haus darauf, das sei heute eher Standard, sagt Hervert. Ihn und seine Frau aber faszinieren historische Häuser, auch in Kolin bewohnte die Familie eine alte Villa. Die hat sie nun verkauft, um das Projekt in Neugersdorf zu verwirklichen. Vorübergehend sind Herverts in eine Wohnung im Oberland gezogen. Von ihren Fenstern im vierten Stock aus können sie jetzt in den Herbst- und Wintermonaten, wenn die Bäume kein Laub haben, sogar ihre Villa sehen.

Baugenehmigung für Villa in Neugersdorf steht noch aus

Nun heißt es für den Bauherrn und seine Familie erst einmal - warten. Auf eine entsprechende Baugenehmigung für sein Vorhaben. Und auf Geld. Denn Hervert hofft, vom Denkmalschutz einen Zuschuss zu bekommen. Vor wenigen Tagen hat er gemeinsam mit Vertretern von der Denkmalschutzbehörde das Haus besichtigt. Als Nächstes will er das Dach komplett sanieren. Dafür hofft er auf eine Förderung.

Denn Lukáš Hervert ist überzeugt: "Die Villa hat noch eine Chance." Sein Ziel ist jetzt erst einmal wenigstens eine Etage herzurichten, damit die Familie dort wohnen kann. Der Rest des Hauses soll dann nach und nach saniert werden. "Womöglich erlebe ich das gar nicht mehr, dass alles einmal fertig ist", sagt der 45-Jährige und versucht sich an einem sarkastischen Lächeln. Er denkt aber vor allem an seine Kinder und will auch für sie etwas Bleibendes schaffen.