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In Löbau wächst kein Baum, wo es der Denkmalschutz nicht will

OB Gubsch diskutiert im Linke-Bürgerbüro über den Stadtwald und mehr Stadtbegrünung - die aber ist in der Realität schwieriger als manche sich das wünschen.

Von Markus van Appeldorn
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Linke-Landtagsabgeordnete Antonia Mertsching mit Löbaus Oberbürgermeister Albrecht Gubsch und Stadtförster Lars Morgenstern.
Linke-Landtagsabgeordnete Antonia Mertsching mit Löbaus Oberbürgermeister Albrecht Gubsch und Stadtförster Lars Morgenstern. © Markus van Appeldorn

"Wie grün ist Löbau? Wie geht's dem Stadtwald?" Unter diesem Motto hatte die Linke-Landtagsabgeordnete Antonia Mertsching am Mittwochabend zur Diskussion ins Löbauer Bürgerbüro der Partei eingeladen. Nach Zittau ist Löbau der größte kommunale Waldbesitzer in Sachsen. Zu Gast hatte Mertsching zwei Männer, die es wissen müssen: Oberbürgermeister Albrecht Gubsch (parteilos) und Stadtförster Lars Morgenstern. Und die beiden erklärten auch, warum in der Realität nicht immer alles so einfach ist, wie Wald- und Naturfreunde sich das vorstellen.

Stürme, Dürre und Borkenkäfer - diese drei Angriffswellen haben dem Löbauer Stadtforst in den letzten Jahren massiv zugesetzt. Bei der Diskussion erklärten Gubsch und Morgenstern die aktuelle Lage.

Wie ist die aktuelle Bilanz?

"Wir haben harte Jahre hinter uns. Wir haben die Bank, die die Stadt hatte, weg gehackt", sagte Morgenstern unumwunden - und dabei wesentlich mehr abgeholzt als es einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung entspräche. In Zahlen heißt das: "Nachhaltig wäre eine jährliche Holzernte von 13.500 Festmetern", so Morgenstern - und so sei es früher auch immer geschehen. Die Wahrheit in der Krisenzeit: "Wir haben in der Spitze bis zu 65.000 Festmeter im Jahr abgeholzt", erklärte Morgenstern.

Welche finanziellen Auswirkungen hatte das?

Die Holzernte aus dem Wald war auch immer eine feste Größe im Haushalt der Stadt. "2021 war der Holzpreis massiv im Keller", so Morgenstern. Denn der Holzmarkt war damals überschwemmt, wegen der regelrechten "Notschlachtungen im Wald" aufgrund der Borkenkäferplage. 2022 habe sich die Lage auf dem Markt dann umgekehrt und man habe mit der Holzernte wenigstens gutes Geld verdient. Allerdings: Auf die hohe Kante habe sich die Stadt davon nichts legen können. "Das Geld ist alles aufgebraucht", sagte Morgenstern - unter anderem auch für Wiederaufforstungen.

Wie sieht's jetzt überhaupt aus im Stadtwald?

"Am Rotstein und am Löbauer Berg sind die Fichten komplett weg", erklärte Lars Morgenstern. Von einst 700 Hektar Fichtenbestand im Stadtforst seien 500 Hektar verschwunden - und zurzeit eben kahle Fläche. "Die Entwicklung der Fichten-Monokultur war geschichtlich bedingt. Zu DDR-Zeiten waren sie Devisenbringer", so Morgenstern. Erntereif seien Fichten im Alter von 80 bis 100 Jahren. "Der Borkenkäfer hat den Waldumbau rapide beschleunigt", sagte er.

Und wie wird der Wald "umgebaut"?

"Wir pflanzen nennenswert Eiche, Kiefer oder Weißtanne", erklärte der Stadtförster. Letztere sei wegen ihres langsamen Wachstums etwas problematisch. Das große Wiederaufforstungs-Glück ist das für ihn nicht. "Kiefer bringt wirtschaftlich keinen guten Ertrag, wächst aber von alleine", so Morgenstern - sie macht also keine Arbeit. Und auf die Frage, was denn mit der allseits so beliebten Buche sei: "Die Buche wächst auch von alleine. Aber wir pflanzen keine." Denn: "Buchen brauchen sehr lange, bis sie erntereif sind und werden dann nach 200 Jahren in der Regel zu Feuerholz - das ist wirtschaftlich sinnlos", erklärte er. Auch von Douglasien hält er nicht viel: "Die sind wegen ihrer weichen Rinde auch noch in höherem Alter problematisch wegen Rehwild-Verbiss." Durch die verletzte Rinde würden dann Krankheiten in die Bäume dringen. Apropos Rehwild: "Das wird intensiv bejagt. Jäger dürfen so viel schießen wie ihnen zuläuft. Und der Wolf jagt aktiv mit. Persönlich brauche ich den Wolf nicht", so Morgenstern. Ein Riss durch den Wolf sei nämlich ein grausamer Tod für "die Kreatur Reh". Lieber würde er das Wild durch Abschuss zur Strecke bringen - darüber hinaus könne man das Fleisch dann auch noch verkaufen.

Ist der Stadtwald noch ein attraktiver Erholungsort?

Nun ja, es wird langsam wieder. Der Stadtforst Löbau verfügt nur über vier Mitarbeiter - aber keinen schweren Maschinenpark. Deshalb mussten zur Beräumung des Borkenkäfer-Holzes Dienstleister mit Harvestern und anderem schweren Gerät anrücken - und die haben den Waldboden schon ordentlich umgepflügt. Morgenstern stellte es so dar: "Die polnischen Fahrer auf den Geräten haben den Wald schon so hinterlassen, dass sie wussten, dass sie nicht wiederkommen." Danke eines vom Bund aufgelegten Förderprogramms habe man aber mittlerweile 30 Kilometer Wanderwege oder Loipen - etwa am Kottmar - wieder herrichten können. "Ohne dieses Förderprogramm hätten wir jetzt ein massives Problem mit der Bevölkerung", erklärte Morgenstern.

Und könnte die Stadt nicht auch mehr Bäume gebrauchen?

Antonia Mertsching wies darauf hin, dass besonders in Hinblick auf den Klimawandel mehr Bäume im Stadtbild doch auch für eine Kühlung sorgen könnten. "Wünschenswert", sagte OB Gubsch - doch in der Realität eben nicht so einfach. Da spielt nämlich auch der Denkmalschutz eine Rolle. "Die wissen auf den Millimeter genau, wo vor 700 Jahren schon mal ein Gewächs gestanden hat", erklärte er - und wenn dort eben keines gestanden habe, dürfe man das Stadtbild auch nicht einfach so um einen Baum ergänzen. Manche wünschen sich, etwa auch den Altmarkt zu begrünen. Und Gubsch gab unumwunden zu, kein Fan des Pflasters der Guten Stube der Stadt zu sein. "Das Pflaster ist richtig Mist, überall uneben. Ich halte den Altmarkt für misslungen." Dennoch: "Auf dem Altmarkt werden wir keinen Baum pflanzen." Und es gebe auch keinen Grund zur Klage: "Löbau ist ja nicht wie Dresden in der Prager Straße, wo ich fünf Kilometer durch Beton laufe", so Gubsch. Übrigens eine übertriebene Darstellung - denn die Prager Straße in Dresden ist nicht mal annähernd fünf Kilometer lang, sondern nur einige hundert Meter.

Wie wär's mit mehr Blumen in den Parkanlagen?

Da herrscht so das Motto: Träumen ist erlaubt - aber ... "Je mehr Blumenbeete ich anlege, desto mehr muss ich auch mindestens dreimal im Jahr nachpflanzen", erklärte Gubsch. Und dazu würden der Stadt schlicht die finanziellen und personellen Kapazitäten fehlen. Denn Mitarbeiter müssen sich schon um zahlreiche Grün-Baustellen kümmern, die eigentlich gar nicht Sache der Stadt wären. "Immer mehr Kleingärten werden nicht bewirtschaftet, weil die Besitzer etwa aus Altersgründen nicht mal mehr eine Hecke schneiden können. Ein Effekt, der seit fünf Jahren an Dynamik gewinnt", so Gubsch. Wenn dann aber etwa Hecken in den öffentlichen Raum hineinwuchern würden, müsse die Stadt tätig werden. "Das bindet Kräfte", so Gubsch. Wenigstens für das Gartenschaugelände wolle man aber nun einen Bewirtschaftungsplan erstellen. "Welche Wiesen werden etwa für Picknick gepflegt, welche fürs Fußballspielen und welche werden der Natur überlassen?", so Gubsch.