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Oberlausitzer Lehrermangel: TU Dresden etabliert neues Lernen an drei Schulen

Schulen in Löbau und Weißwasser machen mit bei einem Pilotprojekt der TU Dresden. Das soll Schule revolutionieren. Worum es geht und was das bringen kann.

Von Romy Altmann-Kuehr
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Weg vom reinen Frontalunterricht - ein Projekt der TU Dresden will die Schule revolutionieren. Schulen in Löbau sind als Pilotpartner dabei.
Weg vom reinen Frontalunterricht - ein Projekt der TU Dresden will die Schule revolutionieren. Schulen in Löbau sind als Pilotpartner dabei. © dpa

Lehrermangel und infolgedessen Unterrichtsausfall - diese Themen sind in der Oberlausitz seit Jahren präsent. Lehrer-Nachwuchs fehlt. Auch Anreize wie Beamten-Status für Neu-Lehrer in Sachsen halfen kaum, um Lehramts-Absolventen für einen Job auf dem Land zu begeistern. "Mit Geld allein kann man da auch nichts erreichen", ist Ronald Lindecke überzeugt. Er ist Sprecher des Elternrates im Landkreis Görlitz und beschäftigt sich seit Jahren mit der Problematik.

Nun gibt es eine neue Idee, junge Menschen für die Region und den Lehrerberuf zu begeistern: Die TU Dresden hat gemeinsam mit der Landeshauptstadt die Universitätsschule Dresden gegründet. Auf Initiative der Staatskanzlei wurde nun das Projekt "Schule bewegt Sachsen" ins Leben gerufen.

Jetzt werden die ersten Schulen außerhalb Dresdens ins Projekt eingebunden: Die Oberschule und das Gymnasium in Löbau sowie die Oberschule in Weißwasser sind die ersten, die in der Praxis davon profitieren können, berichtet jetzt die TU Dresden. Offizieller Start war mit diesem Schuljahr. Erziehungswissenschaftlerin Professor Anke Langner und Schulleiterin Maxi Heß haben jetzt die Schulen vor Ort besucht. Denn nun geht es los mit einer ersten Bestandsaufnahme. Was das Projekt "Schule bewegt Sachsen" beinhaltet und was es bringen soll.

Worum geht es?

Das Konzept von "Schule bewegt Sachsen" will die Schulen dabei unterstützen, neue Lernmethoden zu etablieren. Zum Beispiel: Weg vom Frontalunterricht hin zum sogenannten Projektlernen. Die Schüler sollen mehr selbstständig lernen, auch fächer- und jahrgangsübergreifend, heißt es dazu in einer Information der TU. Lehrer sollen die Kinder und Jugendlichen dabei eher begleiten, als den Lernstoff vorbeten und werden so entlastet. Ein zweiter Aspekt sind Lernbausteine. Das heißt, die Inhalte, was in dem Schuljahr in den einzelnen Fächern gelernt werden soll, sind festgelegt. Die Schüler können aber selbst entscheiden, wann sie den jeweiligen Lernbaustein bearbeiten. "Der eine fängt zum Beispiel mit dem Aufgabenbereich Geometrie an, weil ihm das mehr liegt, der andere mit Algebra", erklärt Maria Neuland Agüero. Wichtig ist: am Ende muss der Stoff sitzen.

Der dritte Baustein ist die Jugendschule. Auch das hat sich in Dresden schon etabliert. Dort gibt es ein Bildungszentrum in einer alten Ziegelei mit Werkstatt, Garten und eigener Küche. Die siebenten und achten Klassen verbringen dort regelmäßig eine Woche und arbeiten praktisch. Da werden Hochbeete bewirtschaftet, Gebäude renoviert, Werkzeuge hergestellt, eine Gruppe muss für alle kochen und mit dem Budget dafür auskommen.

Die Interessen der Jugendlichen stehen im Mittelpunkt. Die Erfahrung zeige: Was für die Schüler relevant ist, merken sie sich - und sie merken sich auch, wie sie es gelernt haben. "Das klappt in dem Alter nicht durchs Sitzen vor einer Tafel, sondern durch eigenes Handeln", so Maria Neuland Agüero, beim Schulversuch Universitätsschule zuständig für Öffentlichkeitsarbeit.

Das Konzept der Universitätsschule soll Schule insgesamt revolutionieren, so Neuland Agüero. An den teilnehmenden Schulen in Löbau und Weißwasser soll das jetzt Schritt für Schritt umgesetzt werden.

Wie werden die Lehrer darauf vorbereitet?

Das heißt auch für die Lehrkräfte, dass sie Neues lernen müssen. Dafür wird es spezielle Fortbildungen geben, erklärt Maria Neuland Agüero. An der Universitätsschule gibt es dafür monatlich die pädagogische Akademiet. Durchgeführt werden die Weiterbildungen aber auch einer Akademie in Bayern, die auf die Lehrerfortbildung spezialisiert ist. Neuland Agüero geht davon aus, dass die Lehrer aus Löbau und Weißwasser auch in der Universitätsschule hospitieren werden, um die innovativen Lernmethoden kennenzulernen.

An der Unischule in Dresden werden die neuen Lernformate erprobt und erforscht. Die Rückmeldungen von Lehrern, die dort schon involviert sind, seien sehr positiv, so Maria Neuland Agüero. Sie hätten mehr Freiräume, seien weniger Einzelkämpfer. Stressig sei das Erlernen der neuen Ansätze freilich auch. "Aber viele sehen das als positiven Stress und sind sehr motiviert." Ziel ist es nun, das aufs Land auszuweiten. Löbau und Weißwasser sind die Pioniere.

Wie soll das gegen Lehrermangel helfen?

Durch die neuen Methoden soll der Lehrerberuf wieder attraktiver werden. Mit dem Projekt kommen natürlich nicht konkret mehr neue Lehrer an die Schulen, stellt Maria Neuland Agüero klar. Ziel ist es vielmehr, Lehramtsstudenten und Absolventen, die sich für solche modernen Lernmethoden interessieren, auf die Region aufmerksam zu machen. Die Schulen werden dadurch interessanter als Arbeitsort. Das soll helfen, dass sich in Zukunft mehr Nachwuchs-Pädagogen für einen Job an einer dieser Schulen entscheiden.

Ronald Lindecke vom Kreiselternrat ist begeistert von dem Ansatz: "So wird der Lehrerberuf wieder zu einer Berufung." Und die jungen Lehrer würden durch mehr Praxisbezug direkt erfahren, was sie später im Schuldienst erwartet. Ihm erscheint die klassische Lehrerausbildung noch viel zu theoretisch. Die Lehrer müssten schon im Studium viel mehr mit Kindern arbeiten.

Dazu sollen Lehramtsstudenten in Zukunft auch mehr Gelegenheit haben, geht es nach der Idee von "Schule bewegt Sachsen". An der Universitätsschule in Dresden könnten sich Studenten neben längeren Praktikumsblöcken etwa auch bei den Ganztagsangeboten einbringen und ein GTA leiten, berichtet Maria Neuland Agüero. Das geschieht dann auf Honorarbasis. Wenn die Studenten so Zeit an den Schulen verbringen und dafür auch noch entlohnt werden, erzeuge das schon eine starke Bindung.