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Kreis Görlitz: Schüler sollen einen Tag pro Woche in Firmen lernen

Drei Unternehmerverbände aus Niesky, Görlitz und Zittau haben einen Vorschlag präsentiert, damit weniger Unterricht ausfällt und die Azubi-Suche besser klappt.

Von Anja Beutler
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Schüler sollen so zeitig wie möglich zu Praktika in die Wirtschaft - das fordern die drei Unternehmerverbände im Kreis Görlitz.
Schüler sollen so zeitig wie möglich zu Praktika in die Wirtschaft - das fordern die drei Unternehmerverbände im Kreis Görlitz. © dpa Deutsche Presse Agentur/Symbolbild

Nicht nur jammern, sondern endlich etwas tun, etwas Konkretes vorschlagen und anpacken. Mit dieser Prämisse haben sich die drei Unternehmerverbände im Landkreis Görlitz mit Unterstützung der Sparkasse zu einer Kooperation zusammengetan - und wollen bei ihrer ersten Aktion gleich dicke Bretter bohren. Gemeinsam mit dem Kreiselternrat Görlitz - und vor allem dessen Vorsitzenden Ronald Lindecke - wollen sie zwei Dinge anpacken: Auf der einen Seite den wachsenden Stundenausfall an Schulen, auf der anderen Seite das Problem der Unternehmen, Schulabgänger für eine Ausbildung oder Lehre in ihre Unternehmen zu locken. Die Lösung sollen dauerhafte Praxistage einmal pro Woche in Unternehmen bieten.

Wie sollen die Praxistage funktionieren?

Das Konzept, Schüler in die Unternehmen zu bringen, ist nicht neu. Schon zu DDR-Zeiten gab es mit dem PA-Unterricht dergleichen. Damit habe das Konzept aber absolut nichts zu tun, betonten Roland Jäkel vom Unternehmerverband Niederschlesien sowie Sebastian Herzog vom Allgemeinen Unternehmerverband Zittau und Umgebung. Gedacht sei, Praxistage einmal pro Woche in Oberschulen und Gymnasien von der siebten bis zur neunten Klasse anzubieten. Jeder Schüler bewerbe sich jeweils für ein Halbjahr auf einen der Plätze, den die teilnehmenden Unternehmen anbieten. Auf diese Weise lernten die Schüler nicht nur die Unternehmen, Berufsbilder und Arbeitsabläufe intensiv kennen, sondern auch, warum Englisch, Mathe und Chemie ganz praktisch so wichtig für ihre Zukunft sind, skizzieren Verbände und Kreiselternrat.

Welchen Vorteil hätten Schulen?

Für die Schulen würde sich der Vorteil ergeben, dass weniger Ausfall zu Buche stünde - beziehungsweise die nicht abgehaltenen Unterrichtsstunden ganz praktisch und sinnvoll genutzt werden könnten. Anhand der Altersstruktur von Oberschul- und Gymnasiallehrern in der Region prognostizierte Kreiselternrat Ronald Lindecke in diesem Zusammenhang eine zunehmend lückenhafte Stundentafel in den Schulen. Die Zeit, Schüler einen Tag pro Woche im Unternehmen zu bilden, wäre da. Dabei gehe es nicht um billige Arbeitskräfte für die Firmen: Die Praxistage sollen als Unterricht zählen, wobei das "praktisch Erfahrene mit den Lernhinhalten fächerübergreifend verbunden" werden solle, heißt es in dem Konzept. Da in diesem Fall beide Seiten aufeinander zugehen sollen, wäre der Aufwand für alle Seiten geringer als jetzt. Lehrer, die dieses Projekt begleiten, bräuchte es aber dennoch. Auch die eigentlich fehlenden Fachstunden kompensiert das Programm natürlich nicht.

Sie kooperieren (von links): Roland Jäkel vom Unternehmerverband Niederschlesien, Ronald Lindecke, Vorsitzender des Kreiselternrates Görlitz, Silke Donat vom Allgemeinen Unternehmerverband Görlitz und Umgebung, Grit Fugmann, Vorstandsmitglied der Sparkass
Sie kooperieren (von links): Roland Jäkel vom Unternehmerverband Niederschlesien, Ronald Lindecke, Vorsitzender des Kreiselternrates Görlitz, Silke Donat vom Allgemeinen Unternehmerverband Görlitz und Umgebung, Grit Fugmann, Vorstandsmitglied der Sparkass © SZ/Anja Beutler

Können die Unternehmen das stemmen?

Davon gehen die Unternehmerverbände aus, auch wenn sie aktuell keine Zahlen oder Listen zu teilnehmenden Firmen haben. Abgesehen davon blieb zunächst offen, wie viele Praktikumsplätze bei einem flächendeckenden Angebot im Kreis nötig wären. Roland Jäkel vom nördlichsten der drei Unternehmerverbände ist trotzdem optimistisch, dass es - wie schon in den 1990er-Jahren, als er schon einmal zu solchen Dingen Gespräche geführt habe - genügend Unternehmen gebe. Ein solcher Praxistag pro Woche sei zu stemmen, auch wenn in vielen Unternehmen die Personaldecke knapp sei. Dieser Punkt ist nicht unwichtig, denn prinzipiell sollen alle Firmen unabhängig von ihrer Größe und der Branche die Chance haben, mitzumachen. Unternehmen, die ohnehin ausbilden, verfügten bereits über geeignetes Personal, teilweise könnten Azubis die Betreuung der Schülerpraktikanten übernehmen, erklärte in diesem Zusammenhang Roland Jäkel.

Wann kann das Angebot starten?

Im Grunde sofort, betonen die Unternehmerverbände, zu denen neben dem Niederschlesischen und dem Zittauer auch der Allgemeine Unternehmerverband Görlitz und Umgebung gehört. Sie räumen aber ein, dass es nicht primär darum geht, einzelne Schulen zu finden. Ihnen schwebt vor, dass der Kreis Görlitz zur Modellregion ernannt wird, um den Praxistag flächendeckend auszurollen. Dazu bedarf es des politischen Willens, betont Ronald Lindecke, der für das Konzept nach eigenen Angaben mit der TU Dresden zusammengearbeitet hat. Daher sei das nächste Ziel, betont Sebastian Herzog, diesen Vorschlag publik zu machen, um Unterstützung zu bekommen. Erste Kontakte mit dem Kultusministerium habe es dazu bereits gegeben.

Was sagt der Freistaat dazu?

Im Kultusministerium in Dresden begrüße man "die Initiative der Unternehmerverbände durchaus", erklärt Sprecher Dirk Reelfs auf SZ-Nachfrage. "Schulen können bereits jetzt in pädagogischer Eigenverantwortung einen Praxistag in der Woche organisieren. Das ist auch schon bei einigen Schulen in Sachsen gelebte Praxis", fügt Reelfs an. Leider scheiterten Initiativen der Schulen oft daran, dass sich keine verlässlichen Partner in der Wirtschaft finden ließen. Das könnte sich mit dem Vorstoß der Unternehmerverbände verbessern.