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Moritzburger Grundsteuerrebellen finden Gleichgesinnte in Karlsruhe

Das sächsische Raumordnungsministerium sieht keine Planungsfehler bei der Grundsteuererfassung. Die Hoffnung der zu Unrecht Besteuerten ruht jetzt auf dem Ministerpräsidenten. Aus Baden-Württemberg meldet sich Unterstützung.

Von Ulf Mallek
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Eichen und viel nasses Laub: Konrad Oeser aus dem Moritzburger Ortsteil Friedewald soll für dieses Land, das vom Finanzamt mit 281 Euro pro Quadratmeter bewertet wurde, jetzt 800 Euro Grundsteuer statt wie bisher 160 Euro bezahlen. Dagegen rebelliert er.
Eichen und viel nasses Laub: Konrad Oeser aus dem Moritzburger Ortsteil Friedewald soll für dieses Land, das vom Finanzamt mit 281 Euro pro Quadratmeter bewertet wurde, jetzt 800 Euro Grundsteuer statt wie bisher 160 Euro bezahlen. Dagegen rebelliert er. © Foto: SZ/Veit Hengst

Vielleicht, so dachte es sich der Moritzburger Ober-Grundsteuerrebell Torsten Küllig, liegt das ganze Dilemma mit seiner überhöhten Steuer ja an der Raumordnung? Vielleicht kann das Finanzamt gar nichts dafür, dass er bald statt 40 Euro bis zu 2.500 Euro Grundsteuer im Jahr bezahlen muss. Auch der Gutachterausschuss, der sein Grundstück bewertet hat, ist nicht schuld, sondern es liegt möglicherweise am Raumplanungsinformationssystem (Rapis) des Freistaates?

Sein großes Problem ist diese Frage: Warum wird denn sein Gartenland in zweiter Reihe der Moritzburger Schlossallee mit einem Wert von etwa 8 Euro pro Quadratmeter als baureifes Land ausgewiesen und soll plötzlich 308 Euro wert sein? Nur auf dem Papier.

Doch das Raumordnungsministerium sieht da keinerlei Fehler. "Im Liegenschaftskataster wird die zum Zeitpunkt der letzten Erhebung vorgefundene tatsächliche Inanspruchnahme der Flächen als Nutzung dargestellt. Aus der Darstellung im Liegenschaftskataster lassen sich keine Aussagen zur bauplanungsrechtlichen Situation und zur Bebaubarkeit eines Flurstücks bzw. Flurstückteils ableiten", heißt es aus dem Ministerium. Die Bodenrichtwertzonen und die Angaben zur Nutzung im Liegenschaftskataster sind alle korrekt. Rapis ist eine Auskunftskomponente des digitalen Katasters.

Und auch das Raumordnungsministerium kommt wieder auf den bekannten Punkt des neuen Grundsteuergesetzes: "Der Bundesgesetzgeber hat entschieden, den für die Zone geltenden Bodenrichtwert für alle in der betreffenden Zone liegenden Grundstücke für die Ermittlung der Grundsteuerwerte zu verwenden." Küllig kommentierte die Bewertung des Ministeriums sarkastisch: "Obwohl ich als Verwaltungsfachmann das Amtsschimmelreiten wahrlich handwerklich gelernt habe, ist das hier Amtsschimmel-Military- und Amtsschimmel-Dressurreiten in Kombination."

Petition zur Grundsteuer abgewiesen

Schon vor den Moritzburger Grundsteuerrebellen haben vier sächsische Petenten versucht, ihr überteuert festgeschriebenes Land neu bewerten zu lassen. Vergeblich. Die Petition an den Sächsischen Landtag wurde abgewiesen. Die Begründung ist die gleiche wie immer: Dem Gesetzgeber sei bei der Regelung des pauschalen Ansatzes von Bodenrichtwerten ohne Berücksichtigung individueller Umstände durchaus bewusst, dass damit für eine Vielzahl von Grundstücken Unschärfen für das einzelne Grundstück verbunden sein können. Doch das sei nötig, um ein Massenverfahren wie die Grundsteuerwertermittlung überhaupt praktisch umsetzbar zu machen. Es ist bewusst kein Nachweis eines individuellen Wertes vorgesehen.

Genau das sei aber nicht verfassungskonform, sagen die Moritzburger Grundsteuerrebellen und schrieben das auch in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten. Sie erhalten Unterstützung vom Heidelberger Finanz-Professor Gregor Kirchhof, der das in einem Gutachten sogar nachwies. Die Moritzburger Rebellen fordern jetzt den Ministerpräsidenten auf, bei sehr krassen Abweichungen eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, um die gröbsten Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Eine Antwort steht noch aus.

Zu den Rebellen gehört Konrad Oeser aus dem Moritzburger Ortsteil Friedewald. Der 74-Jährige soll für rund 4.200 Quadratmeter mit viel Bäumen statt bisher 160 Euro im Jahr künftig vermutlich um die 800 Euro Grundsteuer zahlen, da sein gesamtes Grundstück nun mit einem hohen Bodenwert von 281 Euro pro Quadratmeter bewertet wurde. Das sieht er nicht ein.

"Die heiligen Kühe in unserem Bundesland"

Die Moritzburger Rebellen haben jetzt Mitstreiter über Landesgrenzen hinweg gefunden, in Baden-Württemberg. Winfried Birke aus Karlsruhe kämpft ebenfalls um die Neubewertung seines Grundstücks. Es wurde, obwohl es über die Hälfte aus Gartenland besteht, mit 520 Euro pro Quadratmeter eingestuft.

Dagegen kämpft Birke an. Sein Briefwechsel mit Ministern und Behörden füllt inzwischen ganze Ordner. „Die heiligen Kühe in unserem Bundesland sind die Gutachterausschüsse“, sagt er den Badischen Neuesten Nachrichten. Denn die kommunalen Gutachterausschüsse legen die Bodenrichtwerte für ganze Wohngebiete fest. Und an deren Quadratmeter-Preisen können die Eigentümer nicht so leicht rütteln.

Aber immerhin geht es - anders als in Sachsen - irgendwie doch. Baden-Württemberg nutzt nicht das Bundesmodell für die Grundsteuererhebung, sondern ein eigenes. Immerhin können die Eigentümer gegen die Bodenrichtwerte Einspruch erheben, zwar nicht direkt, aber mit einem Gegengutachten. Das sie allerdings bezahlen müssen. Und das sehen Birke und seine Mitstreiter nicht ein. Einer von ihnen hat sogar ein Einspruchsverfahren zum Grundsteuerwertbescheid in Sachsen laufen. Birke: "Bei der Grundsteuer raucht es gewaltig in allen Bundesländern."

Für Torsten Küllig aus Moritzburg, der bereits Kontakt zu Birke aufgenommen hat, sind das in Baden-Württemberg aber bessere Bedingungen als hierzulande. "Wir setzen unsere Hoffnung jetzt in unseren Vorschlag an den Ministerpräsidenten."