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Eine Generation, die auf ihren Führerschein warten muss

Der Chef einer Meißner Fahrschule erklärt, wieso es immer teurer und langwieriger wird. Teilweise lassen sich Fahrschüler impfen, um wieder Stunden zu nehmen.

Von Marvin Graewert
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Bei Bert Eichhorn, Geschäftsführer der Fahrschule AGK, hat sich mittlerweile ein ganzer Container voll mit Unterlagen von Fahrschülern angesammelt, die ungeimpft ihre Ausbildung nicht anfangen oder fortsetzen können.
Bei Bert Eichhorn, Geschäftsführer der Fahrschule AGK, hat sich mittlerweile ein ganzer Container voll mit Unterlagen von Fahrschülern angesammelt, die ungeimpft ihre Ausbildung nicht anfangen oder fortsetzen können. © Claudia Hübschmann

Meißen. Früher hielten Bert Eichhorns Fahrschüler bereits nach drei Monate ihren Führerschein in der Hand. Jetzt dauert es selbst im Idealfall zwischen sechs und acht Monaten: Erst verzögerte ein coronabedingtes Berufsverbot die Ausbildung. Seitdem habe sich alles aufgestaut – vor allem bei der Prüfungsstelle: "Bei der Dekra war es sowieso schon schwierig Termine zu bekommen", berichtet Eichhorn. Seitdem müsse noch sehr viel länger auf den nächsten freien Termin gewartet werden.

Ein Jahr ist also schnell verstrichen und damit auch der Zeitraum, nachdem die abgelegte Theorieprüfung normalerweise verfallen würde. Damit nicht besonders viele Fahrschüler wieder von vorne anfangen müssen, verlängern sich die Fristen in der Pandemie jeweils um ein halbes Jahr.

Dabei steht Eichhorn als Inhaber der Fahrschule AGK direkt am Bahnhof Meißen vergleichsweise gut da. Er hat den Vorteil, dass er die angesammelten Anmeldungen im Meißner-Hauptstandort auf vier Fahrlehrer verteilen kann. Seine Kurse im Sommer sind trotzdem schon voll ausgebucht. Einmann-Einfrau-Unternehmen könnten den geballten Ansturm noch viel schlechter bedienen. Das galt zumindest, als Ungeimpfte noch Fahrstunden nehmen durften.

Jeder Dritte muss aussetzen

Seit auch für Fahrschulen die 2G-Regel gilt, gibt es sogar wieder freie Fahrstunden. "Wir haben zwar immer noch genug zu tun, aber etwa ein Drittel unserer Schüler ist deshalb weggefallen", sagt Eichhorn seufzend, während er einen Container prall gefüllt mit etwa sechzig Anmeldungen unter dem Schreibtisch hervorholt. Alles Unterlagen von Fahrschülern, die ungeimpft ihre Ausbildung nicht anfangen oder fortsetzen können. In acht Jahren als Chef der Fahrschule AGK hat Eichhorn so etwas noch nicht erlebt: "Es ist eher so, dass die Branche nach Fahrlehrern sucht", sagt der 45-Jährige, dem es schon davor bangt, was passiert, wenn die aufgestauten Fahrschüler auf die regulären Anmeldungen obendrauf kommen.

"An Fahrschülern mangelt es nicht - die geburtenschwachen Jahrgänge sind vorbei - und gleichzeitig gibt es immer weniger Fahrschulen", so der Fahrlehrer. Schon vor Corona hatten alle Fahrschulen voll zu tun. "Derzeit sind wir stark eingeschränkt, sobald Ungeimpfte wieder fahren dürfen, wird sich auch bei uns wieder alles aufstauen", sagt Eichhorn. "Und das wird auf einen Schlag kommen." Gleichzeitig würde die Dekra mit Prüfungen überschwemmt werden - die sind paradoxerweise auch aktuell noch unter der 3G-Regel möglich. Allerdings eher theoretisch – denn ohne Fahrstunden keine Fahrprüfung.

Wieder von vorne anfangen

Zumal fraglich sei, wie viel von der ersten Fahrpraxis nach der Zwangspause noch übrig sei: "Wer zum Beispiel zehn Fahrstunden gemacht hat und jetzt aufgrund des Impfstatus nicht weiter ausgebildet werden darf, fängt eigentlich wieder von vorne an", prophezeit Eichhorn. Für die Fahrschüler könnte das richtig teuer werden. "Für uns ist das so unzufriedenstellend, weil wir nichts dagegen tun können", sagt Eichhorn. Ein weiteres Problem sei, dass die Anerkennung des Genesenenstatus auf drei Monate verkürzt wurde. Für viele Fahrschüler werde es auf einmal richtig eng. "Teilweise lassen sich Fahrschüler impfen, nur damit sie ihre Ausbildung fortsetzen können", so Eichhorn. Denn ein Pkw-Führerschein wird bei vielen Ausbildungen vorausgesetzt.

Bert Eichhorn würde sich deshalb eine 1G-Regel wünschen. Also alle Schüler vor der Fahrstunde zu testen, ganz unabhängig vom Impf- oder Genesenenstatus: "Das wäre für uns das Sinnvollste, zumal wir Schüler haben, die regelmäßig in der Schule getestet werden. Eine Zeit lang wurde es ja auch so gehandhabt und in Brandenburg läuft es immer noch so." Wer zur Ausübung seines Berufs einen Führerschein braucht, kann zwar mit einer Bestätigung des Arbeitgebers weiterhin Fahrstunden nehmen – auch ungeimpft und mit tagesaktuellem Test. Aber eben nicht, wenn sich erst auf diesen Job beworben wird. Das gilt auch für minderjährige Fahrschüler, denn im Gegensatz zum Amateur- und Freizeitsport wurde die Altersgrenze von 16 nicht auf 18 Jahre angehoben. Das heißt, Schüler unter 16 Jahren dürften ungeimpft einen Theoriekurs beginnen, dann aber nicht mehr fortführen.

Führerschein ab 16 Jahren?

Ein weiterer Punkt, wieso es in den nächsten Monaten in seiner Fahrschule voll werden könne, ist ein Vorstoß der neuen Bundesregierung, die den Führerschein ab 16 Jahren - mit Begleitperson auf dem Beifahrersitz - ermöglichen will. Eichhorn hält das mit Blick auf die Unfallstatistik für eine gewagte Idee: "Wir denken, dass Jugendliche mit 16 Jahren noch nicht so weit sind." Das begleitete Fahren an sich sei eine super Sache – nur nicht mit 16.

Die Fahrschule AGK ist telefonisch über die 03521 71 00 95 erreichbar.