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Hebelei: Hochwasser verhindert zweites Weihnachtswunder

Viele Freiwillige halfen bei der Evakuierung des Elbetierparkes. Betreiber Sven Näther ist erfreut und dankbar, wegen einer anderen Sache aber entsetzt.

Von Jürgen Müller
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Sven Näther mit einer seltenen, vom Aussterben bedrohte Pommernente. Auch diese konnte vor den Fluten gerettet werden.
Sven Näther mit einer seltenen, vom Aussterben bedrohte Pommernente. Auch diese konnte vor den Fluten gerettet werden. © privat

Er sprach von einem Weihnachtswunder, Sven Näther, der Betreiber des Elbetierparkes Hebelei. Gemeint war damit, dass es zahlreiche Geld- und Sachspenden gab. Nur durch deren Hilfe konnte der Tierpark sein Überleben bis Jahresende sichern. Und er hoffte auf ein zweites Wunder. Darauf, dass über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel möglichst viele Besucher ihre Schritte in den Tierpark lenken und dringend benötigte Eintrittsgelder hereinkommen.

Doch das zweite Weihnachtswunder fiel aus. Das Wetter, der viele Regen und das damit verbundene Hochwasser machten einen dicken Strich durch die Rechnung, ließen alle Hoffnungen dahinschmelzen wie das Tauwetter den Schnee Anfang Dezember.

Bereits einen Tag vor Heiligabend hatte die Gemeinde Diera-Zehren Hochwasseralarm ausgerufen. Hochwassergefährdete Bereiche wie der untere, direkt an der Elbe gelegene Teil des Tierparks, wurden vorsorglich gesperrt.

Solche Höllenweihnacht noch nie erlebt

Doch mit der Sperrung war es nicht getan. Natürlich mussten auch die Tiere, die sich dort befanden, evakuiert und in Notquartiere gebracht werden. Betroffen waren Pferde, Esel, Rind und Schafe. "Viel aufwändiger war aber die Bergung von Kleintieren wie Hühnern, Enten, Gänsen. Wir haben am Heiligabend bis in die Nacht gearbeitet", sagt Sven Näther.

So hatte er sich diesen Abend nicht vorgestellt. "Ich habe in über 30 Jahren Tierpflege immer zu Weihnachten gearbeitet, aber so eine Höllenweihnacht habe ich noch nie erlebt", sagt Sven Näther. Zwar müssten die Tiere auch an solch einem Tag versorgt werden, aber an derartigen Feiertagen ist es üblich, das die Pfleger vorarbeiten, damit zeitiger Feierabend gemacht werden kann, um bei Familie und Freunden zu sein. Das war in diesem Jahr nicht drin.

Tiere des Elbetierparkes Hebelei mussten über Weihnachten im Hochwasserschutzquartier zusammenrücken.
Tiere des Elbetierparkes Hebelei mussten über Weihnachten im Hochwasserschutzquartier zusammenrücken. © privat
Schilder und Wertgegenstände im Elbetierpark Hebelei wurden durch den Sportangelverein Riesa geborgen.
Schilder und Wertgegenstände im Elbetierpark Hebelei wurden durch den Sportangelverein Riesa geborgen. © privat

Die Mitarbeiter des Bauhofes Diera-Zehren halfen bei der Bergung des Tierparktraktors, da dieser nicht anspringen wollte und sich auf der Futterwiese direkt an der Elbe festgesetzt hatte. "Bis zu diesem Zeitpunkt glaubten noch die meisten an der Elbe lebenden Menschen, es würde sich um ein kleineres, gewöhnliches Hochwasser handeln. Doch die rasante Erhöhung des Pegels von acht Zentimetern pro Stunde machte enorme Sorgen. Da in Schöna bereits eine mittlere Gefährdung vorlag und es ununterbrochen vom Himmel schüttete, leiteten wir die Evakuierung ein", so der Tierparkchef.

Heilige wird zur unruhigen Nacht

Bereits am 23. Dezember wurden alle Mitarbeiter, die freihatten und verfügbar waren, informiert, das sie sich bereithalten müssen, falls eine Evakuierung ansteht. Und so verbrachten die Mitarbeiter und Helfer des Elbetierparks Hebelei Weihnachten nicht unterm Weihnachtsbaum, sondern versuchten, im strömenden eiskalten Regen die Tiere zu bergen, sagt Näther.

Anwohner aus der Hebelei und Bürger aus dem Käbschütztal halfen dabei, als sie davon hörten, und so konnten an diesem Tag alle Kleintiere in ein von Diera-Zehrens Bürgermeisterin Carola Balk (parteilos) initiiertes Hochwasserschutzquartier gebracht werden, welches erst 2022 genau für diese Situation fertiggestellt wurde und nun zum ersten Mal zum Einsatz kam, erzählt er weiter. In diesem Quartier gibt es acht Boxen und zwei Käfige, in welche die Tiere bei Hochwassergefahr einziehen können. "So wurde die Heilige Nacht zu einer unruhigen Nacht, in der der Blick immer auf den Pegel gerichtet war", sagt er.

Am ersten Weihnachtsfeiertag konnte die Evakuierung der Großtiere abgeschlossen werden. Hierbei halfen Bürger aus Dresden, dem Käbschütztal, Riesa, Meißen und Boritz. Eine Nachtwache wurde eingerichtet, um den Pegel und die Tiere in den Notquartieren zu überwachen. Am 26. Dezember wurden alle Sach- und Wertgegenstände zu evakuiert. Unterstützt wurden der Tierpark dabei vom Sportangelverein Riesa, Bürgern aus Meißen und einer Fluthelferin aus der Ukraine. "Bis jetzt ist in den Elbetierpark kein Wasser eingedrungen. Wir hoffen, dass es so bleibt und die Pegel nicht wieder steigen", sagt Sven Näther.

Trotz allem hatte und hat der Tierpark geöffnet. Einige Tiere sind in den angestammten Bereichen, anderen können in Notquartieren besucht werden. Der Andrang hielt sich aber auch über Weihnachten, nicht zuletzt wegen des Regenwetters, in äußerst engen Grenzen. "Nur sehr wenige haben sich zu uns verirrt. Erst am 27. Dezember, als die Sonne herauskam, wurde es etwas besser", resümiert Sven Näther.

Am Neujahrstag ist trotz der Situation der Neujahresempfang mit Neujahrsspaziergang mit Schaufütterung um 14 Uhr geplant. Jeder Gast erhält ein Glas Sekt gratis. Auch am 2. Januar finden um 11 und um 14 Uhr jeweils Neujahrsspaziergänge mit Tierfütterung statt. Bis zu diesem Tag möchte Sven Näther auch die Tiere wieder in ihre ursprünglichen Anlagen bringen.

Die Futtersituation hat sich etwas entspannt. "Dank der Geldspenden konnten wir jetzt die letzte Heurechnung bezahlen. Dieses Heu reicht für etwa drei Wochen", so der Betreiber.

Der schlimmste Satz zu Weihnachten

Kleiner werden die Sorgenfalten von Sven Näther aber nicht. Im Januar sind Zahlungen an die Versicherung fällig. Zudem kam es durch die Evakuierung durch das vorsorgliche Abmontieren von Schildern zu ungeplanten Materialkosten. Weil die Bodenhülsen zu fest in den Boden eingewachsen waren und das Holz gequollen war, mussten diese herausgebrochen werden. "Es müssten auch weitere Reparaturen gemacht und Investitionen getätigt werden. Aber dafür fehlt uns schlicht das Geld", so Sven Näther.

Geld fehlt auch für Tierarztkosten. Hier hat der Elbetierpark im Jahr 2023 gespart, wo es möglich war. So wurden nur die wichtigsten und vorgeschriebenen Impfungen durchgeführt. Unterstützung bei Notfällen gab es aber auch hier von einer Tierärztin. So hatte sich ein "Flaschenkind", ein kleines Heidschnuckenschaf, beim Milch trinken verschluckt. Einem Kater wurde ein Krebsgeschwür am Ohr entfernt. "Ich hoffe nur, dass es keine größeren Notfälle gibt, zum Beispiel ein Esel eine Kolik erleidet. Der müsste dann in eine Tierklinik nach Leipzig oder Nossen eingeliefert werden", macht sich Sven Näther Sorgen.

Er ist überwältigt von der großen Hilfe, nicht nur zu Weihnachten, sondern auch davor, hofft, dass diese Hilfe weiter anhält. "Allen Spendern, Helfern, Paten, Sponsoren und Gästen gilt unser herzliches Dankeschön - wir wünschen allen einen guten Start und ein friedliches neues Jahr 2023", sagt er.

Und ist zugleich entsetzt darüber, dass er und die Helfer von einigen Leuten bei den Evakuierungsarbeiten beschimpft und beleidigt wurden. "Der Satz, wir sollten doch einfach alles wegschwimmen lassen, war der schlimmste, den ich jemals zu Weihnachten gehört habe", sagt er traurig.

Wer den Elbetierpark Hebelei helfen möchte, kann diesen mit einer Verlängerung von Patenschaften oder Geldspenden unterstützen. Spenden für den Elbepark Hebelei unter
IBAN: DE04 8505 5000 3100 0050 65, BIC: SOLADES1MEI, Sparkasse Meißen,
Verwendungszweck: Hilfe für den Tierpark.