Meißen
Merken

Breakdance in der DDR: Das Rumgehampel in der Meißner Altstadt

Er ist dienstältester Breakdancer im Osten der Republik: Heiko "Hahny" Hahnewald aus Meißen steht mit 55 Jahren immer noch auf der Bühne, demnächst in Riesa. Ein Gespräch.

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Typische Hahny-Pose: Der Head-Freeze. Dieses Mal vor der Stadtbibliothek in Meißen.
Typische Hahny-Pose: Der Head-Freeze. Dieses Mal vor der Stadtbibliothek in Meißen. © Claudia Hübschmann

Meißen. Wie hast du die letzten beiden Pandemie-Jahre erlebt?

Kaum Shows, wenig Training. Vor allem die Zeit zwischen November 2020 und Mai 2021 war eine Katastrophe. Ich habe dann einfach mein Archiv weiter digitalisiert.

Archiv?

Ja, ich sammle seit den 80ern Jahren alles, wozu ich eine Verbindung habe – Breakdance-Stoff versteht sich. Darunter sind u. a. Plakate, Flyer, T-Shirts, Artikel und vieles mehr. Anhand der Stücke merkt man gut, wie sich die Szene über Jahrzehnte entwickelt hat. Es sind inzwischen auch über 40.000 Bilddateien zusammengekommen.

Klingt nach genügend Material für eine Ausstellung...

Ich habe schon in der Vergangenheit Exponate zur Verfügung gestellt, u. a. für eine Ausstellung in Russland. In zwei Jahren ist mein 40. Bühnenjubiläum. Das wäre vielleicht eine gute Gelegenheit. Seit einiger Zeit bin ich in einem Zeitzeugenprojekt der Friedrich-Ebert-Stiftung und erzähle dort Kindern und Jugendlichen von Hip-Hop in der DDR.

Wie kam diese neue Kultur damals überhaupt in die DDR und vor allem nach Meißen?

Übers Fernsehen. In Regionen mit gutem Westempfang, wie zum Beispiel Magdeburg und Berlin, waren Sendungen über Hip-Hop und Breakdance zu sehen. Von dort schwappte recht schnell eine regelrechte Welle durchs Land. Die Gebrüder Bennewitz waren die ersten, die Breakdance in Meißen tanzten.

Wo?

Am Stadtmuseum gab es damals einen Durchgang, wo wir tanzten. Auch gegenüber –neben dem heutigen Buchladen – wurde gebreakt. Der Meißner Bahnhof oder auf der Prager Straße in Dresden waren um 1984/85 beliebte Orte, wo wir uns aufhielten.

Und die Musik?

Das war wirklich schwierig. Es gab Kumpels, die Titel im Westradio aufgenommen haben. Oftmals wurde von Kassette zu Kassette überspielt. Ich habe mal einem DJ ein Maxell-Tape für 50 Ostmarkt abgekauft. Das war dann immerhin eine Chromdioxid-Kassette, die qualitativ viel besser als die einfachen Eisen-Kassetten war.

Ihr seid einer westlichen Lebensweise mitten im Osten nachgegangen. Gab's Ärger?

Nicht direkt. Man wurde manchmal von Plätzen weggeschickt. Von staatlicher Seite hatte man das Treiben mehr oder weniger argwöhnisch beobachtet. Es gab natürlich Bestrebungen, die ganze Szene an bestimmte Orte zu lenken, um mehr Kontrolle darüber zu haben. 1984 wurden schon erste Meisterschaften in der DDR veranstaltet. Ich konnte 1987 allein und ein Jahr später mit der Crew den Titel holen. Das war schon cool.

Wie gings bei dir weiter?

Ich bin 1990 nach Stuttgart gezogen und dort tief in die HipHop-Szene eingetaucht. Ich habe viel gelernt und konnte einen Haufen Kontakte knüpfen. Als ich 1994 wieder in Meißen war, haben wir uns neu formiert. Aus "Hahnys Break Crew" wurden die "Skyliners", eben jene Crew, die bis heute Shows auf die Beine stellt. Zu den Events kamen später Schulprojekte, Workshops und Jobs als Wertungsrichter.

Australien, Indien oder USA: Du machst überall auf der Welt einen Kopfstand. Warum?

Viele Tänzer haben einen sogenannten Signature Move, eine individuelle Bewegung als persönliches Markenzeichen. Die Idee dahinter ist simpel. Man will beim Publikum in Erinnerung bleiben. Ich habe eben den Head-Freeze, einen Kopfstand mit angewinkelten Armen – meistens vor einer tollen Kulisse.

Klappt der immer?

Nein. Auf einer Wegsäule in Irland hat er nicht funktioniert. Es war eine traumhafte Landschaft, aber extrem windig. Das Foto wäre sicher gut geworden. Im März 2020 habe ich einen Corona-Freeze auf dem Meißner Markt probiert. Der Kopfstand auf einem Sixpack des gleichnamigen Biers hat nur für den Bruchteil einer Sekunde geklappt. Danach sind die Flaschen zerbrochen. Das hätte schlimm ausgehen können.

Was hat Breakdance, um Jahrzehnte dabeizubleiben?

Es ist ein Tanzsport, der unglaublich viele Einflüsse vereint. Elemente aus verschiedensten Tanzstilen, diversen Kampfsportarten und der Akrobatik sind enthalten. Du kannst zudem wahnsinnig kreativ sein und bist immer völlig frei, weil es keine Regeln gibt. Manche erzählen Geschichten, andere sind eher künstlerisch unterwegs. Nicht zu vergessen: Man bewegt sich außerdem in einer Community mit einem tollen sozialen Umfeld. Demnächst ist Breakdance sogar olympisch.

Echt?

Ja. Ab 2024 steht es bei den Olympischen Spielen in Paris zum ersten Mal auf dem Programm. Im sächsischen Landesstützpunkt in Dresden laufen schon die Vorbereitungen.

Deine nächsten Gigs?

Ich bin mit den Skyliners zur Laufmeile der DDV Mediengruppe am 30. April in Riesa zu Gast. Wir werden nicht nur eine tolle Show präsentieren, sondern auch einen Workshop mit den Kindern veranstalten und sie animieren, eine kleine Choreografie auf die Beine zu stellen. Am 7. Mai ist dann die Premiere von "The Legend of HipHop" in der Stadthalle "stern" – einer Show, an der sich auch Kinder der "Arche Meißen" beteiligen. Am 25. Juni heißt es in Meißen "Down To The Beat" beim großen Battle auf dem Markt.

Das Gespräch führte André Schramm