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Nach Böhmermann-Streit: Meißner Imker macht Schule

Deutschlands bekanntester Imker war zu Besuch an einer Meißner Schule. Es ging um Bienen, Barbra Streisand - und Jan Böhmermann.

Von Andre Schramm
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Imker Rico Heinzig beim Klimaschultag in der Freien Werkschule.
Imker Rico Heinzig beim Klimaschultag in der Freien Werkschule. © Schramm

Meißen. Nur eine Handvoll Schüler und ein paar Lehrerinnen haben sich in den Klassenraum unter dem Dach der Freien Werkschule verirrt. Vor ihnen sitzt Michael Klarfeld. Der Kunst- und Englischlehrer hat sich einen besonderen Gast zum Klimaschultag eingeladen. "Das wissen viele vielleicht nicht, doch der Rico ist unserer Schule eng verbunden, und inzwischen ziemlich bekannt", sagt er.

Gemeint ist Rico Heinzig, und der sitzt gleich daneben. Am Whiteboard hinter ihm sind zwei Werbeplakate zu sehen: Die Version mit Jan Böhmermann samt Beewashing Honey und die entschärfte Variante für den "Cancel Culture Honig". Auf Letzterem fehlt das Gesicht des Moderators.

"Meine beiden Jungs gehen auf die Werkschule", erklärt Heinzig. Dass er hin und wieder bei den Schulbienen hilft, sagt er auch. Er selbst ist Berufsimker seit 2011 und kümmert sich um rund 200 Bienenvölker im Elbtal. Man erfährt auch, dass er mal zwei Hotels in Dresden besessen hat, und sie 2018 – rechtzeitig vor Corona – verkauft hatte.

Ob jemand die Magazin Royal-Folge Anfang November 2023 gesehen habe, fragt er in die Runde. Niemand meldet sich. Zweite Frage: Wer kennt Jan Böhmermann? Die anwesenden Hände schnellen nach oben. Unerwartet: Der Imker beginnt mit einem Lob für seinen Kontrahenten. "Dass Jan Böhmermann das Thema Bienensterben in die Öffentlichkeit gebracht hat, ist ihm hoch anzurechnen", sagt Heinzig.

120.000 Kilometer für ein Kilo Honig

Ehrlicherweise muss man erwähnen, dass alles was folgte, sich nicht wirklich mit der Situation der Wildbienen beschäftigte, sondern eher mit dem Kampf "David gegen Goliath" und damit, ob man auf Satire mit Satire antworten darf. Heinzig will das Versäumnis nun nachholen, und zeigt die Unterschiede zwischen Honig und Wildbienen auf. Man erfährt, dass Wildbienen in wesentlich kleineren Völkern leben als Honigbienen, und dass sie Löcher in Erdböden oder alten Mauerwerken bevorzugen. Dass für ein Kilo Honig eine Flugstrecke von 120.000 Kilometer zurückgelegt werden muss, sorgt für staunende Gesichter im Publikum.

Zwar habe Böhmermann nicht unrecht, wenn er behaupte, dass die Zahl der Honigbienen zwischen 2012 und 2021 gestiegen sei, sagt Heinzig. Das Problem: Der Moderator habe eben sich genau diesen Zeitraum herausgesucht, damit die Message passt: Imker, die Bienenpatenschaften anbieten, machen businessmäßig Cash mit der Dummheit der Menschen, weil man jahrelang das Narrativ vom Bienensterben verbreitet hat.

"Geht man zurück bis in die 70er Jahre, dann zeigt sich ein anderes Bild. Sowohl Honig- als auch Wildbienen hatten eine größere Population als heute. Die Wildbienenbestände sind in den folgenden Jahrzehnten bis zu 75 Prozent eingebrochen", sagt der Imker. Schüler und Heinzig erarbeiten sich die Gründe: zunehmende Flächenversieglung, Düngung in der Landwirtschaft und Nahrungsmangel. Für die Honigbienen kam seit den 70ern noch die Varroamilbe erschwerend hinzu. Es entstand eine Bestäubungslücke. "Diese hätten die Wildbienen allein niemals schließen können", sagt Heinzig.

"Reiche Imker kenne ich nicht"

Angekommen beim Arbeitsalltag des Imkers. Ende April bis Mitte Juni hat der Imker Hochkonjunktur." Allein bei mir fallen 50 bis 60 Wochenstunden an. Am Ende steht das Glas Honig für sechs oder acht Euro im Laden. Reich wird man damit ganz bestimmt nicht. Ich persönlich kenne niemanden", sagt der Bienenmann. "Den Job macht man, weil man ihn liebt", schiebt er noch hinterher. Hätte ihn die ganze Böhmermann-Geschichte in der Bienensaison ereilt, wäre sie wahrscheinlich im Sande verlaufen. "Nach den ersten Presseanfragen im November kam mir dann die Idee mit dem Beewash-Honey", erzählt Heinzig.

Der Aufstrich entpuppte sich jedoch als Ladenhüter. Verkaufszahlen nach einer Woche: einstellig. "Ich dachte, die 150 Gläser müssten doch irgendwann ausverkauft sein", erinnert sich Heinzig. Der Anruf für die Nachbestellung kam nicht. Stattdessen aber Post von Böhmermann Anwälten. "Danach setzte der Barbra-Streisand-Effekt ein", erklärt der Imker. Ein Phänomen, bei dem man eine unliebsame Sache aus der Welt haben möchte, und dadurch genau das Gegenteil erreicht. Die namensgebende Schauspielerin wollte Anfang der 2000er Jahre Luftaufnahmen von ihrem Anwesen gerichtlich verbieten lassen. Erst durch ihre Klage wurde die mediale Aufmerksamkeit auf das bis dato unbekannte Foto gelenkt.

Eine Schülerin fragt nach den Konsequenzen der juristischen Auseinandersetzung? Heinzig sagt, dass seine Viermann-Firma nicht über unendlich viele Rücklagen verfüge. "Neben Geld kostet so ein Rechtsstreit natürlich sehr viel Zeit und Nerven. Ich hatte noch nie einen Prozess vor Gericht. Dann kommst du zur Verhandlung und die Zuschauersitze sind komplett mit Journalisten gefüllt. Da geht dir schon die Pumpe", sagt er. Finanziell ist er für den weiteren Prozessverlauf gut aufgestellt. Die Spendenkampagne steht zu diesem Zeitpunkt bei 72.000 Euro.

Im Zusammenhang mit den Spenden hatte Böhmermann zuletzt in seinem Podcast behauptet, dafür würde Geld in rechtsextremen Chats zusammengelegt. Für den Bienenmann ein klarer Fall von Framing – ein Mittel, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. "Mal abgesehen davon, dass er einen Beweis für seine Behauptung schuldig bleibt, habe ich genauso wenig Einfluss auf die Spender, wie Jan Böhmermann auf diejenigen, die seine Sendung bezahlen müssen", sagt Heinzig mit Blick auf die GEZ. Die Stunde ist nach 55 Minuten vorbei. Nicht für den Imker. Nach einem Schluck Wasser beginnt Runde zwei. Der Raum ist diesmal wesentlich voller. Runde zwei vor Gericht wurde unterdessen verschoben auf Ende Juni. Dann ist die Bienensaison vielleicht schon durch.