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Bietet Meißen angehenden Lehrern genug?

Tut Meißen ausreichend viel, um für angehende Lehrerinnen und Lehrer attraktiv zu bleiben? Sächsische.de hat bei den Referendarinnen und Referendaren in der Stadt nachgefragt.

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Manuel Reddig (l.) und Karl Laurinat (m.) absolvieren ihr Referendariat am Gymnasium Franziskaneum in Meißen. Carolin Gerber (r.) ist als Referendarin an der Arita-Grundschule tätig.
Manuel Reddig (l.) und Karl Laurinat (m.) absolvieren ihr Referendariat am Gymnasium Franziskaneum in Meißen. Carolin Gerber (r.) ist als Referendarin an der Arita-Grundschule tätig. © Claudia Hübschmann

Meißen. Am Franziskaneum sind Vorprüfungen. Das Obergeschoss ist abgesperrt, doch die beiden Referendare Manuel Reddig und Karl Laurinat ignorieren die Absperrung flugs und lassen sich in einem leeren Kunstraum zum Gespräch nieder. Laurinat und Reddig, 24 respektive 27 Jahre alt, befinden sich beide im dritten Halbjahr ihres 18 Monate dauernden Referendariats, stehen also kurz vor dem Abschluss.

Die Wege der beiden an das Meißner Gymnasium könnten unterschiedlicher kaum sein: Manuel Reddig stammt aus dem Harz und zog für das Bachelor-Studium der Physik nach Dresden, bevor er wegen der eigenen Freude am Vermitteln und der beruflichen Prekarität im akademischen Bereich auf ein Lehramtsstudium der Fächer Mathe und Physik umsattelte. Das Franziskaneum war seine Wunschschule für das Referendariat, nachdem er bereits eines der Blockpraktika hier absolviert hatte. Karl Laurinat hingegen machte sein Abitur am Franziskaneum und ist nun als angehender Lehrer für Deutsch und Kunst zurückgekehrt.

Beide pendeln von Dresden aus, oft mit der S-Bahn, bei Zeitdruck auch mal mit dem Auto. Die Fahrt nehmen beide als positiv wahr, so könne man morgens die Gedanken wegschieben und am Nachmittag mit dem Arbeitstag abschließen. Die Distanz zwischen Dresden und Meißen sei jedoch die Grenze, meint Manuel Reddig, weiter dürfte es für ihn nicht sein. Beide können sich jedoch vorstellen, nach dem Referendariat am Franziskaneum zu bleiben.

Wie ein Bällebad von unten

Die Stadt Meißen ist in einer seltsamen Position. Der Ort liegt gut angebunden am äußeren Rand des Speckgürtels der Großstadt Dresden, allerdings scheint auch diese Distanz für viele Pendler bereits grenzwertig zu sein. Gleichzeitig ist Meißen für das Referendariat nicht als Bedarfsregion ausgewiesen. Angehende Lehrerinnen und Lehrer, die ihr Referendariat in einer solchen Region mit pädagogischem Personalbedarf absolvieren, erhalten einen Bruttozuschlag von 1.000 Euro – wenn sie sich verpflichten, nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung für fünf Jahre an einer öffentlichen oder freien Schule im ländlichen Raum in Sachsen tätig zu sein.

Eine Karte der ländlichen Bedarfsregionen für das Referendariat in Sachsen. Angehende Lehrer erhalten in Meißen keinen Zuschlag.
Eine Karte der ländlichen Bedarfsregionen für das Referendariat in Sachsen. Angehende Lehrer erhalten in Meißen keinen Zuschlag. © SMK

Genügt das? Für Manuel Reddig zumindest wäre eine Bedarfsregion weit entfernt von Dresden wegen rein finanziellen Vorzügen nicht infrage gekommen. Sowohl er als auch sein Kollege Karl Laurinat profitieren in ihren gegenwärtigen Lebenssituationen vom Großstadtleben, wie Reddig es formuliert. Kommilitoninnen und Kommilitonen, die ohnehin aus den Gegenden kämen, nähmen den Bedarfsregion-Bonus gern an, um für das Referendariat in ihre Heimatregionen zurückzukehren. Doch Reddig und Laurinat sind unschlüssig, ob so längerfristig die Personallöcher gefüllt werden können.

In Lommatzsch griffen Schüler kürzlich zu kreativen Mitteln und suchten mit einer Luftballon-Aktion nach einem neuen Physiklehrer. Würden alle Schulen in Nöten so verfahren, sähe der Himmel über Deutschland wohl bald aus wie ein Bällebad von unten.

Teilzeitverträge und E-Ladesäulen

Eine bessere, unkomplizierte Anbindung könnte bereits helfen, überlegt Karl Laurinat, ebenso wie eine bessere Ausstattung. Und Heike Zimmer, Schulleiterin des Franziskaneums, pflichtet ihm bei: „Mit veralteter Technik oder an der Kreidetafel möchte heute kein junger Lehrer mehr arbeiten. WLAN muss selbstverständlich sein.“

Meißen habe hier in puncto Sanierung und moderner Ausstattung in den vergangenen Jahren den richtigen Weg eingeschlagen. Das sei auch mit Nachdruck des Stadtrates geschehen, betont Zimmer, die selbst für die CDU-Fraktion als Stadträtin agiert. Die enge Zusammenarbeit zwischen Familienamt, IT-Abteilung und den Schulen sei besonders förderlich gewesen, auch in der Umsetzung des Digitalpakts.

E-Ladesäulen gibt es am Franziskaneum noch nicht, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
E-Ladesäulen gibt es am Franziskaneum noch nicht, aber was nicht ist, kann ja noch werden. © Claudia Hübschmann

Doch auch das Franziskaneum spürt den Personaldruck. „Wir befinden uns seit einigen Jahren im Generationswechsel“, erklärt Schulleiterin Zimmer, die jährlich mehrere Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand verabschiedet. Um diese Lücken zu füllen, setzt das Gymnasium auf Nähe zu den Bewerberinnen und Bewerbern und Mentoring. Auch sei es wichtig, angehenden Lehrerinnen und Lehrern neben Annehmlichkeiten wie Teilzeitverträgen und Ladesäulen für E-Bikes und Elektroautos, die in künftige Schulhofpläne einbezogen werden müssen, auch Freiräume und Möglichkeiten zur Unterrichtsgestaltung und zur Weiterentwicklung der Schule zu bieten.

Zimmer spricht in diesem Zusammenhang von sprichwörtlichen „Wechselräumen“, in denen ein Kollege vor dem Ausscheiden aus dem Schuldienst seine Erfahrungen und sein Wissen an eine junge Kollegin weitergibt. „So geht das gewachsene berufliche Wissen nicht verloren, sondern wird mit neuen Ideen verknüpft“, erklärt die Schulleiterin weiter.

An der Arita-Grundschule in Meißen absolviert aktuell Carolin Gerber ihr Referendariat. Die Kunstlehrerin fühlt sich wohl an der neuen, modern ausgestatteten Schule.
An der Arita-Grundschule in Meißen absolviert aktuell Carolin Gerber ihr Referendariat. Die Kunstlehrerin fühlt sich wohl an der neuen, modern ausgestatteten Schule. © Claudia Hübschmann

Einige Bushaltestellen gen Osten, am Stadtrand von Meißen, steht die Arita-Grundschule, an der Carolin Gerber aktuell das zweite Halbjahr ihres Referendariats absolviert. Die 23-Jährige stammt aus Radeberg und ist vor zwei Jahren mit ihrem Freund nach Meißen gezogen, sodass sie nun mit dem Fahrrad zu ihrer Arbeitsstelle fahren kann. Die Arita-Grundschule wurde ihr für das Referendariat zugewiesen, ihre Wünsche waren Dorfschulen in Niederau und Käbschütztal. Doch mit der neuen und modern eingerichteten Arita-Grundschule ist die Kunstlehrerin nach eigenen Angaben total zufrieden. Die Lage am Stadtrand gefällt ihr, erklärt Gerber, und das kleine Kollegium ermögliche einen einfachen Austausch.

Einzig die lange Unterrichtsvorbereitung macht ihr noch zu schaffen. Ältere Kolleginnen und Kollegen hätten hier bereits eine Routine, die ihr noch fehle. Eine weitere Herausforderung seien DAZ-Kinder, als Schülerinnen und Schüler, die Deutsch als Zweitsprache erlernen. Doch die Integration funktioniere, freut sich Carolin Gerber, und die Entwicklung sei schön, zu sehen.

Die Triebischtal-Oberschule in Meißen. Hier lehren unter anderem Juliane Lux und Felix Gärtner, die beide erst vor relativ kurzer Zeit ihre Referendariate abgeschlossen haben.
Die Triebischtal-Oberschule in Meißen. Hier lehren unter anderem Juliane Lux und Felix Gärtner, die beide erst vor relativ kurzer Zeit ihre Referendariate abgeschlossen haben. © Daniel Schäfer

Juliane Lux und Felix Gärtner, die beide an der Triebischtal-Oberschule unterrichten, sind beide keine Referendare mehr. Mit 29 beziehungsweise 27 Jahren liegt die Ausbildung bei beiden jedoch noch nicht weit zurück. Tatsächlich gibt es an der Oberschule gegenwärtig überhaupt keinen Referendaren, doch die beiden sind der Meinung, dass sich diese Abwesenheit nicht bemerkbar macht, da die meisten Fächer relativ gut abgedeckt werden können.

"Wir können uns gut arrangieren"

Wie für Manuel Reddig ist der Fahrtweg für die beiden grenzwertig. Während des Referendariats pendelte der Deutsch-Geschichte-Lehrer Felix Gärtner von Dresden nach Meißen, während Juliane Lux, die Deutsch und Gemeinschaftskunde unterrichtet, von Moritzburg aus kam. Das sei aber auch der einzige Nachteil des Referendariatsstandortes Meißen. Als Vorteil sieht Gärtner unter anderem die digitale Ausstattung der Schulen. Beide sind sich einig, dass die Willkommenkultur der Triebischtal-Oberschule außerdem ein großes Plus ist.

Franziskaneum-Referendar Karl Laurinat freut sich über die kurzen Wege und Verbindungen in der Kleinstadt und nennt die unkomplizierte Kooperation zwischen Kunstverein und Schulen während der Musentage als Beispiel. Die Möglichkeiten einer Großstadt fehlten jedoch. Besuche in Galerien und Instituten sind für den angehenden Deutsch- und Kunstlehrer weitaus schwieriger zu organisieren, als dies für einen Kollegen in Dresden der Fall wäre.

Meißens Referendarinnen und Referendare scheinen alles in allem zufrieden zu sein. "Wir können uns gut arrangieren", meint auch Carolin Gerber von der Arita-Grundschule. Um jedoch weiter zu gewährleisten, dass angehende Lehrerinnen und Lehrer die Stadt nicht nur als Ausbildungsstandort, sondern auch als Arbeitsstelle in Betracht ziehen, müsse auch der politische Wille da sein, mahnt Franziskaneum-Schulleiterin Heike Zimmer. Sonst steigen womöglich auch bald über Meißen Luftballons auf, um bei der Suche nach einem neuen Englisch-Lehrer zu helfen.