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Milana aus Leipzig ist die neue Start-Stipendiatin in Meißen

Ihre Mutter ist Russin, ihr Vater Ukrainer. Seit letztem Jahr ist Milana am Sankt Afra Landesgymnasium in Meißen. Und einzige Start-Stipendiatin im Landkreis.

Von Beate Erler
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Milanas Lieblingsort ist die Bibliothek im Sankt Afra Gymnasium.
Milanas Lieblingsort ist die Bibliothek im Sankt Afra Gymnasium. © Claudia Hübschmann

Meißen. Heute Morgen war ein „Spezialfall“, sagt Milana Yarychkivskiy. Sie hat verschlafen und war nicht beim allmorgendlichen Frühkonzil in der Aula des Sankt Afra Landesgymnasiums. Jeden Morgen um 7.40 Uhr gibt es das 20-minütige Frühkonzil, bei dem ein Schüler über aktuelle Geschehnisse aus der Presse berichtet. „Die Sächsische Zeitung ist da oft dabei“, sagt Milana. Außerdem werden organisatorische Themen besprochen.

Doch meist fangen ihre Tage viel früher an. Sie steht zwischen vier und fünf Uhr auf. „Ich schaue mir dann Vorlesungen am Laptop an“, sagt die 16-Jährige. Vorlesungen noch vor dem eigentlichen Unterricht. Milana macht nebenbei noch ein Frühstudium. Das Wort Frühstudium meint nicht den frühen Morgen, sondern, dass Milana sich schon während ihrer Schulzeit mit akademischen Themen beschäftigt. Bisher mit Philosophie, den Grundlagen der Genetik und der Betriebswirtschaftslehre.

Zwischen halb sieben und halb acht gibt es das erste Frühstück für die Schüler, danach das Frühkonzil und um acht Uhr startet der reguläre Unterricht. Der geht meist bis Nachmittag, aber manchmal auch bis 18 Uhr. Wenn sie dann noch in die Sportleistungsgruppen oder zu Arbeitsgemeinschaften geht, ist sie erst 22 Uhr wieder in ihrem Internatszimmer, das sie sich mit einer Schülerin teilt. Warum braucht sie bei diesem Pensum noch das Start-Stipendium?

Achte Klasse überspringen oder Sankt Afra

Für das wurde sie mit zehn anderen Stipendiaten aus Sachsen ausgewählt. Alle haben einen Migrationshintergrund, denn das Stipendium der Start-Stiftung richtet sich an Jugendliche mit Migrationsbezug. Diesmal sind die Mädels deutlich in der Überzahl: Nur ein Junge ist unter den sächsischen Stipendiatinnen. Die meisten kommen aus Dresden und Leipzig. Milana ist die Einzige aus dem Landkreis Meißen. Und das, obwohl sie eigentlich gar nicht hier lebt.

Ihre Eltern und ihr Bruder wohnen in Leipzig, wo auch sie bis letztes Jahr noch an das Immanuel-Kant-Gymnasium ging. Die Schulleiterin dort rät ihr, die achte Klasse zu überspringen oder sich am Sankt Afra Landesgymnasium in Meißen zu bewerben. „Ich hatte schon davon gehört, aber dachte nicht, dass ich hier eine Chance habe“, erinnert sie sich. Die einzigen Noten, die sie bis dahin schreibt, sind Einsen und Zweien. „Mein bestes Ergebnis hatte ich Ende der achten Klasse mit einer 1,0“, sagt sie.

Sie besteht das zweitägige Auswahlverfahren mit IQ-Test, interaktiven Aufgaben und Kompetenztests. Seit letztem Sommer ist sie nun in Meißen und besucht die neunte Klasse im Sankt Afra. Sie fühlt sich hier sehr wohl, hat viele Freunde und mag das Schulkonzept: Viele Freiheiten, statt starrer Unterricht, viel selbst arbeiten, keine Hausaufgaben, aber dafür mehr Vorträge und Projekte. „Und wir müssen alles selbst organisieren“, sagt Milana, „es kommt niemand und sagt, du musst mal wieder Wäsche waschen.“

Kleiner Rückschlag

Für das Stipendium muss sie sich Zeit freischaufeln. Es ist ein dreijähriges Förderprogramm mit Seminaren und Vorträgen zu Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftsrelevanten Themen. Außerdem gibt es ein Bildungsgeld von 1.000 Euro und einen Zuschuss von 500 Euro für ein technisches Gerät. Für Milana ist es wichtig, dass sie Jugendliche aus anderen Ländern kennenlernt. Ihre Mutter kommt aus Russland und der Vater aus der Ukraine. „Ich fühle mich nicht an eine Nation gebunden“, sagt Milana, „aber durch das Stipendium kann ich aus meiner Blase raus und zum Beispiel mehr Menschen aus Osteuropa treffen.“

Ihre Eltern haben sich in den 90er-Jahren in Deutschland kennengelernt. Ihr Vater habe eine Zeitungsannonce aufgegeben, in der er eine Frau für die Familiengründung suchte, erzählt Milana. Ihre Mutter habe sich gemeldet und die beiden zogen nach Leipzig, wo Milana geboren wurde. In Russland war sie bisher noch nicht, aber mit dem Vater vor vielen Jahren in Iwano-Frankiwsk in der Westukraine. „Ich erinnere mich, dass dort kein Russisch gesprochen werden durfte und ich mich mit der Familie meines Vaters nicht unterhalten konnte.“

Im letzten Jahr hat das Sankt Afra Landesgymnasium Schüler aus der Ukraine aufgenommen, damit sie Deutsch lernen. Viele von ihnen kamen bewusst in Milanas Klasse, weil sie bei der Verständigung helfen konnte. Für einen Beruf hat sie sich noch nicht entschieden. Wissenschaftsjournalistin vielleicht und Geschichte studieren. Aber erst mal muss sie noch mit einem kleinen Rückschlag klarkommen. Zum ersten Mal hat sie die Note drei bekommen. Zum Glück nur im Sportunterricht.