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Radeburg: Pannenserie an der A13 wegen verdünnten Sprits

Nachdem sie an einer Radeburger Tankstelle getankt hatten, blieben zahlreiche Autos liegen. Der Sprit war offenbar mit Wasser verunreinigt. Doch wie kam das in die Tanks?

Von Ines Mallek-Klein
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Nachdem zahlreiche frisch betankte Autos liegen geblieben sind, war die Tankstelle zeitweise komplett gesperrt. Davor und danach waren einige Zapfsäulen blockiert.
Nachdem zahlreiche frisch betankte Autos liegen geblieben sind, war die Tankstelle zeitweise komplett gesperrt. Davor und danach waren einige Zapfsäulen blockiert. © Norbert Millauer

Radeburg. Es ist der erste verkaufsoffene Tag nach Weihnachten. Nadine S. möchte die Gelegenheit nutzen, die Vorräte aufzufüllen und fährt zum Großhändler Selgros an die Autobahn 13. Der Tank ihres Audis ist fast leer, also beschließt sie, ihn mit Benzin zu füllen. Sie tankt hier öfter, auch weil sie mit fünf bis sechs Cent unter dem Marktpreis recht billig ist. Für 30 Euro landen knapp 18 Liter in dem Tank. Nach dem Einkauf soll es auf dem schnellsten Weg zurück nach Hause gehen. Der führt über die A13, dort kurz vor der Autobahnauffahrt auf einer Brücke gluckert der Motor und geht aus.

Nadine S. versucht, den Wagen erneut zu starten, doch der gibt keinen Ton mehr von sich. Sie ruft in ihrer Not den ADAC. Der rät ihr, weil das Auto in einem schlecht einsehbaren Kurvenbereich steht, auch die Polizei zu informieren. Das passiert dann auch. Später erfährt sie, dass auf der Radeburger A13-Auffahrt ein weiterer Wagen liegengeblieben ist. Auch er hat bei Selgros getankt, wollte angesichts des preiswerten Sprits seinen Tank noch einmal richtig vollmachen, der nur zu einem Viertel leer war. Doch selbst diese kleine Tankmenge reichte, um das Auto lahmzulegen.

Bei Nadine S. sieht es nicht besser aus. Der ADAC-Monteur kann vor Ort nichts tun. Das Auto muss in die Werkstatt geschleppt werden. Die Vermutung schon damals: Mit dem Sprit stimmt etwas nicht. Möglicherweise sei er mit Wasser verunreinigt, so die Diagnose des Pannenhelfers. Das setzt sich, weil schwerer als Benzin, am Boden des Tanks ab und wird dort in den Vergaser gesaugt, mangels Brennstoff geht der Motor aus.

Keine Garantie für Folgeschäden

Nach Informationen von Sächische.de waren es allein an jenem Dezembertag fast ein Dutzend Fahrzeuge, die nach dem Tanken liegenblieben. Der in Arnsdorf ansässige Pannendienst möchte keine Details preisgeben und verweist auf den Datenschutz. Nadine S. kann sich aber noch sehr genau an das Telefonat mit der Werkstatt erinnern, die Dame am anderen Ende der Leitung sagte wörtlich "Sie glauben gar nicht, was heute hier los ist, Sie sind nicht die Einzige mit dem Problem."

Der Audi kam auf den Abschleppwagen und wurde in eine kleine Werkstatt nach Radebeul gebracht. Dort begann man, den Tank leerzupumpen, und staunte nicht schlecht. In dem schneeweißen Kanister setzte sich das Wasser am Boden ab, es waren etwa vier Liter bei knapp 17 Litern Sprit. "So etwas haben wir noch nicht erlebt", sagt der Monteur. Dass bei einem solchen Gemisch der Motor schlappmacht, sei kein Wunder.

Wasser im Tank sei nichts Ungewöhnliches. Durch Kondensationsprozesse setze sich Feuchtigkeit im Tank ab, das gelte vor allem bei größeren Temperaturschwankungen und älteren Autos, sagt ein ADAC-Sprecher. Diese winzigen Mengen machen dem Motor aber nicht zu schaffen. Anders sehe es aus, wenn der Kraftstoff zu einem Viertel aus Wasser bestehe. Das bringt den Verbrennungsprozess zum Erliegen und kann dem Motor nachhaltig schaden. Das haben die Monteure auch Nadine S. gesagt, als sie nach ein paar Tagen ihr Auto wieder aus der Werkstatt geholt hat. Der verunreinigte Sprit war abgelassen worden, die Benzinleitung wurde gereinigt. Macht 250 Euro Werkstattkosten, und für mögliche Folgeschäden gibt es keine Garantien.

Nachdem Tank und Kraftstoffleitungen gereinigt waren, zeigte die das Ausmaß der Verdünnung. Auf knapp 17 Liter kamen vier Liter Wasser (auf dem Foto der dunklere Bereich).
Nachdem Tank und Kraftstoffleitungen gereinigt waren, zeigte die das Ausmaß der Verdünnung. Auf knapp 17 Liter kamen vier Liter Wasser (auf dem Foto der dunklere Bereich). © privat

Tankstelle seit Dezember gesperrt

Nadine S. hat sich an den Tankstellenbetreiber, also die Selgros, gewandt und den Fall geschildert. Große Diskussionen gab es hier nicht. Sie solle die Werkstattrechnung einreichen, die Versicherung des Großhandelsunternehmens, das zu Transgourmet gehört, werde den Schaden begleichen. Auch Sächische.de hat nachgefragt. Mehrfach. Vor allem, um zu erfahren, wie das Wasser in den Tank gekommen ist, aus dem die Zapfsäule bedient wurde. In den letzten Tagen des Jahres hatte es reichlich Niederschläge gegeben, auch als Schnee mit später einsetzendem Tauwetter. Ist das der Grund für den verdünnten Sprit, also ein technisches Versehen, ein Leck in den unterirdischen Tanks?

Es wäre kein Einzelfall. Der Münchner Merkur berichtete am 11. Januar von einer Pannenserie in Bayern. Die Autofahrer hatten zuvor an einer freien Tankstelle in Geretsried getankt, aber eben nicht nur Benzin, sondern auch Wasser, das durch ein durchgerostetes, fingerdickes Rohr in einen der 10.000 Liter-Tanks gelaufen sein muss. Das ergab eine Überprüfung von Fachfirmen, wie der Pächter erklärt.

Doch Selgros und auch der Mutterkonzern Transgourmet bleiben, trotz mehrfacher schriftlicher und telefonischer Nachfragen, jegliche Antwort schuldig. Immerhin, der Pächter hat nach der Pannenserie am 27. Dezember reagiert, und die Tankstelle vorübergehend mit einem rot-weißem Flatterband abgesperrt.

"Hier tanke ich nie wieder"

Also Nachfrage bei der Polizei. Sie bestätigt den Einsatz des Radeburger Bürgerpolizisten. Es gäbe aber keinen Hinweis auf eine Straftat, insofern auch kein Ermittlungsverfahren. Die Frage, ob denn mal jemand nachgeschaut habe, was dort für Sprit verkauft werde und woher der stamme, verneint die Behörde. Auch beim Landratsamt zuckt man mit den Achseln. Die Gewerbeaufsicht wäre für die Prüfung der Tankstelle zuständig, genauso wie der TÜV, der die Tanks alle fünf Jahre überprüfen muss.

Es wäre nicht das erste Mal, dass gepanschter Sprit für Motorschäden sorgt. Eine Autowerkstatt im erzgebirgischen Adorf hatte im Sommer 2023 gleich ein halbes Dutzend Autos auf dem Hof stehen. Die Besitzer waren alle jenseits der Grenze in Tschechien tanken. Dort hatten Treibstofflieferanten den Sprit, diesmal war es Diesel, bewusst mit Wasser gestreckt, nachdem sich der Einkauf deutlich verteuert hatte.

Ob so etwas auch in Deutschland möglich sei, verneint der Sprecher des ADAC nach kurzem Zögern. Die Tankstellen in Sachsen würden ausschließlich von den inländischen Raffinerien in Schwedt und Leuna versorgt. Doch wie kommt es dann, dass der Sprit an der Selgros-Tankstelle durchweg fünf bis sechs Cent billiger verkauft werden kann als andernorts? Auch auf diese Frage bleibt der Betreiber eine Antwort schuldig. Für Nadine S. steht indes fest. "Hier tanke ich nie wieder."