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"Wir hätten mehr Stammkunden gebraucht": Reformhaus in Nossen schließt

Bald gibt es kein Reformhaus mehr in der Muldestadt Nossen. Die Gründe für die kommende Schließung sind vielfältig.

Von Uta Büttner
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Kristin Grendel (r.) und ihre Tochter Saskia schließen das Reformhaus in Nossen.
Kristin Grendel (r.) und ihre Tochter Saskia schließen das Reformhaus in Nossen. © Claudia Hübschmann

Nossen. Rund 35 Jahre gehört das Reformhaus am Markt zu Nossen. Doch in wenigen Tagen schließt es. Einen Nachfolger gibt es aktuell nicht. 2020, mitten im Corona-Lockdown, hatte Familie Grendel das Geschäft übernommen. Zwei Jahre später war sie mit ihren Produkten in benachbarte, doppelt so große Geschäftsräume gezogen, weil der Platz nicht mehr ausreichte. Doch nun ist bald Schluss. „Die Gründe dafür sind vielschichtig“, erklärt eine der beiden Inhaberinnen, Kristin Grendel.

Sie übernahm vor vier Jahren gemeinsam mit Tochter Saskia das Reformhaus. Schon damals war klar, dass die jüngere Tochter Cecilia den Laden einmal übernehmen sollte. Kristin und Saskia wollten nur als Springer fungieren. Doch dann erwartet Cecilia ein Kind, alles lastet auf den Schultern der beiden anderen Frauen, die im Hauptberuf anderen Tätigkeiten nachgehen.

Hinzu komme, sagt Kristin Grendel, „dass das Kaufverhalten zurückgegangen ist.“ 2022 sei noch ein gutes Jahr gewesen, „voriges Jahr lief es nicht mehr so gut“, sagt Kristin Grendel. So sei auch die Zahl der Stammkunden geschwunden. „Wir hatten treue Stammkunden, aber wir hätten mehr gebraucht. Ältere Leute waren teils nicht mehr in der Lage, vorbeizukommen. Und jüngere Menschen, die außerhalb arbeiten, fahren schnell mal irgendwo ran, um einzukaufen.“

Höhere Kosten können nicht an Kunden weitergegeben werden

Zudem würden sich die höheren Energie- und Dieselkosten sowie die Mautgebühren bemerkbar machen. „Wir kaufen beim Großhandel ein, die höheren Kosten spüren wir jetzt, können diese aber nicht an unsere Kunden weitergeben.“ Und eine neue Verkäuferin nun auszubilden und einzuarbeiten, dafür fehle der Umsatz. Denn im Reformhaus seien spezielle Kenntnisse nötig, „wir stehen auch für Beratung in Sachen Ernährung und Gesundheit“, erklärt sie. Erschwerend hinzu komme, dass Kristin aus gesundheitlichen Gründen sich meist im Erzgebirge aufhalte.

Die Entscheidung sei den drei Frauen schwergefallen. „Es war für mich eine Berufung. Wir bedauern das sehr, weil wir mit Herzblut dabei waren“, sagt Kristin. „Ich möchte mein Wissen und meine Erfahrung, die ich in den rund 15 Jahren aus meinem eigenen Heilungsprozess mir angeeignet habe, gern weitergeben.“

Wie viele junge Mütter fing Kristin Grendel vor vielen Jahren an, sich mit gesunder Ernährung und Gesundheit im Allgemeinen wie Stärkung des Immunsystems zu beschäftigen. Auslöser waren erste Unverträglichkeiten. „Deshalb habe ich mich mit Ernährungsthemen beschäftigt.“ Es folgten verschiedenste Weiterbildungen, beispielsweise in Kräuter- und Naturheilkunde. Seit 13 Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit diesen Themen, hat Selbststudien betrieben und viele Kurse besucht. „Inzwischen haben meine beiden Töchter auch schon viel von meinem Wissen mitgenommen“, sagt Kristin Grendel erfreut.

Reformhäuser stehen für ökologische Produkte und Beratung

Reformhäuser haben eine lange Tradition. Die ersten gab es bereits Ende des 19. Jahrhunderts, hervorgegangen aus einer Lebensreformbewegung für ein naturnahes und gesundes Leben. 1927 schlossen sich die Läden in einer Genossenschaft zusammen, unter dem Namen neuform bekannt. 2014 wurde die Genossenschaft in Reformhaus umbenannt.

Anders als in einem „normalen“ Bioladen suchen Kunden in einem Reformhaus häufig Beratungen zu frei verkäuflichen Arzneimitteln, Naturarzneimittel. Um diese verkaufen zu dürfen, hatten die Grendel-Frauen einen sogenannten Sachkundenachweis bei der IHK absolviert. „Beim Reformhaus steht der Aspekt der Gesundheit noch mehr im Fokus als bei reinen Bioläden.“

Der 5. März von 14 bis 18 Uhr und der 8. März von 9 bis 18 Uhr werden die beiden letzten Öffnungstage sein. „Da machen wir unseren Räumungsverkauf“, sagt Kristin Grendel. Ein kleiner Lichtblick für sie ist es, dass sie ihr Wissen auch aus dem Erzgebirge weitergeben kann, online oder per Telefon. Das mache sie aktuell schon. Zudem habe sie dort ein Lädchen mit dem Namen „Kräuterfee“, das aber nur an einem Nachmittag in der Woche geöffnet habe. Und Saskia kann nun voll und ganz ihrer Berufung nachgehen. Sie arbeitet als Versicherungsfachwirtin bei ihrem Vater Dieter Grendel, der seit 40 Jahren als freier Versicherungsmakler arbeitet.