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Ruinieren E-Autos die Autowerkstätten im Kreis Meißen?

Der Wartungsaufwand der neuen Wagen ist deutlich geringer. Eine Studie prophezeit Jobverluste. Doch schon jetzt geben einige Werkstätten im Elbland auf.

Von Ines Mallek-Klein
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Das Durchschnittsalter der Autos auf unseren Straßen steigt, das merkt auch Unternehmer Stefan Werner vom 1a Autoservice in Nossen.
Das Durchschnittsalter der Autos auf unseren Straßen steigt, das merkt auch Unternehmer Stefan Werner vom 1a Autoservice in Nossen. © Claudia Hübschmann

Nossen/Meißen. Was haben die Geschäfte einer Autowerkstatt mit dem Wetter zu tun? Sehr viel, erfährt man im Gespräch mit Stefan Werner. Er ist nicht nur Chef einer freien Autowerkstatt in Nossen, er ist auch stellvertretender Obermeister der Kfz-Innung im Landkreis Meißen und an diesem Montagvormittag hat er kurz Zeit für ein Telefonat. Denn der Ansturm der wechselwilligen Autofahrer ist überschaubar. Der Wetterbericht verheißt in dieser Woche zweistellige Temperaturen, selbst in den frühen Morgenstunden, und schon geht das Interesse der Autofahrer, Winterreifen aufziehen zu wollen, schlagartig zurück. Vor sieben Tagen habe das noch ganz anders ausgesehen, so Stefan Werner.

Der ständige Wandel, er gehört zum Geschäft des Kfz-Handwerks, und das durchlebe gerade nicht unbedingt leichte Zeiten. Die Autos, die er auf seine Hebebühne bekommt, werden immer älter. Der Verjüngungseffekt der Fahrzeugflotte, den die Abwrackprämie brachte, sei längst verpufft, so der Unternehmer. Sie war 2009 als Teil des Konjunkturpaktes II vom Bund gezahlt worden. Wer einen Neu- oder Jahreswagen kaufte und sein altes Auto verschrotten ließ, konnte bis zu 2.500 Euro Zuschuss erhalten. Der Bund hatte aus seinem Sondervermögen ursprünglich 1,5 Milliarden Euro für die Prämie eingeplant. Doch das Interesse war enorm. Er stockte auf fünf Milliarden Euro auf, aber auch die waren schon Anfang September 2009 ausgegeben.

Mechatroniker: Platz eins der Hitliste

Nun also sind die damals angeschafften Neuwagen in die Jahre gekommen. Aber wer nicht muss, der kauft nicht neu. Das liege an einer großen Verunsicherung unter den Kunden, sagt Stefan Werner. Noch sind vier von fünf Autos auf den Straßen des Elblands mit einem Verbrennermotor unterwegs. Das wird sich ändern, ist sich der Werkstattbetreiber sicher. Elektromobilität ist aus seiner Sicht die Zukunft, denn das Antriebssystem sei zweifelsfrei wirtschaftlich zu betreiben. Aber es sind noch viele Fragen offen. Eine, die sich viele im ländlichen Raum lebende Autofahrer stellen, sei beispielsweise die, woher der Strom für die Batterien denn kommen solle. Dass die Politik parallel auch für alternative Kraftstoffe werbe, erschwere Kaufentscheidungen zusätzlich - ganz abgesehen von den Preissteigerungen, sowohl bei Neu- als auch bei Gebrauchtwagen.

Dass Mechatroniker die Hitliste der beliebtesten Ausbildungsberufe im Handwerk anführt, ist so gesehen also schon die positivste Nachricht aus dem Kfz-Gewerbe in diesen Tagen. Denn schaut man in die Zahlen des Statistischen Landesamtes, so mehren sich seit dem zweiten Quartal 2023 die Insolvenzen in der Branche. Betroffen sind vor allem Autohäuser, aber auch Werkstätten und Teilehändler.

Teslas Gigafactory in Brandenburg. Die E-Autos des US-Herstellers rollen seit 2022 auch in Deutschland vom Band.
Teslas Gigafactory in Brandenburg. Die E-Autos des US-Herstellers rollen seit 2022 auch in Deutschland vom Band. © dpa/Jens Kalaene

Tesla und Co. müssen nachbessern

Die Innung vereint in der Region knapp 130 Unternehmen. Hier seien Insolvenzen noch nicht das ganz große Thema, dafür aber zahlreiche Geschäftsaufgaben. "Wir leben im Jahr 33 nach der Wende. Viele Firmengründer, die sich damals den Traum von einer eigenen Werkstatt erfüllt haben, suchen heute nach einem Nachfolger und finden niemanden, der das Risiko eingehen möchte", so Innungs-Vize Werner. Also schließen erste Werkstätten und weitere werden folgen, so seine These.

Gestützt wird die von einer im Fachblatt Autohaus veröffentlichten Studie. Die IG Metall Baden-Württemberg und der dortige Verband des Kraftfahrzeuggewerbes haben das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und das Institut für Automobilwirtschaft beauftragt, die zukünftigen Beschäftigtenzahlen im Kfz-Gewerbe zu prognostizieren - und zwar für ganz Deutschland. Die Ergebnisse sind ernüchternd. In den kommenden sechs Jahren ist mit einem Mitarbeiterrückgang um knapp 20 Prozent zu rechnen. Von den derzeit rund 435.000 Jobs bundesweit werden knapp 80.000 wegfallen. Im Fahrzeughandel, so die Studie, sei jede dritte Stelle von dem Wegfall betroffen, in den Werkstätten etwa jede vierte.

Als Gründe führen die Studienmacher unter anderem die Digitalisierung an. Sie verändere komplette Geschäftsprozesse, aber auch die Abläufe im Auto selbst. Hinzu komme die wachsende Zahl von E-Autos. "Sie sind im Wartungsaufwand deutlich anspruchsloser, verfügen über zahlreiche, nicht reparable Bauteile", so Stefan Werner. Die Lenkung, die Bremsen und auch das Fahrwerk unterlägen bei E-Autos aber einer deutlich höheren Belastung. "Es gibt kaum ein Elektroauto, das weniger als zwei Tonnen wiegt, entsprechend hoch ist die Fahrwerksbelastung", so Werner. Hier müssten Tesla & Co. noch deutlich nachbessern.

Die E-Mobilität wird im Kfz-Gewerbe Arbeitsplätze und Umsatz kosten. Und trotzdem bleibt Stefan Werner optimistisch. Ihm ist klar, dass seine Branche einem weiteren Wandel unterworfen ist, aber der dauere ohnehin schon ein paar Jahre an. "Wer ein gutes Verhältnis zu seinen Kunden pflegt, übersteht auch diese Durststrecke", ist der Nossener Unternehmer überzeugt.