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Tod der Nossener Hotelchefin: Ein Sachverständiger soll die Tat rekonstruieren

Was geschah in den letzten Lebensminuten von Franziska F.? Die Ungewissheit belastet die Familie. Ein Schusssachverständiger soll nun Antworten finden. Und wie geht es jetzt mit dem Hotel weiter?

Von Ines Mallek-Klein
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Die Erben des Hotels "Stadt Dresden" in Nossen ringen um die Zukunft des Hauses. Das hat weiter geöffnet, aber nur für Übernachtungsgäste.
Die Erben des Hotels "Stadt Dresden" in Nossen ringen um die Zukunft des Hauses. Das hat weiter geöffnet, aber nur für Übernachtungsgäste. © Claudia Hübschmann

Nossen. Der dunkle Kombi kommt aus Bochum. Zögerlich öffnen die beiden Insassen ihre Tür, nachdem der Wagen vor dem Hotel Stadt Dresden gehalten hat. Das erste Haus am Platz wirkt verlassen. Die Türen sind verschlossen, vor den Fenstern verhindern Gardinen unliebsame Blicke. Und neben dem Eingang hängt ein kleiner, unauffälliger Zettel, der die Hotelgäste bittet, zu klingeln oder wahlweise anzurufen. Daneben der Hinweis, dass das Restaurant und damit auch der Biergarten vorübergehend geschlossen blieben.

Ein unklares Motiv

Am Sonntag ist es zwei Monate her, dass Franziska F., die Chefin des Nossener Hotels, in Österreich gewaltsam zu Tode kam. Mutmaßlich erschossen von ihrem Liebhaber. Für Florian Gruber wiegt der Verlust seiner Patentante schwer. Er war es auch, der den Mitarbeitern des Hotels die Nachricht vom Tod ihrer Chefin überbringen musste. Und der bis heute im ständigen Kontakt mit ihnen steht.

Die Trauer ist groß. Sie wäre vielleicht leichter zu ertragen, wenn endlich klar wäre, was am 13. Juni 2023 in dem am Waldesrand gelegenen Haus in St. Peter am Kammersberg wirklich geschehen ist. "Das Motiv ist weiterhin völlig unklar. Wir haben keinen Hinweis, was zu der grausamen Tat geführt hat", sagt Florian Gruber. Die Ermittlungen laufen. Die Staatsanwaltschaft hat einen Schusssachverständigen beauftragt. Er könne anhand der Spurenlage den Tatablauf weitestgehend vollständig nachvollziehen, erklärt der ermittelnde Staatsanwalt Andreas Riedler auf Nachfrage. In den kommenden Wochen sollen die Ergebnisse seiner Arbeit vorliegen.

Sparsam mit Informationen

Fest steht bisher, dass Franziska F. ihren Mörder kannte, mit ihm eine Beziehung führte. Berufsschullehrer Robert K. aus Österreich war mehrfach im Nossener Hotel zu Gast. Er wird als sehr freundlich und aufmerksam von den dortigen Mitarbeitern beschrieben. Vor ihrem Tod hatte Franziska F. einige Tage freigenommen, die sie in ihrer bayrischen Heimat verbringen wollte. Dort wurde sie von Robert K. begleitet. Beide fuhren dann in einem Mietwagen in die Obersteiermark in das Haus von Robert K., in dem er dort mit seiner geschiedenen Frau Edith lebte.

Robert K. hat erst die beiden Frauen und dann mutmaßlich sich selbst getötet, mit einer Waffe, deren rechtmäßiger Besitzer er war. Auffallend: Bei Franziska F. wurden zwei Schussverletzungen gefunden, bei Edith K. nur eine. Auch wenn der mutmaßliche Täter strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden kann, die Staatsanwaltschaft betont ihren Anspruch, die Hintergründe der Tat aufklären zu wollen. Mit Informationen nach außen sei sie allerdings sehr sparsam, sagt Florian Gruber, und man merkt ihm an, er würde gerne mehr erfahren, nicht erst warten, bis endlich der Abschlussbericht vorliegt.

In der Nossener Kirche konnte, wer wollte, einen letzten Gruß für Franziska F. im Kondolenzbuch hinterlassen. Viele Freunde und Bekannte haben das getan.
In der Nossener Kirche konnte, wer wollte, einen letzten Gruß für Franziska F. im Kondolenzbuch hinterlassen. Viele Freunde und Bekannte haben das getan. © Claudia Hübschmann

"Keiner von uns kommt aus dem Hotelgewerbe"

Warten mussten indes einige Lieferanten und Versorger des Hotels. Mangels Kontovollmachten konnten wochenlang keine Rechnungen bezahlt werden. "Aber auch das Thema haben wir geklärt", sagt Florian Gruber. Mit "wir" meint er die beiden Söhne des verstorbenen Mannes von Franziska F. und sich. Das Hotelierspaar selbst war kinderlos und so sehen sich nun drei Erben in der Verantwortung, das Lebenswerk fortzuführen. Die Chancen stehen gut, denn die Stammgäste halten dem Haus die Treue. "Wir haben bereits Anfragen für 2024, darunter auch viele Familienfeiern, Jubiläen und selbst Busreisen", sagt eine Mitarbeiterin. Sie schreibt die Daten alle fein säuberlich ins Reservierungsbuch.

Auch wenn es schwer sei, man dürfe die Hoffnung nicht aufgeben. Nur eine Mitarbeiterin hat sich zwischenzeitlich einen neuen Job gesucht und das Team verlassen. Alle anderen hoffen auf eine Zukunft, genauso wie Nossens Bürgermeister Christian Bartusch (SPD). Das Hotel ist das einzige in der Stadt, und nicht nur wegen der guten Küche beliebt, sondern auch wegen der zahlreichen kulturellen Events, die Franziska F. und ihr Mann etabliert hat. Auf der Website werden die nächsten Termine für September beworben. Ob sie wirklich stattfinden, sei noch nicht entscheiden.

"Wissen Sie, das Problem ist, keiner von uns kommt aus dem Hotelgewerbe", sagt Florian Gruber. Das kann, muss aber kein Problem sein. Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga könnte helfen, mit einem Interimsmanager beispielsweise, erklärt Hauptgeschäftsführer Axel Klein. Er kannte und schätzte Franziska F. sehr. "Sie war eine sehr engagierte und lebensbejahende Unternehmerin, führte ihr Haus mit viel Leidenschaft", so Klein. Unmittelbar nach der Nachricht vom Tod der Unternehmerin habe er den Kontakt zur Belegschaft gesucht und Hilfe angeboten. "Unsere Tür steht offen", so Klein. Erfahrungen mit solchen Situationen gäbe es bei der Dehoga Sachsen, beispielsweise nach Bränden in Hotels oder plötzlicher Erkrankung von Inhabern. "Wir können fachlich unterstützen, aber es gibt in solchen dramatischen Fällen auch einen Fonds, aus dem Gelder fließen können", so Klein. Dahinter steht immer der Versuch, das Haus und damit die gastronomische Vielfalt in der Region zu erhalten.

Das ist auch Florian Grubers Ziel. Doch die Gesetzgebung mache es nicht leicht, sagt er und verweist auf die Erbschaftssteuer. Sie zieht viel Kapital ab. Gelder, die man eigentlich brauche, um das Haus fit für die Zukunft zu machen. Den Gästen aus Bochum sind unterdessen die Türen geöffnet worden, sie tragen gerade ihre Koffer auf die Zimmer, vorbei an den liebevoll gepflegten Blumenkästen. Die Pelargonien blühen in sattem Rot. Franziska F. hatte die Farbe sehr gemocht und auch deshalb ausgesucht.