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„Bei den Fassaden auf der Salomonstraße wird es keine Änderungen geben“

Amtsleiter Hartmut Wilke sagt im SZ-Interview, dass die Behörden bei der umstrittenen Gestaltung der Fassaden des Landratsamtes in Görlitz keine Fehler gemacht haben – und warum das so ist.

Von Ingo Kramer
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Hartmut Wilke, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung der Stadt Görlitz, reagiert auf die Vorwürfe zur Salomonstraße.
Hartmut Wilke, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung der Stadt Görlitz, reagiert auf die Vorwürfe zur Salomonstraße. © Archivfoto: Martin Schneider

Der Aufschrei in Görlitz ist groß, seit kurz vor Weihnachten die Gerüste an den Häusern Salomonstraße 13 und 14 gefallen sind, die für das neue Landratsamt saniert werden: Beide Häuser werden völlig unerwartet von der Denkmalliste genommen. Die alten Fassaden wurden komplett zerstört. Sämtlicher Stuck, aber auch massive Bauteile wie Simse und Fenstersohlbänke wurden abgeschlagen und die vorher in gutem Zustand befindlichen Fassaden vollkommen entstellt. Das Landratsamt begründete das mit „wirtschaftlichen Gründen“, räumte aber gleichzeitig ein, gar nicht geprüft zu haben, was ein Erhalt der Fassaden gekostet hätte.

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Für viel Aufsehen sorgte ein am 7. Januar in der SZ veröffentlichtes Interview mit Michael Vogel, der von 1986 bis 2008 der städtischen Denkmalpflege vorstand. Er warf dem Amtsleiter für Stadtentwicklung, Hartmut Wilke, vor, bei der Salomonstraße gelogen zu haben. Die Häuser seien in keinem so schlechten Zustand gewesen, wie es Wilke im Stadtrat erklärt hatte. Nach Vogels Ansicht wäre es sogar preiswerter gewesen, die Fassaden zu erhalten. Jetzt reagiert Hartmut Wilke auf diese Vorwürfe.

Zweimal das gleiche Gebäude: Die Salomonstraße 14 vor der Sanierung im Jahr 2020 (l.) und jetzt. Der Landkreis hat sämtlichen Stuck, aber auch massive Bauteile abschlagen lassen.
Zweimal das gleiche Gebäude: Die Salomonstraße 14 vor der Sanierung im Jahr 2020 (l.) und jetzt. Der Landkreis hat sämtlichen Stuck, aber auch massive Bauteile abschlagen lassen. © Fotos: Wikipedia/Freddo213, Paul Glaser/glaserfotografie.de

Herr Wilke, Michael Vogel hat Sie persönlich angegriffen und gesagt, in Ihrer Auffassung spielen Denkmale keine der wichtigen Rollen. Ist dem so?

Ich bin Leiter eines Amtes mit fünf Sachgebieten, darunter Denkmalschutz. Ich trage die Verantwortung für alle fünf. Unter diesem Aspekt bin ich im April 2011 Amtsleiter geworden. Davor habe ich mein zweites Staatsexamen abgelegt. Ich habe dazu ein städtebauliches Referendariat absolviert, da gehörte Denkmalschutz dazu. Meine Qualifikationen führen dazu, dass ich mich auch mit dem Denkmalschutz befasse. In meiner Arbeit trete ich mit den Sachgebietsleitern in intensiven Austausch. Nur in Ausnahmen entscheide ich über sie hinweg. Bei der Salomonstraße war das im Übrigen nicht der Fall.

Viele Menschen verstehen nicht, warum zwei Häuser des Landratsamtes von der Denkmalliste genommen und die historischen Fassaden zerstört werden, während private Bauherren unzählige Auflagen des Denkmalschutzes beachten müssen. Haben Behörden keine Vorbildaufgabe?

Der Gedanke ist nachvollziehbar, zu fragen, ob ein Unterschied gemacht wird. Das ist aber eine Unterstellung – und diese ist nicht belegt. Bei einem privaten Bauherren wäre die Entscheidung genauso gefallen. Es ist nicht maßgebend, wer der Bauherr ist, sondern was an einem Gebäude vorgefunden wird und was bei seiner Sanierung erhalten werden kann. Jedes Objekt ist als Einzelfall zu prüfen. So werden beispielsweise die Häuser Salomonstraße 10 bis 12 denkmalgerecht hergestellt.

Die Salomonstraße 13 in Görlitz vor der Sanierung im Jahr 2020 ...
Die Salomonstraße 13 in Görlitz vor der Sanierung im Jahr 2020 ... © Foto: Wikipedia/Freddo213

Die Häuser Salomonstraße 13 und 14 sahen vorher von außen weitaus weniger desolat aus als manch anderes Haus in Görlitz, das aber denkmalgerecht wiederhergestellt werden musste. Herr Vogel war vor sieben bis zehn Jahren drinnen und sagt, sie waren in keinem so schlechten Zustand.

Die Frage, was bei der Sanierung erhalten werden kann, wird mittels Gutachten untersucht. Deren Inhalte untersetzen die Feststellung, ob ein Haus auch künftig noch ein Denkmal sein kann. Bei diesen beiden Häusern war die vorgefundene Substanz so desolat, dass es keine Option gab, die Häuser so zu erhalten, dass sie noch als Denkmal bezeichnet werden könnten.

... und im Dezember 2023 ohne ursprüngliche Stuckfassade.
... und im Dezember 2023 ohne ursprüngliche Stuckfassade. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Waren Sie selbst in den Häusern?

Ja, das war 2016 oder Anfang 2017 in der Vorbereitung des Planungswettbewerbes für das Landratsamt. Damals waren wir in allen Häusern, die künftig zum Landratsamt gehören werden.

Was haben sie vorgefunden?

Sichtbar war bei den beiden Häusern ein wüstes Feld von Vandalismus. Armaturen, Sanitärgegenstände, Türen, Verkleidungen: Alles lag in Trümmern. Es gab auch Schäden an den Dächern, aber diese waren nicht völlig kaputt und es war auch nicht alles zusammengestürzt.

Herr Vogel sagt, dass es preiswerter gewesen wäre, die Fassaden zu erhalten. Was glauben Sie?

Was ich glaube, spielt dabei keine Rolle.

Beim Haus Berliner Straße 42, das ebenfalls für das Landratsamt saniert wird, wurde alles komplett abgerissen, nur die Fassade ist stehengeblieben. Sie wird denkmalgerecht saniert. Können Sie das erklären? Steht das nicht im Widerspruch zu Ihren Aussagen zur Salomonstraße 13 und 14?

Ich sage es noch einmal: Jedes Objekt ist immer eine Einzelfallentscheidung. Die Berliner Straße 42 wird voraussichtlich weiterhin ein Kulturdenkmal sein, denn neben der Fassade bleiben Treppenhaus, Loggien und Ausmalungen erhalten, und damit wird das Gebäude auch nach Abschluss der Baumaßnahme einen hohen Aussagewert aufweisen. Generell gilt: Ob der Denkmalstatus noch vorhanden ist oder nicht, wird regelmäßig zum Ende der Baumaßnahme festgestellt. Die Baumaßnahme Landratsamt ist noch nicht abgeschlossen. Das gilt sowohl für die Berliner Straße als auch für die Salomonstraße.

Aber hatten Sie nicht kurz vor Weihnachten im Stadtrat gesagt, dass bei der Salomonstraße der Denkmalstatus aberkannt wird?

Ich habe gesagt, dass der Status am Ende nicht mehr gegeben sein wird. Davon gehe ich aus.

Gab es denn jemals private Gebäude, die bei der Sanierung von der Denkmalliste genommen worden sind?

Es gab immer wieder Überprüfungen. Zu diesen Fällen werde ich mich aus Gründen des Datenschutzes nicht äußern.

Es gab vor einigen Jahren den Fall, dass der Bauherr Ronny Otto auf der Zittauer Straße bei der Sanierung eines Denkmals ein Wärmedämmverbundsystem eingesetzt hatte, was ihm in der Baugenehmigung versagt wurde. Es kam zum Prozess. Der städtische Vertreter erklärte vor Gericht, der Ruf von Görlitz als Denkmalstadt habe gelitten, denn ein Denkmal sei wegsaniert worden. Deswegen sollte Otto ein Bußgeld von 80.000 Euro zahlen. Hat bei der Salomonstraße der Ruf als Denkmalstadt nicht gelitten?

Der Unterschied ist, dass in der Salomonstraße ein Vorgang läuft, der noch nicht abgeschlossen ist. Hier ist rechtlich nichts zu beanstanden. Herr Otto hingegen hat etwas durchgeführt, was nicht genehmigt war. Dass es an der Fassade seines Gebäudes keinen Stuck gab, ist dabei völlig unerheblich. Durch seine nicht legitimierte Baumaßnahme wurden konkrete Eigenschaften der Fassade zerstört.

Wie soll es jetzt bei der Salomonstraße weitergehen?

Einige Stimmen fordern eine Wiederherstellung der Fassaden. Aber: Wer würde das finanzieren? Und vor allem: Wäre das überhaupt richtig? Es würde ja etwas entstehen, was nicht mehr echt wäre, nicht mehr original. Und ich sage es noch einmal ganz deutlich: Verfahrensseitig – rechtlich und faktisch – ist alles korrekt. Änderungen wird es da keine geben.