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Fassadenstreit: Görlitzer Architekt fordert klare Vorgaben für Bauherren

Um allzu unpassende Neubauten zwischen Görlitzer Denkmalen zu verhindern, verlangt Frank Vater eine Gestaltungssatzung. Er hat auch schon Ideen, wie künftige Neubauten aussehen könnten.

Von Ingo Kramer
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Das Haus Obersteinweg 20a: Links das tatsächliche Haus, rechts der Entwurf von Frank Vater, der sich stärker an den Nachbargebäuden orientiert.
Das Haus Obersteinweg 20a: Links das tatsächliche Haus, rechts der Entwurf von Frank Vater, der sich stärker an den Nachbargebäuden orientiert. © Frank Vater

Birgit Güttler* ist das Foto in der Freitagausgabe der SZ sofort ins Auge gestochen: Sie wohnt gleich um die Ecke von dem dort abgebildeten Neubau Obersteinweg 20a in der Görlitzer Nikolaivorstadt. „Zum Kotzen“, findet sie das Gebäude: „Wer dieses ufoartige Gebilde im ältesten Teil der Stadt genehmigt hat, gehört degradiert.“ Die Architekten hätten wohl im Studium das Semester, in dem es um die Bebauung historischer Flächen ging, übersprungen. „Von solchen Fehltritten lasse ich mich aber nicht aus der Nikolaivorstadt vertreiben“, stellt die Anwohnerin trotzig klar.

Der Görlitzer Architekt Frank Vater fordert eine Gestaltungssatzung.
Der Görlitzer Architekt Frank Vater fordert eine Gestaltungssatzung. © Archivfoto: Pawel Sosnowski

Sie ist nicht die Einzige, die mit dem Gebäude ein Problem hat. Auch der Görlitzer Architekt Frank Vater, der für die Linkspartei in den Stadtrat einziehen möchte, reagiert auf den Bericht. Vater hat für den Obersteinweg 20a und den Neubau Handwerk 19 Zeichnungen gefertigt. Sie zeigen einmal den Ist-Zustand und zum anderen mögliche Alternativen, die sich aus Vaters Sicht besser in das historische Umfeld einfügen würden. Und er verbindet das mit dem Vorschlag, dass für Görlitz eine Gestaltungssatzung erarbeitet werden sollte, in der geregelt ist, wie Fassaden gestaltet sein dürfen – und wie nicht.

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Vater stellt aber auch klar: Seine Zeichnungen seien keineswegs alternativlos. Stattdessen könne man auf der Grundlage einer Satzung noch jede Menge mehr Entwürfe fertigen. „Mein Entwurf ist nicht die ausschließliche Lösung, beschreibt aber den Rahmen, um ein Stadtbild zu erhalten“, erklärt Vater.

Auf dem linken Bild ist das Haus zu sehen, das im Handwerk 19 gebaut wurde. Rechts zeigt Frank Vater, wie es aus seiner Sicht besser aussehen würde.
Auf dem linken Bild ist das Haus zu sehen, das im Handwerk 19 gebaut wurde. Rechts zeigt Frank Vater, wie es aus seiner Sicht besser aussehen würde. © Frank Vater

Ihm geht es dabei nicht nur um Neubauten wie am Obersteinweg und im Handwerk, sondern auch um Fälle wie die Häuser Salomonstraße 13 und 14, die für die Erweiterung des Landratsamtes saniert werden und wo die historischen Fassaden bei der Sanierung völlig entstellt wurden – sehr zum Ärger von Vater. In Görlitz seien Bauherren lediglich an eine Erhaltungssatzung aus dem Jahr 1996 gebunden, sagt der Architekt. Dort werden lediglich Satteldach und eine Lochfassade gefordert. Ein weitergehender Einfluss durch die Behörde sei nicht möglich. Auf konkretere Festlegungen habe die Stadt damals verzichtet. „Angesichts des Sanierungsergebnisses in der Salomonstraße möchte ich die Forderung nach einer Gestaltungssatzung noch einmal aufgreifen“, so Vater. Offensichtlich fehle es der Verwaltung an Grundlagen, um Entscheidungen im Interesse des Ortsbildes zu treffen. Folgende Forderungen möchte er „in einer dringend notwendigen Gestaltungssatzung“ formulieren:

Frank Vater nennt sechs Kernforderungen

- Sockelgeschoss und Hauptgeschosse sollen gestalterisch voneinander getrennt werden.

- Bestehende oder noch deutlich erkennbare Gesimse des Gebäudes oder der benachbarten Gebäude sollen bei einer Neugestaltung aufgenommen werden, um den Charakter der Gestaltung des Einzelhauses oder im Falle des Neubaus des jeweiligen Straßenzuges zu erhalten.

- Die Gestaltung des Traufbereiches soll dem Prinzip des ursprünglichen Gebäudes oder des jeweiligen Straßenzuges folgen.

- Fensterfaschen erfordern weitere Gliederungen, Betonungen oder Hervorhebungen wie Verdachungen und deutlich erlebbare Sohlbänke.

- Die Höhe einer Fassade orientiert sich an den unmittelbaren Nachbargebäuden. Eine Erhöhung der Fassade um mehr als 50 Zentimeter ist unzulässig.

- Die Gestaltung von Gauben und anderen Dachaufbauten soll grundsätzlich so aussehen, wie in der unmittelbaren Umgebung üblich.

„Die bisherige Erfahrung zeigt, dass es solche Festlegungen dringend braucht, um gestalterischen Katastrophen vorzubeugen“, sagt Vater. Grundsätzlich bleibe aber das Ziel bestehen, den umfangreichen Gebäude- und damit auch Fassadenbestand zu bewahren und zu erhalten.

Ein vollständig misslungener Versuch

Konkret beim Obersteinweg 20a sei auf nahezu alles verzichtet worden, „was man den Versuch einer Einordnung in die bestehende Bausubstanz nennen könnte". Neben Punkten wie der Gestaltung eines Sockelgeschosses, der Gliederung der darüber folgenden Ebenen, den geschosshohen Fenstern und deren Anordnung seien es hier zusätzlich die verwendeten Materialien und die Gestaltung der Dachlandschaft: „Nichts davon reagiert auf typische Gestaltungselemente der unmittelbaren Nachbarschaft oder der Nikolaivorstadt allgemein.“ Der Neubau stehe wie eingequetscht zwischen benachbarten gründerzeitlichen Gebäuden: „Der Versuch, Eigenständigkeit zu entwickeln, ist hier vollständig misslungen.“

Das zeige die dringende Notwendigkeit einer Gestaltungssatzung für die einzelnen Stadtgebiete. Die über eingereichte Bauanträge entscheidende Stadtverwaltung brauche dringend klare Handlungsanweisungen, um Entscheidungen im Interesse der Stadt treffen zu können. Gleichzeitig stellen solche, im Einzelfall manchmal strikten Forderungen für Bauherren auch klare Regeln dar, an denen sie ihre Bauentscheidungen und Gestaltungswünsche bemessen können, erklärt Vater: „Es geht darum, für alle die gleichen Rahmenbedingungen zu schaffen und vor allem den Charakter der einzelnen Stadtgebiete zu bewahren.“

* ... Name auf Wunsch geändert.