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Görlitzer Fassadenstreit: Verein erstattet Anzeige wegen Denkmalvernichtung

Für den Verein Stadtforum ist der Umgang mit Denkmalen in Görlitz inzwischen unerträglich geworden. Bei der Salomonstraße benennt er vier Verdächtige.

Von Ingo Kramer
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Zweimal dasselbe Haus: Die Salomonstraße 14 in Görlitz vor der Sanierung (links) und danach.
Zweimal dasselbe Haus: Die Salomonstraße 14 in Görlitz vor der Sanierung (links) und danach. © Fotos: Wikipedia/Freddo213, Paul Glaser

Thomas Göttsberger und seine Mitstreiter beim Verein Stadtforum Görlitz machen Nägel mit Köpfen: Am Dienstagmittag haben sie eine Anzeige wegen Denkmalvernichtung bei der Staatsanwaltschaft Görlitz abgegeben. Das bestätigt Göttsberger gegenüber der Sächsischen Zeitung.

Das Haus Salomonstraße 13 in Görlitz vor der Sanierung ...
Das Haus Salomonstraße 13 in Görlitz vor der Sanierung ... © Foto: Wikipedia/Freddo213

In der Anzeige dreht sich alles um die Häuser Salomonstraße 13/14, die derzeit für die Erweiterung des Landratsamtes saniert werden. Dabei wurden die alten Fassaden komplett zerstört. Sämtlicher Stuck, aber auch massive Bauteile wie Simse und Fenstersohlbänke wurden abgeschlagen und die vorher in gutem Zustand befindlichen Fassaden vollkommen entstellt. Das Landratsamt begründete das mit „wirtschaftlichen Gründen“, räumte aber gleichzeitig ein, gar nicht geprüft zu haben, was ein Erhalt der Fassaden gekostet hätte. Beide Gebäude stehen bis heute unter Denkmalschutz. Die Görlitzer Stadtverwaltung hat die Denkmalvernichtung genehmigt und steht weiter hinter dieser Entscheidung. „Bei diesen beiden Häusern war die vorgefundene Substanz so desolat, dass es keine Option gab, die Häuser so zu erhalten, dass sie noch als Denkmal bezeichnet werden könnten“, erklärte Amtsleiter Hartmut Wilke im SZ-Interview.

... und dasselbe Haus hinterher.
... und dasselbe Haus hinterher. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Nicht nur diese Aussage wird von vielen Seiten bezweifelt. Inzwischen hat die Stadtratsfraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne bei der Stadtverwaltung Akteneinsicht zur Salomonstraße genommen, um die Vorgänge nachzuprüfen. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass bis 2018 Wert auf den Erhalt der Fassaden gelegt wurde, teilte Fraktionssprecher Mike Altmann am Montag mit. Es seien keine Dokumente vorhanden, die ein Auslaufen des Denkmalstatus in Aussicht stellen: „Zu finden war dazu lediglich eine entsprechende Erklärung eines zuständigen Mitarbeiters der Stadtverwaltung, auf die sich offenbar alle Beteiligten nunmehr berufen.“ Vom Landesamt für Denkmalpflege hätten sich dazu keine konkreten Aussagen finden lassen.

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Nicht durch Dokumente belegt sei auch Wilkes Äußerung im SZ-Interview, „dass die Frage, was bei der Sanierung erhalten werden kann, mittels Gutachten untersucht wird.“ Ein solches Gutachten sei in den Akten nicht enthalten, teilte Altmann nun mit. Somit stehe auch ein Fragezeichen hinter Wilkes Aussage, dass „die in diesen beiden Häusern vorgefundene Substanz so desolat war, dass es keine Option gab, die Häuser so zu erhalten, dass sie noch als Denkmal bezeichnet werden könnten.“

Strafanzeige auch wegen Rechtsbeugung

Das Stadtforum beruft sich an mehreren Stellen seiner Anzeige auf die Akteneinsicht der Stadtratsfraktion. Am Ende heißt es wörtlich: „Hiermit wird Strafanzeige/Strafantrag wegen Rechtsbeugung, Vernichtung denkmalgeschützter Substanz und aller weiteren in Betracht kommenden Delikte gestellt.“ Rechtsbeugung deshalb, weil gegen das Denkmalschutzgesetz verstoßen wurde: Beide Häuser sind Denkmale und deshalb zu schützen. Verantwortlich sein könnten aus Stadtforum-Sicht OB Octavian Ursu, Bürgermeister Benedikt Hummel, Amtsleiter Hartmut Wilke, der städtische Denkmalschutz-Sachgebietsleiter Tobias Panke „und weitere Personen“.

Göttsberger erklärt, er hätte das Thema viel lieber einvernehmlich geklärt, als Anzeige zu erstatten. Der Verein habe einen fast zweistündigen Termin mit Ursu und Hummel (beide CDU) zu dem Thema gehabt. „Allerdings besteht seitens der Stadt offenbar kein Interesse, eine Lösung zu finden“, bedauert Göttsberger. Er habe auch Landrat Stephan Meyer (ebenfalls CDU) um einen Termin angefragt, von diesem jedoch keinerlei Rückmeldung erhalten.

Für den Verein ist die Salomonstraße offenbar nur die Spitze des Eisberges: „In Görlitz sind mittlerweile zu viele Dinge passiert und es ist ein Punkt erreicht, an dem es unerträglich geworden ist, wie in der Stadt mit Denkmalen umgegangen wird.“ Da müsse jetzt einfach mal jemand Anzeige erstatten. Generell wolle sich der Verein künftig „noch stärker in Görlitz bei Denkmalschutzthemen einbringen und Entscheidungen der Verwaltung kritisch hinterfragen.“ Wie das konkret geschehen soll, lässt Göttsberger aber offen. Für einen Sitz im Stadtrat kandiere jedenfalls kein Vereinsvertreter. Das tut stattdessen auf der Liste der Linkspartei der Architekt und Stadtführer Frank Vater, der das Thema ebenfalls sehr kritisch betrachtet.