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Wie aus einem alten Lagerhaus in Ruppersdorf ein modernes Paradies wurde

Vom Minihaus bis zum Schloss - wie ungewöhnlich einige Menschen in Löbau/Zittau wohnen, zeigt eine SZ-Serie. In Ruppersdorf hat Marcel Dextor für seine Familie ein Lager am Güterbahnhof ausgebaut.

Von Anja Beutler
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Marcel Dextor, Christin Sandow und ihre Töchter Mia und Maya auf der Terrasse vor ihrem Haus in Ruppersdorf.
Marcel Dextor, Christin Sandow und ihre Töchter Mia und Maya auf der Terrasse vor ihrem Haus in Ruppersdorf. © Matthias Weber/photoweber.de

Bei Marcel Dextor und seiner Familie kommt es immer wieder vor, dass Neugierige um die Hausecke lugen oder auch mal spontan Hallo sagen. Kein Wunder, denn das Haus mit den großen Fenstern an der Obercunnersdorfer Straße in Ruppersdorf fällt aus dem Rahmen: Obwohl es wie ein extravagant-moderner Neubau aussieht, ist es durchaus alt: 102 Jahre hat das Gebäude auf dem Buckel.

Zum Wohnen und Wohlfühlen war es nie geschaffen worden: Es war ein Lagergebäude an den Gleisen der Herrnhuter Bahn mit allerlei Aufzügen, Zwischenböden, kleinen Fenstern - in Auftrag gegeben von der damaligen Vereinigung der bäuerlichen Handelsorganisation. Später kam eine Schrotmühle hinein. Das Haus hatte ein Spitzdach und eine Art Verladerampe - ein Zweckbau.

Marcel Dextor lächelt, wenn er daran denkt, wie erstaunt viele waren, als er für seine Familie ausgerechnet dieses Haus kaufte und umbauen wollte. "Ich habe mir immer genau so ein Haus gewünscht, mit viel Fläche, Luft und Licht", erzählt er, "eine passende Hülle, in der ich meine Ideen verwirklichen kann." Von Anfang an hat der heute 37-jährige Bauprofi in dem hässlichen Entlein den schönen Schwan gesehen, zu dem er es zum Großteil in Eigenleistung gemacht hat.

Das Haus war einst Speicher der Bäuerlichen Handelsvereinigung, später BHG, in Ruppersdorf. Rechts verlaufen die zugewachsenen Schienen der Herrnhuter Bahn.
Das Haus war einst Speicher der Bäuerlichen Handelsvereinigung, später BHG, in Ruppersdorf. Rechts verlaufen die zugewachsenen Schienen der Herrnhuter Bahn. © Matthias Weber/photoweber.de
Hinter dem Haus schließt sich ein Pool an, dann fällt das Gelände steil nach unten ab.
Hinter dem Haus schließt sich ein Pool an, dann fällt das Gelände steil nach unten ab. © Matthias Weber/photoweber.de

Luft, Licht und Platz haben Marcel Dextor, seine Partnerin Christin Sandow und ihre Töchter Maya und Mia auf den rund 220 Quadratmetern Wohnfläche nun tatsächlich genügend. Die großzügige Wohnküche und die Sitzfläche nehmen das Erdgeschoss ein. Der Garten hinter dem Gebäude ist eine Augenweide und Oase an einem steilen Hang. Relativ rasch fällt das Gelände über mehrere Meter nach unten ab. Marcel Dextor hat deshalb aus alten Bahnschwellen Treppen gebaut, damit man nach unten gelangen kann. Spielwiese, Hochbeet und gleich am Haus ein idyllischer Pool machen das Ambiente perfekt.

Steil abfallender Garten

"Der Garten war das, was als erstes fertig war", erinnert sich Dextor. 2015 hat das Paar das Haus erworben, noch im Herbst entrümpelt, das teilweise defekte Dach samt Obergeschoss um fünf Meter heruntergenommen und ein Flachdach aufgesetzt. Da die gerade gewachsene Familie dann aber auf einen Kredit warten musste, um beim Hausausbau so richtig loszulegen, hielten sie sich erst einmal an den Garten. Sie befreiten den langen und steilen Hang von teilweise instabilen Bäumen, allerlei Müll und Schrott - sogar ein Moped war dabei, erinnert sich auch Christin Sandow an die Anfänge.

Ein Bild aus der Zeit nach der Wende: Vor dem langsam verfallenden Speichergebäude parkt ein "amerikanischer Schlitten".
Ein Bild aus der Zeit nach der Wende: Vor dem langsam verfallenden Speichergebäude parkt ein "amerikanischer Schlitten". © Matthias Weber/photoweber.de
Aus der Bauzeit 2018: In zweieinhalb Jahren wurde das Haus bewohnbar gemacht.
Aus der Bauzeit 2018: In zweieinhalb Jahren wurde das Haus bewohnbar gemacht. © SZ/Anja Beutler

Wie alles einmal aussehen soll, hat der gelernte Maurer, der inzwischen ein eigenes Baudienstleistungsunternehmen führt und in seiner Lehre viel Tischler-Knowhow mitbekommen hat, selbst geplant und entworfen. Genau wie das Haus selbst ist der Garten eine Visitenkarte seiner Kreativität und seines handwerklichen Könnens. "Ich habe ihm da einfach vertraut", erzählt seine Partnerin und lacht bei der Erinnerung an die Skepsis, die dem Paar am Anfang durchaus entgegenschlug. Gelohnt hat sich dieses Vertrauen allemal.

Farblich dominieren das Rot der Ziegeln, das Grau von Beton und Trockenestrich, dazu Weiß an Decken und einigen Wänden - und ganz viel Holz. Denn die alten Balken hat das Paar in mühevoller Kleinarbeit über zwei Jahre von all den eingelagerten, jahrzehntealten Staub-, Schmutz- und Farbschichten befreit und geölt. Eine aufwendige Arbeit, schließlich wurden hier einst Baustoffe, Kohle, Getreide und gar Salz gelagert.

Eine großzügige Sitzlandschaft öffnet das Haus vom Eingang aus dem Garten her. Der Blick fällt durch große Fenster auf Pool, Terrasse und in die Ferne.
Eine großzügige Sitzlandschaft öffnet das Haus vom Eingang aus dem Garten her. Der Blick fällt durch große Fenster auf Pool, Terrasse und in die Ferne. © Matthias Weber/photoweber.de
Der Wohnbereich schließt sich unmittelbar an. Die selbst gebaute Treppe führt in die oberen Etagen. Auch Tisch und Lampen sind aus wiederverwendeten Materialien. Der Korbsessel in der Ecke ist ein Lieblingsplatz.
Der Wohnbereich schließt sich unmittelbar an. Die selbst gebaute Treppe führt in die oberen Etagen. Auch Tisch und Lampen sind aus wiederverwendeten Materialien. Der Korbsessel in der Ecke ist ein Lieblingsplatz. © Matthias Weber/photoweber.de
Die offene Küche mit Kochtresen und freiem Blick auf den Vorplatz vor dem Haus schließt das Erdgeschoss ab.
Die offene Küche mit Kochtresen und freiem Blick auf den Vorplatz vor dem Haus schließt das Erdgeschoss ab. © Matthias Weber/photoweber.de
Großzügig gehalten ist das Badezimmer. Neben einer Badewanne gibt es auch eine Dusche.
Großzügig gehalten ist das Badezimmer. Neben einer Badewanne gibt es auch eine Dusche. © Matthias Weber/photoweber.de
Toller Ausblick von der Terrasse mit Whirlpool: Bei guter Sicht kann man bis zum Jeschken sehen.
Toller Ausblick von der Terrasse mit Whirlpool: Bei guter Sicht kann man bis zum Jeschken sehen. © Matthias Weber/photoweber.de

Auch das Mobiliar stammt keineswegs alles "von der Stange", denn Marcel Dextor ist ein Fan von Upcycling - also davon, Altes wiederzuverwenden oder umzunutzen: "Die Eichenbohlen, die unter der Schrotmühle waren, sind jetzt der Wohnzimmertisch", erzählt er. Selbst der frei stehende Kochtresen, die Lampen und viele andere kleine und große Details sind ganz oder teilweise alt - aber eben aufgearbeitet und wiederverwendet.

Und doch wirkt das Haus durch und durch modern: Das Bad ist groß, mit Badewanne und Dusche, sogar mehreren Fenstern. Eine freie Treppe - die Betonstufen hat Dextor selbst gegossen - führt in die oberen Stockwerke, ein kleiner Wintergarten an den sich eine große Dachterrasse mit Whirlpool anschließt. Sie bietet einen Rundumblick bis zu Jeschken, Kottmar und Neugersdorfer Wasserturm und ist das i-Tüpfelchen, die neue Krone des Hauses. Auf der Terrasse befindet sich auch die Therme für die Warmwasserversorgung mit Sonnenkraft. "Wir können das Haus über zwei Wege heizen: mit Gastherme und Holzvergaser", erklärt der Familienvater. Und durch die Dämmung des alten Gemäuers bleibt es auch im Sommer innen angenehm temperiert.

Experte für Upcycling

Zweieinhalb Jahre hat Dextor mit Helfern und der Arbeit von Profis im Sanitär- und Elektrobereich gebraucht, um das Haus bezugsfertig zu machen. "Im Mai 2018 sind wir eingezogen", sagt er. Seine Partnerin erinnert sich noch: "Das war sehr ungewohnt - so viel Platz!", sagt sie. Die Familie kam aus einer eher kleinen Wohnung in Ninive - ohne Kinderzimmer. Das hat jetzt sowohl die achtjährige Maya als auch die dreijährige Mia. Und sie freuen sich, wenn der Papa da auch mal wieder ein bisschen was neu macht - ein selbst gebautes Bett wünscht sich Maya beispielsweise.

"Zu tun gibt es immer", meint Marcel Dextor schmunzelnd - und denkt an noch offene, kleinere Arbeiten am Vorplatz und im Keller, wo Wirtschaftsräume und auch Garage integriert sind. "Nach dem Einzug habe ich bis zum Ende des Jahres erst mal nichts mehr gemacht - da war die Luft raus", schildert er. Inzwischen aber ist die Lust am Basteln, Bauen und Verbessern wieder da. Und Ideen hat Marcel Dextor ohnehin noch reichlich.