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Auto, Fahrrad, Bus und Bahn: Womit die Sachsen wirklich fahren

Das Auto ist in Verkehrsdebatten der Feind Nummer 1 geworden. Doch verzichten die Sachsen wirklich darauf? Ein Blick auf die nüchternen Zahlen gibt Antworten.

Von Sylvia Miskowiec
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Bus, Bahn, Fahrrad oder doch lieber das Auto?
Bus, Bahn, Fahrrad oder doch lieber das Auto? © 123rf

Es herrscht mehr oder weniger Konsens darüber, dass eine Verkehrswende notwendig ist, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Doch wenn es konkret wird, wird heftig gestritten: Soll der Autoverkehr radikal eingeschränkt werden, zum Beispiel durch weniger Fahrstreifen oder höhere Parkgebühren? Oder sollten Bund, Land und Kommunen trotz knapper Kassen erst in Alternativen investieren – in mehr Bus- und Bahnangebote, in mehr Radwege? Konkret sieht es in Sachsen derzeit so aus:

Werden in Sachsen angesichts der Klimakrise weniger Autos zugelassen?

Nein! Der Trend zeigt, abgesehen von kleinen Einbrüchen, insgesamt nach oben. Im ersten Halbjahr 2023 wurden in Sachsen laut Kraftfahrtbundesamt 43.928 Pkw neu zugelassen – 6,1 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Insgesamt waren Stand Januar 2023 im Freistaat 2,18 Millionen Autos angemeldet – bei nur noch etwa 4 Millionen Einwohnern. Spitzenreiter in Sachen Pkw-Dichte sind der Vogtland- und der Erzgebirgskreis: Hier kamen Anfang des Jahres 619 beziehungsweise 617 Pkw auf 1.000 Einwohner. In Leipzig und Dresden dagegen sind es 388 beziehungsweise 415 Autos je 1.000 Menschen.

Wie sieht es mit Neuzulassungen von E-Autos in Sachsen aus?

Es werden immer mehr, auch wenn das Niveau vom vergangenen Jahr bisher nicht erreicht wurde. Fuhr 2022 gut jedes zweite neu in Sachsen zugelassene Auto elektrisch, sind es in diesem Jahr Stand Juli noch 48,8 Prozent. Dies ist insofern beachtlich, als dass sich die Fördersumme für die Anschaffung eines Stromers von maximal 9.000 auf maximal 6.750 Euro verringert hat. Jene für Plug-in-Hybriden ist seit Jahresbeginn weggefallen.

Die Sachsen haben aber noch gut Luft nach oben in Sachen E-Mobilität, denn der reine Bestand an E-Autos ist gering: So machen Stromer und Plug-in-Hybriden nur rund 2,2 Prozent des Autobestandes im Freistaat aus.

Reichen die Ladesäulen in Sachsen für die zunehmende Zahl an E-Autos?

Virta, ein finnischer Anbieter von Ladeinfrastruktur, hat sich die Verteilung von Ladesäulen im Verhältnis zu den zugelassenen E-Autos und Plug-in-Hybriden angeschaut und kommt zum Ergebnis: Sachsen ist bundesweit am besten von allen Bundesländern aufgestellt. So gab es bis zum April dieses Jahres laut Bundesnetzagentur im Freistaat 3.519 Ladepunkte. Das Kraftfahrtbundesamt registrierte zur selben Zeit 49.751 E-Autos. Das macht 14 Stromer pro Ladesäule – so gut sah es nirgends sonst in Deutschland aus.

Wobei „gut“ relativ ist. Die Internationale Energiebehörde spricht von „gut“ nur bis zu einem Verhältnis von zehn zu eins. Was diese Zahl zudem nicht offenbart, ist der Unterschied zwischen Stadt und Land: Während es in den drei großen sächsischen Metropolen Leipzig, Dresden und Chemnitz leicht ist, eine Ladesäule zu finden, ist das in ländlichen Gegenden und an manchen Autobahnraststätten noch schwer.

Welche Rolle spielen Motorräder?

Ähnlich wie bei den Pkws verzeichneten die sächsischen Zulassungsbehörden auch bei den sogenannten Krafträdern mehr Neuzulassungen als im Vorjahr. Von Januar bis Ende Juni bekamen 4.925 Krafträder ihr Nummernschild – 8,6 Prozent mehr als 2022 zur selben Zeit. Im Vergleich zu dem Bestand von über zwei Millionen Pkws sind die motorisierten Zweiräder jedoch in der Minderheit: Insgesamt rollen momentan rund 198.000 Motorräder und Mopeds durch den Freistaat.

Wie ist die Stausituation in Sachsen?

Der ADAC hat die Situation auf den sächsischen Autobahnen in seiner Jahresstaubilanz 2022 festgehalten: Auf den 580 Kilometern Bundesautobahnen im Freistaat wurden im vergangenen Jahr über 13.000 Verkehrsstörungen gemeldet, knapp 8.000 weniger als 2021. Standen Autofahrer vor zwei Jahren noch auf einer Gesamtlänge von 31.378 Kilometern im Stau, waren es 2022 nur noch 26.844 Kilometer. „Damit hat sich die Lage auf Sachsens Autobahnen gegenüber den Vorjahren deutlich entspannt“, resümiert der ADAC.

„Die A 4 ist schon aufgrund der Länge Sachsens größtes Stauproblem, zudem gehört die Strecke zwischen Nossen und dem Dreieck Dresden-West zu den fünf am meisten befahrenen Autobahnabschnitten in Deutschland“, sagt Falk Forhoff vom ADAC Sachsen. Für zusätzliche Staugefahren sorgten momentan die vielen Baustellen, vor allem bei Hainichen, zwischen dem Dreieck Nossen und Wilsdruff, beim Elbabstieg Dresden, bei Ottendorf-Okrilla, Großröhrsdorf und Bautzen.

Wie wird der öffentliche Nahverkehr in Sachsen genutzt?

Die Zahlen bewegen sich nicht so nach oben, wie es für eine echte Mobilitätswende notwendig wäre – denn sie mäandern eher um rund 440 Millionen Fahrgäste pro Jahr herum, anstatt zu steigen. 2022 nutzten 431 Millionen Personen Bus und Bahn. Statistisch betrachtet legte damit jeder Sachse im vergangenen Jahr etwa 1.000 Kilometer mit dem ÖPNV zurück.

Welche Auswirkungen hat das Deutschlandticket in Sachsen?

Alle fünf Verkehrsverbünde in Sachsen verzeichnen seit Einführung des Deutschlandtickets im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr bis zu einem Viertel mehr Fahrgäste. Besonders beliebt ist die Bahnstrecke zwischen Dresden und Leipzig, die mittlerweile fast 40 Prozent mehr Menschen nutzen als 2019.

Wie kommt der Radwegausbau in Sachsen voran?

„Aktuell haben wir rund 320 Kilometer Radwege an Bundesstraßen in Planung oder im Bau und noch einmal etwa so viele an Staatsstraßen“, sagt Saskia Tietje, Präsidentin des sächsischen Landesamtes für Straßenbau und Verkehr. Die neuen Wege ergänzen die bereits bestehenden rund 1.860 Kilometer Radwege an Bundes-, Staats- und Kreisstraßen. „Wir werden uns zudem künftig um neue Radschnellverbindungen bemühen, also Radwege, die besonders breit und kreuzungsarm sind und auf denen Radfahrende Vorrang haben“, so Tietje. Von heute auf morgen ginge das aber nicht – Planung und Bau der Radwege dauerten genauso lange wie bei einer normalen Straße. „Je nach Komplexität, Streckenlänge, örtlichen Verhältnissen sowie dem Einspruchsverhalten relevanter Beteiligter liegen zwischen Planungsbeginn und Baubeginn erfahrungsgemäß acht bis zehn Jahre“, heißt es dazu aus dem sächsischen Wirtschaftsministerium.

Was hat es mit den Fahrradstraßen auf sich?

In Dresden sollen verschiedene Nebenstraßen zur „Radroute Dresden Ost“ vereint werden, Chemnitz hätte gern eine dritte, und auch andere sächsische Kommunen planen sie: Fahrradstraßen. Diese Wege sind dem Radverkehr vorbehalten. Nur das Zusatzschild „Kfz frei“ erlaubt das Befahren auch für Pkw und Lkw. Schneller als 30 km/h darf keiner unterwegs sein. An vielen Kreuzungen haben Radfahrer auf der Fahrradstraße zudem Vorrang.

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