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Tempo 30 am Terrassenufer: Was bringen Verkehrsversuche auf Dresdens Straßen?

Plötzlich gilt Tempo 30 am Terrassenufer. Verkehrsversuche sind schnell angeordnet, weil Politiker nicht darüber entscheiden. Es gibt reichlich Kritik, die Stadtverwaltung wertet sie aber als Chance.

Von Andreas Weller
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Der Versuch mit Tempo 30 am Terrassenufer ist bereits gestartet, weitere sollen folgen.
Der Versuch mit Tempo 30 am Terrassenufer ist bereits gestartet, weitere sollen folgen. © René Meinig

Dresden. Über kaum ein Thema wird mehr in Dresden diskutiert als über den Straßenverkehr. Ist Dresden eine Auto- oder eine Fahrrad-Stadt? Klar ist, in keiner anderen deutschen Stadt gibt es mehr schwere Unfälle mit Radfahrenden.

Das ist auch ein Grund, weshalb seit Juli auf dem Terrassenufer Tempo 30 für Autos gilt. Das wurde von der Stadtverwaltung angeordnet, als Verkehrsversuch. Es ist einer von mehreren Versuchen, um Dresdens Verkehr sicherer zu machen. Weil es mehr werden, gibt es auch verstärkt Kritik.

Seit wann gibt es in Dresden Verkehrsversuche?

Der erste Verkehrsversuch wurde 2010 am Bartheldesplatz durchgeführt. Grund dafür war der Dauerstau rund um den Platz in Blasewitz, der dadurch zu einem Unfallschwerpunkt wurde - vor allem Radfahrer hat es häufig erwischt. In dem Versuch hat die Stadt das Linksabbiegen von der Naumannstraße verboten und eine mobile Fußgängerampel aufgestellt. Das war aber nicht dauerhaft umsetzbar.

Stattdessen ist das Ergebnis des Versuchs eine andere Lösung geworden: Die mobile Ampel wurde durch eine stationäre ersetzt und eine Mittelinsel gebaut. Kosten: rund 185.000 Euro. Die Situation hat sich laut Stadt verbessert.

Welche weiteren Verkehrsversuche gab es?

2011 wurde an der Kreuzung Schäferstraße/Weißeritzstraße als Versuch das Linksabbiegen verboten, damit die Straßenbahnen schneller vorankommen. Das hat die Wartezeiten der Bahnen tatsächlich um durchschnittlich 35 Sekunden verkürzt und wurde dann dauerhaft umgesetzt. Kosten: 8.500 Euro.

Um die Wartezeiten am Fetscherplatz zu verkürzen, wurden ebenfalls 2011 die Umlaufzeiten an den Ampeln verkürzt und das Linksabbiegen verboten. Dieser Versuch kostete rund 3.000 Euro und führte dazu, dass das Linksabbiegen dauerhaft verboten bleibt.

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Welche Verkehrsversuche laufen derzeit?

Dann gab es eine längere Pause mit Verkehrsversuchen in Dresden. Seit Juli läuft aber der nächste Versuch. Für das Terrassenufer wurde Tempo 30 angeordnet. Das soll es vor allem für Radfahrer sicherer machen, weil bisher häufig der Mindestabstand von einigen Autofahrern nicht eingehalten wurde, aber auch um Geisterradler zu verhindern. Die Umsetzung kostet rund 4.200 Euro, der Versuch läuft noch.

Begonnen hat jetzt auch der Test einer "Schulstraße" vor der 63. Grundschule. Das bedeutet, die Durchfahrt wird zu bestimmten Zeiten - vor Schulstart und zum Schulschluss - untersagt, Kurzzeitparkbuchten werden ausgewiesen. Bisher laut Stadt erfolgreich, es gibt nur wenige Verstöße.

Welche Verkehrsversuche sind noch geplant?

Noch in diesem Jahr will die Stadt am Blauen Wunder Radanlagen in den fließenden Verkehr einordnen. Das sorgte bereits im Vorfeld für Kritik, weil dadurch eine Autospur wegfällt.

2024 wird dann das Jahr mit den bisher meisten Verkehrsversuchen in Dresden. Für die Seestraße sind am südlichen Altmarkt Einbauten, Begrünung und Änderungen der Verkehrsorganisation geplant, um den Verkehr zu beruhigen. Das soll im Frühjahr beginnen.

Außerdem sollen vor der 56. Grundschule und der 62. Grundschule ebenfalls Schulstraßen getestet werden.

Auf der Carolabrücke soll im kommenden Jahr ein Radfahrstreifen in Richtung Altstadt angelegt werden und es sind weitere sogenannte Reallabore geplant. Am Schießhaus Ecke Schützengasse soll ebenfalls 2024 mit den Anwohnern der Platz attraktiver gestaltet und gleichzeitig verkehrsberuhigt werden. Ähnlich ist es in der Neustadt für die Kamenzer Straße geplant, der Termin aber noch offen. Diese Reallabore gelten als "Verkehrsversuche mit besonderer Bedeutung und Übertragbarkeit".

Was muss bei Verkehrsversuchen beachtet werden?

Verkehrsversuche sind Sache der laufenden Verwaltung. Es braucht dafür also keinen Stadtratsbeschluss und es ist auch nicht notwendig, solange zu warten, bis eine Gefahrenlage nach Straßenverkehrsordnung vorliegt.

Dennoch müssen auch hierfür Regeln eingehalten werden. "Es dürfen keine Maßnahmen erprobt werden, die aufgrund von Rechtswidrigkeit nicht auch dauerhaft angeordnet werden könnten", erläutert Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne). Die Erprobungsmaßnahmen müssen verhältnismäßig zur Gefahrenlage sein und angemessen befristet werden. "Es ist ein planvolles Handeln, einschließlich Festlegung eines bestimmten Erprobungsziels erforderlich - inklusive Vorher-/Nachher-Erfassungen."

Nicht betroffen davon sind die schlimmsten Unfallschwerpunkte in Dresden. Diese werden von der Unfallkommission erfasst. "Deren Beschlüsse zur Entschärfung von Unfallhäufungsstellen werden in der Regel als dauerhafte Anordnung getroffen und mit Vorher-Nachher-Untersuchungen nach drei Jahren evaluiert", so der Bürgermeister.

Weshalb überhaupt Verkehrsversuche?

"Ein Verkehrsversuch ist die Erprobung geplanter verkehrssichernder und verkehrsregelnder Maßnahmen im Rahmen eines Modellversuchs", erklärt Kühn. "Mittels Vorher-Nachher-Studien wird untersucht, ob eine bestimmte Maßnahme zur Verbesserung einer Verkehrssituation führt, beispielsweise eine angeordnete Geschwindigkeitsreduzierung."

Neben der Verkehrsberuhigung könne es dabei auch um die Aufwertung der Aufenthaltsqualität oder die Auswirkung einer geänderten Verkehrsführung auf eine bestimmte Verkehrsteilnehmergruppe sein. "In der Regel werden Verkehrsversuche zur Evaluation der Leistungsfähigkeit von Maßnahmen eingesetzt", so Kühn. "Die Durchführung von Verkehrsversuchen ermöglicht es so, zügig Ergebnisse verkehrssichernder Maßnahmen zu erproben und zu bewerten, bevor sie dauerhaft angeordnet werden."