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Fahrradfreundliche Gemeinden: Eine Utopie in Sachsen?

Während im Elbland der Radwegeausbau stockt, sind andere Kommunen schon weiter. Ein Versuch, positive Entwicklungen im Freistaat darzustellen.

Von Martin Skurt
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Schon jetzt sind auf der Straße An der Festwiese in Radebeul viele Radfahrer unterwegs: Noch in diesem Jahr soll die Strecke zur Fahrradstraße umgewidmet werden.
Schon jetzt sind auf der Straße An der Festwiese in Radebeul viele Radfahrer unterwegs: Noch in diesem Jahr soll die Strecke zur Fahrradstraße umgewidmet werden. © Arvid Müller

Radverkehr steht für Umweltfreundlichkeit und Gesundheit. Und er liegt in Deutschland im Trend. Inzwischen fahren mehr als 80 Prozent der Deutschen mit dem Fahrrad, 55 Prozent halten es sogar für unverzichtbar, aktuellen Zahlen des Bundesverkehrsministeriums zufolge. Stolz behauptet das Ministerium, dass Deutschland zu einer der führenden Fahrradnationen aufgestiegen ist. Auch wenn es in sächsischen Gemeinden hapert, gibt es auch im Freistaat Leuchttürme, die Radfahrenthusiasten sicherlich Hoffnung auf eine gelingende Verkehrswende machen.

Radebeul zum Beispiel. Die Villen- und Weinstadt will eine Fahrradstraße einrichten, und zwar zwischen den S-Bahnhofhaltestellen Kötzschenbroda und Ost. Ziel sei es, den Radverkehr von der Meißner Straße wegzuführen und auf den Fahrradstraßen zu bündeln, dem Radebeuler Stadtentwicklungsamt zufolge. Als Pilotprojekt soll zunächst mit einer Teilstrecke in Kötzschenbroda begonnen werden. Dieses Stück schließt die Lücke zum Elberadweg. Wann der Rest umgesetzt wird, bleibt ungewiss. Denn die Stadt Radebeul hat Angst, dass eine forsche Umwidmung der Straßen von der Polizei kassiert wird, da das Verkehrschaos auf anderen Straßen zu groß werden könnte.

Radwegeausbau im Schneckentempo

Konrad Krause ist davon aber begeistert. Der Geschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) bezeichnet die Pläne als vielversprechend. Gerade der Elberadweg sei ein wichtiger Standortvorteil für den Landkreis Meißen, sagt Krause. Diesen zu erschließen, also sinnvoll. Aber der bringt nicht nur als Wirtschaftsfaktor Punkte, weil Hunderttausende Touristen hier jedes Jahr auf dem Rad durchfahren, übernachten und sich bewirten lassen, sondern sei auch für Pendlerinnen und Pendler eine attraktive Option. Abseits des Elberadwegs passiert aber eher weniger.

Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen.
Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen. © Arvid Müller

"Alle größeren Städte haben noch Hausaufgaben zu machen und gefährliche Ecken", sagt Krause. In Radebeul ist es die Meißner Straße, in Meißen häufen sich Probleme auf den Bundes- und Staatsstraßen, die durch den Ort führen, und in Riesa fühlen sich Radfahrer auf der Chemnitzer Straße und Lange Straße unsicher. "Nur in Großenhain verteilen sich die Unfälle ziemlich regelmäßig über das Stadtgebiet, was ja auch ein Zeichen ist, dass dort besonders viel Rad gefahren wird. Aber in sichere Infrastruktur müssten die Städte eigentlich alle mehr investieren."

Ein Sorgenkind ist im Landkreis auch das Radwegenetz an den überörtlichen Straßen. "Wenn wir Menschen die Möglichkeit geben wollen, dass sie ihren Weg zur Arbeit, oder die Schulkinder den täglichen Schulweg, mit dem Rad zurücklegen, dann müssen noch sehr viele Lücken im Radewegenetz geschlossen werden", meint Konrad Krause. Erst im Juli ist ein junger Mann auf der S 91 bei Folbern gestorben, nachdem er auf dem Rad von einem Kleintransporter angefahren wurde. Ein Radweg fehlt an der Straße, wie an so vielen anderen Stellen auch. "Hier ist nicht nur der Landkreis gefragt, das überörtliche Radwegenetz schneller zu entwickeln, sondern auch der Freistaat Sachsen."

  • Mehr als 9.000 Menschen aus Ost- und Mittelsachsen haben für den Mobilitätskompass Einblick in ihr Mobilitätsverhalten gegeben. Der Mobilitätskompass wurde unter wissenschaftlicher Begleitung der Evangelischen Hochschule Dresden und in Kooperation mit der Agentur "Die Mehrwertmacher" entwickelt und ausgewertet, die darauf geachtet haben, dass die Aussagen belastbar sind. Bis Anfang Dezember veröffentlicht Sächsische.de die regionalen und lokalen Ergebnisse. Alle erschienenen Beiträge finden Sie auch auf www.saechsische.de/mobilitaetskompass

Doch nicht nur im Landkreis kommt der Radwegeausbau nur schleppend voran. Etwa ein Fünftel der sächsischen Staats- und Bundesstraßen sind bislang mit einem Radweg ausgestattet. Dabei war das ursprüngliche Ziel des Verkehrsministers Martin Dulig (SPD) einmal: Bis 2025 sollen fast 500 Kilometer an Radwegen fertiggestellt werden. Bislang wurden aber nur 179 Kilometer erreicht, laut Landesrechnungshof. Der urteilt deswegen in seinem Jahresbericht, dass Ziel und Umsetzung weit auseinanderklaffen.

Leuchtturmprojekte in Sachsen

Trotz der eher schlechten Nachrichten, gibt es auch Gemeinden, die in den vergangenen Jahren einiges getan haben, um den Radverkehr attraktiver zu gestalten. In Leipzig markierte die Verwaltung an mehreren Hauptstraßen Radwege. Besonders der Abschnitt vor dem Hauptbahnhof erregte in diesem Jahr große Aufmerksamkeit. Statt vier Streifen müssen Autofahrer seit April mit lediglich zwei auskommen. Im Herbst soll der grüne Radfahrweg um weitere 400 Meter verlängert werden. Für Konrad Krause ist das ein gelungenes Beispiel für eine fahrradfreundliche Neuorganisation des Straßenraums. "Bessere Bedingungen für Menschen mit dem Rad können oft nur erreicht werden, wenn Kommunalpolitik und Planer mutig sind und die Flächen neu aufteilen."

Der grüne Radfahrstreifen vor dem Leipziger Hauptbahnhof existiert seit April. Nun wird er verlängert.
Der grüne Radfahrstreifen vor dem Leipziger Hauptbahnhof existiert seit April. Nun wird er verlängert. © Archiv: dpa/Hendrik Schmidt

Sind bessere Bedingungen für Radfahrer utopisch? Wenn es nach Konrad Krause ginge, nein. Denn es brauche keine komplizierte Technologie, die noch erfunden werden müsse. Die Kosten seien überschaubar. "Viele würden jetzt schon gern mehr Wege mit dem Rad zurücklegen." Deswegen brauche es ein lückenloses Netz von Radwegen. Wo das nicht möglich ist, sollten Entscheidungsträger alternative Lösungen finden wie die Umwidmung von schwach befahrenen Kreisstraßen in Fahrradstraßen oder die Reduktion der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. In großen Teilen der Niederlande ist dies schon Wirklichkeit, während man in Sachsen noch von einer Utopie sprechen muss.

Trotzdem gibt es auch im Freistaat "hoffnungsvolle Entwicklungen", meint Konrad Krause. Er denkt dabei an den Radschnellweg in Chemnitz, der mehrere Gemeinden im Umland anschließen soll. "Im Erzgebirge hat gerade ein Bahntrassenradweg Baurecht erhalten, der den Erzgebirgskamm erschließt", sagt der Radlobbyist. Er habe den Eindruck, dass im Moment etwas ins Rollen kommt.